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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Hart aber fair" "Es war ein Moment, wo die Seele den Körper verlässt"
Dorothee Bär reicht Rot-Grün beim Gewalthilfegesetz die Hand. Ricarda Lang reagierte darauf bei "Hart aber fair" positiv – und berichtete vom Hass, den sie erfährt.
Gibt es doch Hoffnung für das Gewalthilfegesetz der Bundesregierung? "Ich würde mir wünschen, dass wir es noch mal gemeinsam verbessern können und da würden wir auch die Hand reichen, selbstverständlich", sagte die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär am Montagabend bei "Hart aber fair". "Das Angebot nehme ich sehr gern an", erwiderte Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen).
Die Gäste
- Ricarda Lang (Bündnis 90/Die Grünen), Ex-Parteichefin
- Dorothee Bär (CSU), Parteivize
- Frauke Rostalski, Deutscher Ethikrat
- Romy Stangl, Aktivistin für Frauenrechte
- Collien Ulmen-Fernandes, Moderatorin
- Fikri Anıl Altıntaş, Autor
Nach dem Bruch der Ampelkoalition steht das Gewalthilfegesetz für Frauen auf der Kippe. Bär hatte es als "unausgegoren" kritisiert. Bei "Hart aber fair" klang das ähnlich: Bär warf Bundesfrauenministerin Lisa Paus (SPD) vor, Gespräche verweigert zu haben. Die stellvertretende CSU-Parteivorsitzende hielt Rot-Grün jedoch zugute: "Ja, das Ziel ist richtig." Deshalb wolle sie sich "wirklich gerne" zusammensetzen, um das Gesetz zum Schutz von Frauen auf den Weg zu bringen.
"Hart aber fair": Gewalt gegen Frauen
"Da bin ich tatsächlich sehr offen dafür. Ich würde mir das wirklich wünschen", sagte Lang. Wichtig sei, dass sich der Bund endlich an der Finanzierung von Projekten wie Frauenhäusern beteiligt. Die ehemalige Grünen-Chefin zeigte sich kompromissbereit für Forderungen der Union, den Entwurf zu verbessern. "Ich bin bei so was wie der elektronischen Fußfessel oder mehr Täterarbeit auch sehr, sehr offen", sagte Lang.
Die Grünen-Abgeordnete schlug Bär Gespräche im Dezember vor. Dann könne das Gewalthilfegesetz im Januar vor der vorgezogenen Bundestagswahl beschlossen werden. "Es gibt am Ende Themen, die sind wichtiger als Wahlkampf", unterstrich Lang und forderte: "Das müssen wir vor dieser Wahl noch hinbekommen." Nach dieser Sendung sei sie zuversichtlich.
Dass die Zeit drängt, hatte Louis Klamroth gleich zu Beginn der Talkshow zum Motto "Hass und Gewalt gegen Frauen: Ist Empörung genug?" deutlich gemacht. Laut einem neuen Bericht des Bundeskriminalamts wurden 2023 bundesweit 360 Frauen und Mädchen bei einem Tötungsdelikt umgebracht. Über die Hälfte der 52.330 weiblichen Opfer von Sexualstraftätern waren laut den Ermittlern minderjährig.
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"Wo die Seele den Körper verlässt"
Jede dritte Frau werde von Männern zum Opfer gemacht, sage Bär und zeigte in die Runde und durchs Publikum: "Da können Sie ja durchzählen." Was brutale Schläge durch den Vater und durch den Lebensgefährten auslösen, berichtete bei "Hart aber fair" Romy Stangl. "Es war ein Moment, wo die Seele den Körper verlässt", erinnerte sich die Aktivistin für Frauenrechte.
Sie hatte einst mit ihrem kleinen Sohn in einem Frauenhaus Schutz gesucht. Was viele aber nicht wissen: Frauen müssen dort einen Tagessatz bezahlen. Der Eigenanteil kann laut Zahlen der Caritas zwischen fünf und 80 Euro betragen – pro Person, versteht sich. Selbst beim niedrigsten Satz käme eine Frau mit zwei Kindern auf 450 Euro monatlich. Teils erheben Einrichtungen zusätzlich einen Beitrag für Energiekosten.
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Das Gewalthilfegesetz sieht unter anderem vor, dass Leistungen in Schutzeinrichtungen für Betroffene kostenfrei werden. Lang wies bei "Hart aber fair" darauf hin, dass bundesweit trotzdem noch 13.000 Plätze in Frauenhäusern fehlen würden. Hilfesuchende Mütter mit Kindern müssten teils abgewiesen werden, beklagte Lang, deren Mutter ihr zufolge in einem Frauenhaus gearbeitet hat, das wegen fehlender Finanzierung schließen musste.
Ricarda Lang: Abartige Gewaltfantasien
Klamroth diskutierte in der verkürzten und später ausgestrahlten Ausgabe von "Hart aber fair" auch den alltäglichen Hass, der Frauen entgegenschlägt. Die ehemalige Grünen-Chefin sagte, wenn sie von jemandem als "dämlich" bezeichnet werde, könne sie damit gut leben. "Aber wenn dir jemand schreibt, 'Du fettes Miststück, ich will dich in meinem Keller aufhängen, halb tot prügeln und dann zuschauen, wie du ausblutest' – daran muss sich niemand gewöhnen müssen", so Lang.
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Auch Bär berichtete von Morddrohungen: "Ja, ich erlebe das Gleiche." Neben sexistischen Beschimpfungen als "Miststück" oder "Schlampe" habe sie nach ihrem letzten Auftritt bei Klamroth zu hören bekommen: "Es gehört sich nicht als Frau, einem Mann ins Wort zu fallen".
Die CSU-Politikerin beklagte ebenso wie Lang, dass ehrenamtliche Politikerinnen in Gemeinderäten und Rathäusern durch verbale Angriffe und körperliche Gewalt zurückgedrängt werden oder aus Angst gar nicht erst kandidieren. "Dann ist unsere Meinungsfreiheit wirklich in Gefahr", warnte Lang.
Hasswelle nach AfD-Kritik
"Ich habe noch nie so viele Hassnachrichten bekommen wie da", berichtete die Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes über ihren AfD-kritischen Auftritt bei Klamroth im Februar. Rund 2.000 Nachrichten seien es gewesen. Die Folge: Sie wolle sich so etwas nicht mehr antun, sagte Ulmen-Fernandes. Zwar ärgere sie sich über sich selbst: "Aber man ist am Ende ja nur ein Mensch."
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"Solange die AfD so viele Stimmen bekommt, werden wir in Deutschland weiter ein so massives Problem haben", warnte die CSU-Politkerin Bär. Sie sitze im Parlament leider direkt neben der AfD-Fraktion und bekomme jeden sexistischen Zwischenruf, jeden verächtlichen Spruch der AfD-Abgeordneten selbst mit. "Andrew Tate: Das ist ein zu eins die AfD-Bundestagsfraktion", sagte Bär unter Verweis auf den frauenfeindlichen Influencer.
Die CSU-Abgeordnete appellierte an Eltern: "Man kann nicht guten Gewissens dieser Partei eine Stimme geben, wenn man wirklich für die eigenen Töchter eine gute Zukunft in diesem Land haben möchte."
"Das sind die Rechtsextremen von morgen"
Andrew Tate sei nur die Spitze des Eisbergs, sagte der Autor Fikri Anıl Altıntaş. Frauenhass in den Köpfen junger Männer müsse von der Politik und der Gesellschaft viel ernster genommen werden. Das würde laut dem Botschafter der UN-Kampagne #HeForShe auch helfen, politischen Extremismus einzudämmen. Denn der Übergang sei für Frauenverächter oft fließend: "Das sind die Rechtsextremen von morgen".
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Aber auch bei Plattformen wie Instagram und Facebook oder selbst bei der Polizei werde Hass gegen Frauen oft nicht ernst genommen. Sie habe bei einem Betreiber einer Plattform eine Beleidigung wie "dreckige, ekelhafte Hautfarbe" gemeldet, berichtete Ulmen-Fernandes. Doch angeblich habe der nicht gegen die Richtlinien verstoßen. Andere Frauen bekämen von der Polizei schon mal zu hören: "Wenn ihr ins Internet geht, müsst ihr euch nicht wundern."
Frauke Rostalski, Mitglied des Deutschen Ethikrats, sah bei "Hart aber fair" insbesondere auch Richter und Staatsanwälte in der Verantwortung. Eine Initiative wie das Gewalthilfegesetz sei richtig, setze aber "nicht an der Wurzel an", sagte die Rechtswissenschaftlerin. Bei 90 Prozent der Urteile wegen Vergewaltigungen falle die Strafe in das untere Drittel des Strafrahmens und 99 Prozent der Freiheitsstrafen würden gar zur Bewährung ausgesetzt. Diese richterliche Praxis sei nicht nachvollziehbar.
- ARD: "Hart aber fair" vom 2. Dezember 2024