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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kritik an Merz-Entscheidung "Da sieht man, wie man die AfD klein hält"
Friedrich Merz sägt seinen Generalsekretär ab. Nun hat er einen neuen. Über den gehen die Meinungen bei "Maischberger" weit auseinander – auch wegen der AfD.
Hat sich CDU-Parteichef Friedrich Merz mit der Wahl seines neuen Generalsekretärs einen Bärendienst erwiesen? Auf jeden Fall habe sich der Parteivorsitzende entlarvt, urteilte die Journalistin Alev Doğan am Dienstagabend bei "Maischberger". Die Qualität eines Anführers zeige sich daran, ob er sich nur mit Ja-Sagern umgebe "oder ob er sich Leute ins Team holt, die sich trauen, ihm zu widersprechen", meinte die Chefreporterin der Nachrichtenseite "The Pioneer".
Die Gäste
- Ralf Stegner (SPD), Außenexperte
- Norbert Röttgen (CDU), Außenexperte
- Peter Wohlleben, Förster
- Sven Plöger, Meteorologe
- Wolfgang Bosbach, ehemaliger CDU-Innenexperte
- Ulrike Herrmann, TAZ-Wirtschaftskorrespondentin
- Alev Doğan, Chefreporterin "The Pioneer"
Der Wirtschaftsexperte Carsten Linnemann fällt nach Meinung von Beobachtern ganz klar nicht in das zweite Lager. Er gilt als Vertrauter von Merz. Der habe mit der Personalie gezeigt, welche Art von Anführer er sein wolle, sagte Doğan.
Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sprach zwar von einem Befreiungsschlag. Er formulierte aber sogleich Forderungen an den neuen Chefstrategen der Christdemokraten. Die Union dürfe nicht einfach nur Nein sagen. "Er muss auch Alternativen formulieren", forderte Bosbach.
Entscheidung gegen Daniel Günther?
Nach Ansicht der TAZ-Redakteurin Ulrike Herrmann hat sich Merz mit der Personalie aber eben gerade doch für das ständige "Nein" entschieden. Im "existenziellen Richtungsstreit" in der CDU stehe Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther für den konstruktiven Ansatz und sei damit extrem erfolgreich gewesen. "Da sieht man, wie man die AfD klein hält", sagte Herrmann. "Was nicht geht, ist immerzu irgendwelche Angstszenarien aufzubauen und ansonsten immer Nein zu sagen."
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Immer wieder Nein sagte an diesem Abend bei "Maischberger" aber auch der SPD-Außenexperte Ralf Stegner, ebenfalls aus Schleswig-Holstein. Er kritisierte die Entscheidung der USA, Streubomben an die Ukraine zu liefern. Deutschland müsse zu seinen Werten stehen und auch in diesem Fall den Einsatz dieser besonders grausamen Waffen verurteilen.
Nein sagte das Mitglied im Auswärtigen Ausschuss auch zum Vorschlag von dessen Vorsitzendem, seinem Parteifreund Michael Roth. Der hat kürzlich vorgeschlagen, die von der Ukraine kontrollierten Landesteile möglichst schnell unter den Schutz der Nato zu stellen. "Ich teile das ausdrücklich nicht", betonte Stegner. Dies sei auch nicht die Haltung der SPD-Fraktion. "Auch ein eingefrorener Konflikt ist ein Konflikt", unterstrich der Sozialdemokrat. In so einem Fall sei eine Aufnahme in das westliche Verteidigungsbündnis eben nicht möglich.
"Wir müssen vermeiden, dass es zu einem Weltkrieg kommt", hatte Stegner an anderer Stelle in der Sendung davor gewarnt, dass die Nato durch einen Ukraine-Beitritt in direkten Konflikt mit Russland geraten könnte. CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sprach hingegen bei "Maischberger" von einer verpassten historischen Chance beim Nato-Gipfel.
"Herr Putin könnte sich provoziert fühlen"
"Dieses Land kämpft gegen russische Aggressoren und leidet in unglaublichem Maße. Und das soll jetzt das Argument sein, dass wir sie nicht in die Nato lassen, weil sie unseren Frieden mit unserem Blut verteidigen?", sagte Röttgen. Er warf seinen regelmäßigen Talkshow-Opponenten Stegner vor: "Was Sie 'Vorsicht' nennen, ist in Wahrheit Unterlassung, Nachgeben, Appeasement. Und jetzt kommt das nächste Unterlassen, in dem gleichen Muster: Herr Putin könnte sich provoziert fühlen."
Röttgen habe als Oppositionspolitiker leicht reden, widersprach Stegner. Die Regierung brauche hingegen die Zustimmung der Bevölkerung für ihre Politik. "Wo fehlt die denn?", wollte Röttgen wissen. Der Kampf um Mehrheiten sei schwierig, hob Stegner an. Da tätschelte ihm der SPD-Gegenspieler den Arm. "Sie sind der Schwierige. Die SPD und ihr Kanzler ist das Problem, nicht die Bevölkerung."
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"Schauen Sie sich die Werte für die Rechtsradikalen an in den ostdeutschen Bundesländern", forderte ihn Stegner daraufhin auf. Macht es die Bundesregierung der AfD einfach zu leicht?, wollte Maischberger von Herrmann wissen. Die TAZ-Redakteurin sah vor allem den kleinsten Partner in der Verantwortung für die schlechte Stimmung. "Die FDP befindet sich in der Todeszone", befand sie.
FDP-Chef Christian Lindner habe nach etlichen Wahlniederlagen eigentlich erkennen müssen, dass die Bürger ständiges Stören ohne eigene Ideen nicht belohnen. "Aber offenbar ist er nicht lernfähig und deswegen werden wir dieses Drama noch zwei weitere Jahre ertragen müssen", prognostizierte Herrmann.
"Es ist wie ein Kindergarten im Moment", urteilte Doğan über den öffentlichen Streit und munter auf Twitter veröffentlichte Briefe inklusive Telefonnummern in Ministerien. Sie nahm aber auch die Union in die Pflicht für den Aufschwung der AfD. CDU/CSU würden sich in unwichtigen Parolen im Stile von "Ich bestehe auf meinen Grillwürsten" und "Make Autos Great Again" verrennen.
Atomausstieg schlecht fürs Klima?
"Sie wechseln die Argumente aus, wie Sie sie gerade brauchen", warf Bosbach hingegen den Grünen vor. Er verwies auf eine Studie der Universität Stuttgart. Demnach habe durch den Weiterbetrieb der drei deutschen Atomkraftwerke 15 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden können. Das sei das Doppelte der Menge, die durch das Heizungsgesetz gespart werden solle. "Dann kann es ja mit der Katastrophe nicht so schlimm sein", meinte Bosbach.
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"Das kann gar nicht sein", widersprach Herrmann dem Verweis auf die Studie und schlug das Ganze für den Faktencheck vor. Hier auf die Schnelle: Die "Bild"-Zeitung hatte am 14. April aus einer Untersuchung von Professor André Thess von der Uni Stuttgart zitiert. Das Fazit: Das Weltklima wird durch die Abschaltung mit zusätzlich 15 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr belastet, weil kurzfristig mehr Strom aus Kohle und Gas produziert wird. Umweltexperten wiesen daraufhin, dass bei der Produktion von Brennstäben ebenfalls viel CO2 freigesetzt wird und dass Akw in Dürrezeiten schnell das Kühlwasser ausgehen kann.
Dass beim Heizungsgesetz nun auch Pelletheizungen als klimaneutrale Option gelten, ist nach Ansicht des Försters Peter Wohlleben ein absurder Triumph der Forstwirtschaftslobby. Gesunde Wälder könnten dem Klimawandel entgegenwirken, sagte er bei "Maischberger". Aber: "Wir reduzieren sie auf einen Brennstoff."
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Die Forstwirtschaft habe das Waldsterben inklusive Großbränden erst maßgeblich verursacht, kritisierte Wohlleben. Widerstandsfähige Laubwälder seien gerodet und durch anfällige Fichten und Kiefern ersetzt worden. "Wir halten das für Wald", sagte der Förster mit Blick auf die schwer geschädigten Baumbestände im Harz. "Das ist so heimisch wie eine Ölpalmenplantage auf Borneo."
- ZDF: "Maischberger" vom 11. Juli 2023
- dlf.de: "15 Millionen Tonnen mehr CO2 durch Abschaltung der AKWs"
- bild.de: "So schädlich ist das AKW-Aus für das Klima"