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AfD: Umgang mit der Partei – So sollte man mit Rechten umgehen


Meinung
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Umgang mit der AfD
Dieser Reflex ist gefährlich

MeinungVon Liane Bednarz

Aktualisiert am 03.07.2023Lesedauer: 6 Min.
AfD-Rechtsaußen Björn Höcke spricht in einer Sitzung des Thüringer Landtages (Archivbild).Vergrößern des Bildes
AfD-Rechtsaußen Björn Höcke spricht in einer Sitzung des Thüringer Landtages (Archivbild). (Quelle: Martin Schutt)

Die vor allen in linken Kreisen seit Jahren propagierte Strategie, die AfD durch Ignorieren und Ausgrenzen kleinzukriegen, ist gescheitert. Ohne eine direkte Konfrontation der Parteigrößen bleiben die Anhänger in ihrer Parallelwelt.

Sie ist zurück, die Debatte, wie man mit Rechten, namentlich der AfD, umgeht. Ob man sie besser ignoriert oder doch die direkte Konfrontation sucht. Befeuert worden ist die Diskussion nun durch das große Interview, das der "Stern" gerade mit der Co-Parteichefin Alice Weidel geführt hat. Samt großem Foto von ihr auf dem Titel.

Quasi zeitgleich hat auch der erste Sieg eines AfD-Kandidaten bei einer Landratswahl, vor zwei Wochen im thüringischen Landkreis Sonneberg, die Diskussion zurück auf die Bühne gebracht. Satte 52,8 Prozent der Wählerstimmen konnte der bisherige AfD-Landtagsabgeordnete Robert Sesselmann in der Stichwahl gegen den Amtsinhaber von der CDU einfahren. Und das, obwohl sämtliche etablierten Parteien, einschließlich sogar der "Linken" zur Unterstützung des CDU-Mannes aufgerufen hatten.

Video | Erstmals hauptamtlicher AfD-Bürgermeister gewählt
Quelle: Glomex

Doch die Wahlbeteiligung blieb mau. Gerade mal 59,6 Prozent der Wahlberechtigten zog es an die Urne. Ganz offenbar konnte die AfD ihre Anhängerschaft mobilisieren. Ihre Gegner konnten es nicht.

Ein ähnliches Bild ergab sich am vergangenen Wochenende in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt. Hier konnte sich der AfD-Kandidat Hannes Loth bei der Bürgermeisterwahl durchsetzen. Er gewann mit 51,1 Prozent der Stimmen gegen den parteilosen Nils Naumann, der 48,9 Prozent erreichte. Loth ist damit der erste gewählte hauptamtliche AfD-Bürgermeister Deutschlands. Auch hier lag die Wahlbeteiligung insgesamt nur bei schwachen 61,5 Prozent.

Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz.
Die Juristin und Publizistin Liane Bednarz (Quelle: imago/imago-images-bilder)

Die Autorin

Liane Bednarz, 49 Jahre, ist eine liberal-konservative Publizistin. Sie ist promovierte Juristin und Mitglied der CDU. Sie hat diverse Bücher veröffentlicht, darunter 2015 "Gefährliche Bürger: Die neue Rechte greift nach der Mitte" und 2018 "Die Angstprediger. Wie rechte Christen Gesellschaft und Kirchen unterwandern".

Der "Stern"-Titel hat in den üblichen Kreisen, meistens linken, die erwartbare Empörung mit den seit Jahren gleichen Phrasen hervorgerufen: "Wie kann man nur?"; "No pasarán"; "Kein Fuß breit den Faschisten"; "Mit Faschisten redet man nicht"; "Ausgrenzen!". Die Liste ließe sich fortsetzen.

Die Gefahr der reflexartigen Abwehr

Man kennt sie schon lange, diese reflexartige Abwehr. Vor ein paar Jahren gab es mit dem Buch "Mit Rechten reden" der Autoren Per Leo, Maximilian Steinbeiß und Daniel-Pascal Zorn einen klugen Vorschlag, auf eine durchdachte Diskursführung mit Rechten zu setzen, um ihnen so den Wind aus den Segeln zu nehmen. Insbesondere auch um ihr Opfernarrativ zu durchbrechen, welches sie in ihrer Parallelwelt nährt. Aber eine Phalanx wütender Linker und Linksliberaler erstickte das Thema und warf den Autoren vor, Rechte salonfähig machen zu wollen. Ein absurder Gedanke. So konnte eigentlich nur sprechen, wer das Buch nicht gelesen hatte und den Titel bewusst als Imperativ missverstehen wollte.

Danach ebbte die Debatte ab. Nicht zum Schaden der AfD. Es passierte vielmehr genau das, was die Autoren verhindern wollten: Je mehr die AfD in den Medien ignoriert wurde, umso stärker wurde sie. Mit der Einstufung der Bundespartei als "Beobachtungsfall" durch den Verfassungsschutz verstärkte sich diese Entwicklung. Maybrit Illner etwa tat im März dieses Jahres kund, vorerst gar keine AfD-Vertreter mehr in ihre Talkshow einzuladen.

Je mehr die AfD ignoriert wurde, umso stärker wurde sie

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Das Ignorieren der AfD hat nichts, aber auch gar nichts gebracht. Gewiss ist es gut, dass Medien nicht mehr über jede Provokation stolpern, die das rechte Parteibiotop produziert, aber die weitreichende Ignoranz war und ist ebenso untauglich, um der Partei das Wasser abzugraben.

Die aktuellen Umfragewerte sprechen für sich. Im Bund liegt die AfD bei 19 Prozent (Emnid/Kantar vom 1. Juli 2023). Und in den drei ostdeutschen Bundesländern, in denen 2024 gewählt wird, steht sie noch besser da: 28 Prozent in Thüringen (Insa vom 26. April 2023), ebenfalls 28 Prozent in Sachsen (Insa vom 6. April 2023) und 24 Prozent in Brandenburg (IFM vom 9. Juni 2023). Will man diese Sympathisanten ernsthaft alle ausgrenzen? Wohin denn?

Die Strategie des Ausgrenzens und Ignorierens ist, so bitter das auch ist, gescheitert. Das ist mittlerweile evident. Und die Gründe dafür liegen auf der Hand. Veit Medick, Co-Politchef beim "Stern", der das Interview mit Weidel mitgeführt hat, hat in einem lesenswerten Thread auf Twitter ausgeführt, warum es so kommen musste. Insbesondere hebt er hervor, dass die AfD die breite mediale Öffentlichkeit längst nicht mehr brauche, sondern über ganz eigene Kanäle funktioniere: "Die AfD hat die Regeln der digitalen Öffentlichkeit bestens verstanden. Je mehr wir ihre Protagonisten meiden und uns scheuen, mit ihnen zu streiten, sie mit ihren Widersprüchen und Leerstellen zu konfrontieren, desto leichter haben sie es, sich in ihren Kreisen zu vermehren." Und weiter: "So wichtig sind klassische Medien nicht mehr. Die AfD hat viele eigene Bühnen und Foren, auf denen sie komplett unwidersprochen agieren kann und meine Befürchtung ist, dass sie so stark sein könnte, eben weil sie auf ihren Bühnen weitgehend ungestört ein Eigenleben entwickelt."

Eine verpasste Chance

Genau so ist es. Empfand die AfD sich zunächst noch als Opfer der diskursiven Ausgrenzung, hat sie aus der Not längst eine Tugend gemacht. Ihr ist egal, ob sie in den großen Talkshows sitzt. Sie spielt sich über ihre eigenen Kanäle aus. Hätte man sie medial stärker in den vergangenen Jahren mit ihren radikalen, nicht selten menschenverachtenden Thesen konfrontiert und logische Fehlschlüsse in ihrer Argumentation vor einem Millionenpublikum aufgezeigt, hätte man vielleicht noch Menschen erreichen können, die sich zwar für sie interessieren, ihr aber noch nicht ganz verfallen sind und sich einen Rest von Skepsis bewahrt haben.

Die Autoren vom "Mit Rechten reden" haben das übrigens schon 2017 erkannt. Sie schrieben: "Das Wählerpotential der AfD wird auf etwa 20 % der stimmberechtigten Bürger geschätzt, und auch wenn sie es derzeit nicht ausschöpft – die von rechts radikalisierte Mitte wird uns dauerhaft bleiben." Wie weitsichtig das war. Jetzt hat die AfD diese 20 Prozent ausgeschöpft.

Das Buch kam des Weiteren wie gesagt schon 2017 (!) zu folgendem Befund: "Der Streit findet statt (….) Und er hat sich so sehr verselbstständigt, dass es gar nicht mehr in unserer Macht liegt, ihn zu beenden oder die Rechten aus der Arena des Diskurses zu verbannen." Die Autoren zogen daraus den damals schon richtigen Schluss: "Um das Kräfteverhältnis von Rechten und Nicht-Rechten wieder ins Lot zu bringen, müssen wir etwas tun, was uns eigentlich gar nicht liegt: Wir müssen eine Gegenstrategie entwickeln. Und dazu müssen wir zuerst verstehen, wie aus einem schwachen so ein unangenehmer Gegner werden konnte."

Ausgrenzung nutzt der AfD mehr, als sie schadet

Genau das passiert anscheinend jetzt endlich auf breiterer Front. Und zwar gerade auch unter Linksliberalen, was wichtig ist. Unter der Leitfrage "Darf man das", also "Alice Weidel auf den Titel heben", führte "Stern"-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz in einem Video aus, dass die Ausgrenzungsstrategie angesichts der derzeitigen Umfragen "nicht sonderlich gut funktioniert" habe. Und es gibt weitere Stimmen, die umschwenken. Allen voran Hasnain Kazim, Bestseller-Autor, Journalist und ein langjähriger Kritiker der rechten Szene, der vor wenigen Tagen auf Twitter schrieb: "Früher hätte ich gesagt, so einen Titel sollte man nicht machen – keine Bühne der „AfD“! Aber ich habe mich überzeugen lassen, dass man diese Leute argumentativ stellen muss."

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Gewiss, es ist nicht einfach, hart in eine verbale Auseinandersetzung mit Rechten zu gehen. Man muss extrem gut vorbereitet sein. Aber es kann funktionieren. Ich spreche aus Erfahrung. Vor Jahren, genauer 2016, habe ich gemeinsam mit Marcus Bensmann ("Correctiv") beim Hamburger Journalistenkongress des "Netzwerks Recherche" mit Dieter Stein, dem Chefredakteur der rechten Wochenzeitung "Jungen Freiheit" diskutiert. Am Ende waren die jeweiligen Positionen sehr klar für das Publikum. Gleiches gilt für die Diskussion 2017 zwischen der damaligen Vorsitzenden der "Christen in der AfD", dem damaligen Landesbischof und mir auf dem Kirchentag in Berlin sowie für eine Fernsehdiskussion 2017 im MDR, bei der ich den damaligen sachsen-anhaltischen AfD-Landesvorsitzenden André Poggenburg konfrontierte.

In der Regel funktionieren diese Debatten eher in kleineren Runden, im Fernsehen etwa bei Markus Lanz, bei dem das Format vorsieht, dass man sich mit einzelnen Gästen intensiv der Reihe nach auseinandersetzt. Geeignet sind auch eins zu eins besetzte Podien wie der Schlagabtausch zwischen den Schriftstellern Durs Grünbein und Uwe Tellkamp, der 2018 im Dresdner Kulturpalast stattfand. Unter anderen mit einer Wortmeldung des neurechten Verlegers Götz Kubitschek aus dem Publikum. Auf Video gestreamt, ist das Gespräch für viele nachschaubar, die nicht dabei sein konnten. Auch hier wurde deutlich, warum Grünbein das rechte Denken ablehnt. Für die Zuschauer ein Gewinn.

Dieser Glaube ist magisches Denken

Es ist magisches Denken, anzunehmen, die AfD werde von selbst in absehbarer Zeit wieder schwächeln. Diejenigen, denen etwas an einer offenen Gesellschaft liegt, sollten die Konfrontation suchen, immer in der Hoffnung, Zuschauer bzw. Zuhörer zu erreichen.

Insbesondere ist es eine naive Illusion anzunehmen, AfD-Anhänger besonders im Osten ließen sich auch nur ansatzweise davon beeindrucken, dass die Partei ein Verdachtsfall für Rechtsextremismus ist; dass der Thüringer Landesvorsitzende vom Verfassungsschutz ebenso wie sein Landesverband vom Thüringer Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft worden ist und dass Björn Höcke gerichtsfest "Faschist" genannt werden darf. Das – und ja, es ist bitter, aber es ist so – interessiert seine Anhänger längst nicht mehr. Die neurechte Erzählung, der Verfassungsschutz sei ein Handlanger der Regierung, hat hier längst verfangen.

Die Russlandhörigkeit ist die Schwachstelle der AfD

Vorerst sind die AfD und die Neue Rechte gekommen, um zu bleiben. Ob es uns gefällt oder nicht. Aber man kann beiden und vor allem ihren Anhängern in der direkten Konfrontation öffentlichkeitswirksam zeigen, dass man die besseren Argumente hat. Mit der Russlandhörigkeit der AfD, die nichts mit der westgebundenen und wertebasierten Bundesrepublik zu tun hat, liegt eines der besten Argumente sogar auf der Hand. Man muss es nur aufgreifen.

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