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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wirtschaftsminister bei "Markus Lanz" Altmaier: "Ein sehr schwerer Tag für die Union"
Bei "Markus Lanz" wurde das Rückzugsangebot von Armin Laschet interpretiert. Mit Peter Altmaier und Christoph Ploß führten dabei gleich zwei CDU-Politiker erneut vor, wie wenig Vertrauen der Noch-Vorsitzende in seiner eigenen Partei genießt.
Peter Altmaier, aus Berlin zugeschaltet, hatte offenkundig Redebedarf: "Guten Abend, Herr Lanz, das war heute ein sehr schwerer Tag für die Union", legte der Wirtschaftsminister los, noch bevor der Moderator die Gästerunde im Studio vorgestellt hatte.
Nachdem Markus Lanz das nachgeholt und klargestellt hatte, welchen entscheidenden Satz Armin Laschet gesagt hatte ("Das große Projekt Jamaika wird nicht an einzelnen Personen scheitern") und welchen nicht ("Ich trete zurück"), durfte der CDU-Mann dann aber doch zur Interpretation schreiten. "Armin Laschet hat heute seine Person ein Stück weit zurückgenommen", erklärte Altmaier, das sei ein "trauriger Moment" gewesen, aber auch "ein notwendiger Schritt". Nach der "Abstrafung" an den Wahlurnen brauche seine Partei eine personelle und inhaltliche Neuaufstellung.
Die Gäste
- Peter Altmaier (CDU), Bundeswirtschaftsminister
- Christoph Ploß (CDU), Landesvorsitzender in Hamburg
- Alexander Graf Lambsdorff (FDP), Mitglied des Bundestages
- Ulrike Herrmann, "taz"-Wirtschaftskorrespondentin
- Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der "Augsburger Allgemeinen"
"Sie deuten es als Angebot eines Rückzugs“, hakte Lanz nach, "nehmen Sie es an?" Altmaier bejahte: "Ich nehme an, dass Armin Laschet bereit ist, Teil der Lösung zu werden." Der 26. September habe die CDU zurückgeworfen auf den "harten Kern" ihrer Stammwählerschaft, "die Treuesten der Treuen". Neben programmatischen Defiziten etwa in der Renten- und Sozialpolitik, die Menschen zur SPD getrieben hätten, habe auch der Kanzlerkandidat Laschet "nicht dazu geführt, dass wir in die Offensive gekommen sind“.
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Warum er aber mit seinem Tweet zum "Ampel-Zug, der nun den Bahnhof verlassen hat" noch vor Markus Söder "ohne Not Jamaika beerdigt" habe, wollte Lanz nun wissen. Er sehe keine Beerdigung, entgegnete Altmaier, aber: "Wir stehen nicht am Spielfeldrand und sagen: Bitte, bitte, lasst uns mitspielen." Es war der Beginn einer aufschlussreichen Aufführung über die Verwerfungen in der Union, an der auch der Hamburger CDU-Landesvorsitzende Christoph Ploß mitwirkte.
Der Bundestagsabgeordnete, der bei der unionsinternen Kandidatenkür erst Friedrich Merz, dann Markus Söder favorisiert hatte, mochte sich nicht entscheiden, ob er traurig oder erleichtert über Laschets Statement sei. Bedauerlich sei es, "weil wir Kontinuität brauchen", andererseits aber sei es auch ein "Aufbruchssignal". Er selbst, so Ploß, habe bis zur Bundestagswahl "jeden Tag für ihn geworben". Sperrfeuer wollte er allenfalls aus Bayern wahrgenommen haben, die CDU-Landesverbände dagegen hätten "gut gekämpft". Im Übrigen habe Laschet ja selbst gesagt, "dass er nicht so gezogen hat“. Da sah sich Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der "Augsburger Allgemeinen", doch genötigt, festzustellen, dass "Laschet auch an seinen Parteifreunden gescheitert" sei, die ihn "herzlich wenig unterstützt" hätten. Derzeit, so der Journalist, betätige sich die Union "als Geburtshelfer für eine Ampelregierung".
Auch Peter Altmaier wollte sich indes keine Illoyalität gegenüber Laschet nachsagen lassen. Er nahm für sich in Anspruch, im Bundestagswahlkampf auf über 60 Veranstaltungen "auf Plätzen und in geschlossenen Räumen" immer gesagt zu haben, "dass er unser Kanzlerkandidat ist". Lanz konterte: "Das wussten die Leute ja schon, aber haben Sie was Nettes über ihn gesagt? Haben Sie gesagt: Das ist ein richtig guter Mann?" Das sei "die falsche Debatte“, fand Altmaier – woraufhin sich mit Verve Ulrike Herrmann in die Diskussion einbrachte: "Keiner wollte ihn", so die "taz"-Journalistin über Laschet, "außer Wolfgang Schäuble plus Herrn Bouffier". Ihr Resümee: "Eine Partei hatte die wahnsinnige Idee, Wahlkampf gegen die eigene Basis zu machen und gegen die eigenen Wähler." Die CDU habe einfach gedacht, dass ihr Deutschland gehöre, "nach dem Motto: Wir kriegen immer 30 Prozent, egal, wen wir aufstellen".
Ploß bereitet sich geistig auf die Opposition vor
Einen vergleichsweise ruhigen Abend verlebte unterdessen Alexander Graf Lambsdorff. Der FDP-Mann, den Lanz mehrfach als möglichen künftigen Außenminister titulierte, beschränkte sich darauf klarzustellen, dass es seitens der FDP noch keine Absage an Jamaika gebe und dass er sich "in die Klärungsprozesse anderer Parteien" nicht einmischen wolle. Ulrike Herrmanns Analyse, es sei "strukturell was Neues", wie jetzt Grüne und FDP als Paket zusammenwirkten, teilte er aber ausdrücklich: "Wir haben ein verändertes Parteienspektrum", so Lambsdorff, das Selfie der ersten Gesprächsrunde von Robert Habeck, Annalena Baerbock, Christian Lindner und Volker Wissing künde von dieser "Aufbruchsstimmung".
CDU-Nachwuchsmann Ploß allerdings zeigte sich vom liberalen Offenhalten der Jamaika-Option wenig beeindruckt: Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Bündnisses taxierte der Hamburger Landesvorsitzende auf "weniger als zehn Prozent". Sein Fazit: "Wir bereiten uns ab heute geistig auf die Opposition vor."
- "Markus Lanz" am 7. Oktober 2021