CDU-Chef löst Umut aus Nach Laschets Auftritt beginnt das Schwarze-Peter-Spiel
Armin Laschet wirbt weiter für eine Jamaika-Koalition – und würde dafür auch zurücktreten. Doch hat die Koalition überhaupt noch eine realistische Chance?
Noch bevor FDP-Chef Christian Lindner Gespräche über eine Ampelkoalition mit SPD und Grünen begann, hatte er noch einen kleinen Wiederbelebungsversuch gestartet: "Jamaika ist [...] für uns unverändert eine tragfähige Option", sagte er. Damit blies er ins selbe Horn wie CDU-Chef Armin Laschet, der noch am Donnerstagabend betonte, dass die CDU "bis zu letzten Sekunde der Regierungsbildung" weiter für Gespräche bereitstehe.
Dabei hatten andere wie CSU-Chef Markus Söder die Möglichkeit einer Regierung aus Union, FDP und Grünen bereits für beendet erklärt. Zwar ließ Söder eine kleine Hintertür für den Fall offen, dass die Ampel-Gespräche doch noch scheitern sollten. "Aber in Wahrheit ist Jamaika tot und dient nur noch als rhetorische Option", sagt etwa der Politologe Gero Neugebauer. Ein Dutzend Befragter in CDU, CSU und FDP teilten am Donnerstag hinter vorgehaltener Hand diese Einschätzung, was nicht nur ein Schwarze-Peter-Spiel auslöste. Und der CDU-Vorsitzende Laschet zog die ersten Konsequenzen.
Glaube an Scheitern der Ampel gering
Denn selbst die befragten CDU/CSU-Politiker glauben nicht mehr an ein Scheitern der Ampel-Gespräche, auch wenn sich fast niemand zitieren lassen will. "Grüne und FDP sind in einen Zug eingestiegen, aus dem es keinen Ausstieg mehr gibt", sagte aber etwa der CSU-Bundestagsabgeordnete Max Straubinger. FDP-Chef Lindner könne sich nach seinem Sondierungsausstieg 2017 gar kein zweites Ende von Gesprächen leisten. "Die SPD und Grüne haben entschieden, die FDP ist Gefangener." Auch Söder hatte argumentiert, dass das Votum gegen gleichzeitige Dreier-Sondierungen mit SPD und Union die Entscheidung gebracht hätte. Mit ziemlicher Verärgerung schiebt er deshalb die Schuld an einem Jamaika-Aus bewusst den beiden kleineren Parteien und vor allem der FDP zu, ebenso wie Laschet am Donnerstagabend. Dabei betonen sie die große inhaltliche Nähe in den Vorsondierungen.
In der FDP will man den Schwarzen Peter nicht und schiebt ihn zurück: Nach liberaler Lesart wollte die CSU Jamaika gar nicht – ungeachtet von Söders öffentlichen Beteuerungen. Die FDP wirft der CSU offen vor, das nötige Vertrauen sabotiert zu haben. "Ohne die permanenten CSU-Blutgrätschen gegen Armin Laschet könnten wir morgen Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition beginnen", hatte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle am Mittwoch getwittert – und damit die Schuld für das Scheitern ebenso wie Lindner Richtung München geschoben.
Will die CSU überhaupt verhandeln?
"Die FDP hat einen Grund gesucht, wie sie gegenüber ihren Anhängern ihr Entscheidung für die SPD begründen kann", heißt es dagegen in CDU und CSU übereinstimmend. Ohnehin wollten die Liberalen die Union nur, um ihre Verhandlungsposition gegenüber der SPD zu verbessern. Allerdings fügt ein CDU-Präsidiumsmitglied hinzu: "Das ändert aber nichts daran, dass die CSU auch im zweiten Anlauf Jamaika nicht wollen würde." Das gegenseitige Misstrauen zwischen CDU, CSU und FDP ist in den vergangenen Tagen also deutlich gewachsen.
Dazu weisen etliche Politiker darauf hin, dass es bei einem Scheitern der Ampel-Gespräche auch aus einem weiteren Grund keine realistische Option mehr gebe. "Wenn die FDP aussteigen sollte, weil SPD und Grüne ihr zu viel abverlangen – dann werden doch danach nicht die Grünen angesichts der Stimmung an ihrer Basis unmöglich ein Jamaika-Bündnis schließen können", ist auch der Politologe Neugebauer überzeugt. Dies wird am Donnerstag selbst von den früheren Jamaika-Anhänger bei den Grünen bestätigt.
Laschet ohne Autorität
Umstritten ist in der CDU, ob nicht auch Laschet selbst letztlich zu den Jamaika-Verhinderern gehört. "Es ist doch offensichtlich, dass er nicht die Autorität in der CDU hat – mit wem hätten wir also wirklich verhandelt?", fragt ein FDP-Politiker. Also sei Laschet mitverantwortlich für die Zerrissenheit der Union. Auch die Grünen hatten gemosert, dass es kein Machtzentrum in der Union gebe.
Der CDU-Chef zog am Donnerstagabend die Konsequenz und stellte seine Kanzlerkandidatur zur Verfügung. "Das große Projekt Jamaika wird nicht an der Person scheitern", betonte er – wohl wissend, dass gerade FDP und Grüne ihn persönlich aber als Ansprechpartner schätzen. Um die Unruhe in der Union zu dämpfen, kündigte er auch seinen Rückzug von der Parteispitze an – ohne aber ein Datum zu nennen. Dabei hatte er selbst längst klar gemacht, dass seine politische Überlebenschance nur eine lebendige Jamaika-Option ist. Auf die Rolle des Oppositionsführers und Chefs der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte Laschet schon vor der Wahl verzichtet.
- Nachrichtenagentur Reuters