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FDP-Mann Stamp über Union: "Das ist ein Paradigmenwechsel"


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FDP-Mann Stamp über künftige Regierung
"Das ist ein Paradigmenwechsel"

InterviewVon Tim Kummert

Aktualisiert am 05.10.2021Lesedauer: 4 Min.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, sein CSU-Kollege Markus Blume und Volker Wissing von der FDP nach der Sondierung vom Sonntag: Die Freien Demokraten zeigten sich wenig begeistert von den Indiskretionen aus dem Unions-Teilnehmerfeld.Vergrößern des Bildes
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, sein CSU-Kollege Markus Blume und Volker Wissing von der FDP nach der Sondierung vom Sonntag: Die Freien Demokraten zeigten sich wenig begeistert von den Indiskretionen aus dem Unions-Teilnehmerfeld. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)
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Wollen die Liberalen jetzt doch eine Ampelkoalition auf Bundesebene? Ein Gespräch mit dem FDP-Politiker und Vize-Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Joachim Stamp.

Wenn es in der FDP einen Politiker gibt, der die gesamte Breite von Verhandlungen mit der Union kennt, dann ist es Joachim Stamp: 2017 handelte er das Jamaika-Regierungsbündnis in Berlin mit aus, das sein Parteichef Christian Lindner schließlich platzen ließ.

Noch im selben Jahr wurde Stamp Familienminister von Nordrhein-Westfalen, in der schwarz-gelben Regierung von Armin Laschet. Laschet ist nun in Berlin, am heutigen Dienstag will er in Gesprächen mit den Grünen ein Jamaika-Bündnis anbahnen.

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Ein Gespräch mit dem Vize-Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen über komplizierte Verhandlungen mit dem liebsten politischen Partner.

t-online: Herr Stamp, wie regiert es sich gerade so ohne den Chef in Nordrhein-Westfalen?

Joachim Stamp: Wir sind nicht ohne Chef und auch nicht von einer Person abhängig: Wir arbeiten in Nordrhein-Westfalen vertrauensvoll mit FDP und CDU gemeinsam. Obwohl wir nur über eine Stimme Mehrheit im Landtag verfügen, haben wir in über vier Jahren keine einzige Abstimmung verloren.

Das geräuschlose Regieren in Nordrhein-Westfalen gilt als Vorlage für eine schwarz-gelbe Zusammenarbeit in einer Bundesregierung.

Ja, das sollte für jede Regierung gelten. Konflikte lösen wir intern. Der Koalitionsausschuss tagt bei uns nicht in einer Krise, sondern ist vorausschauendes Planungsgremium. Ich finde, vertraulich miteinander umzugehen, ist die Grundlage für eine stabile Regierung. Und das versuchen wir jetzt auch im Bund zu etablieren.

Der Erfolg ist überschaubar: Ihr Vize-Parteichef Johannes Vogel hat gerade die Union scharf angegriffen, diese habe nach den Vorsondierungen am Wochenende "angebliche Gesprächsinhalte an die Medien durchgestochen".

Es war notwendig, einmal darauf hinzuweisen, dass Durchstechereien an die Medien kein Vertrauen schaffen.

Mal ganz im Ernst: Für wie wahrscheinlich halten Sie auf einer Skala von 1–10 noch ein Jamaika-Bündnis?

Das hängt primär von der Union ab. Aus der Erfahrung der letzten vier Regierungsjahre in Nordrhein-Westfalen ist ein Vertrauen zu Armin Laschet entstanden. Wir haben auch eine größere Schnittmenge mit der Union als mit der SPD. Das ist nicht neu. Aber entscheidend ist, dass sich jetzt demokratische Parteien zusammenfinden, um die großen Themen Digitalisierung, Bildung, Rente und natürlich die Menschheitsaufgabe Klimaschutz durch Innovation tatsächlich anzupacken. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger: Schluss mit engstirniger Parteipolitik. Wir brauchen einen Aufbruch hin zu großen Lösungen.

Ihr Parteichef Christian Lindner hat im Sommer gern formuliert, dass Armin Laschet "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" Kanzler werde. Jetzt sagt Lindner über die Union: "Sie müssen klären, ob sie eine Regierung führen wollen". Die Liebe scheint schnell erkaltet zu sein.

Es geht hier nicht um Liebe, sondern um die richtige Regierung.

An einer stabilen Union haben Sie ja ein gewisses Eigeninteresse.

Wir haben Interesse an der Bildung einer stabilen Fortschrittsregierung.

Die FDP hat ein enormes Problem, wenn Jamaika als Machtoption wegbricht. Dann heißt es nur noch: Mit einer Ampelkoalition regieren oder gar nicht regieren. Sie wären politisch praktisch erpressbar.

Wir sind nicht erpressbar. Das haben wir 2017 bewiesen, als wir uns nicht zum Anhängsel einer beliebigen Politik gemacht haben. Aber es ist ein positives Signal, dass jetzt sowohl CDU als auch SPD uns, aber auch die Grünen, als gleichberechtigte Partner anerkennen. Das ist ein Paradigmenwechsel.

Die FDP hätte gern bereits am vergangenen Samstag mit der Union geredet, aber da konnte Markus Söder nicht: Er musste den Geburtstag von Edmund Stoiber feiern. Wie ernst können Sie einen solchen Verhandlungspartner nehmen?

Das kommentiere ich nicht.

Ein Jamaika-Bündnis wackelt, eine Ampelkoalition wird immer wahrscheinlicher: Könnte das dann so aussehen wie bei der Ampelregierung in Rheinland-Pfalz, wo die Grünen sich primär ums Klima kümmern, die SPD um Arbeitsplätze und die FDP um den Handel?

Nein. Unabhängig davon, ob es am Ende eine Ampel oder Jamaika wird – wir wollen eine gemeinsame Politik mit einem gemeinsamen Ansatz für die Menschen in Deutschland. Es gibt einen klaren Auftrag für eine Fortschrittsregierung.

Und dann verschwimmen die Unterschiede zwischen den Parteien?

Niemand muss seine eigenen Programme aufgeben. Aber gute Politik gelingt im Kompromiss. Das muss nicht der kleinste gemeinsame Nenner sein. Wenn wir es schaffen, aus den unterschiedlichen Programmen von Freien Demokraten und Grünen einen gemeinsamen Ansatz zu entwickeln, wäre viel gewonnen. Beide Parteien sind bei den Erstwählerinnen und Erstwählern vorne. Ein gemeinsamer Ansatz für eine ökologische Marktwirtschaft hätte Zukunft.

Die Grünen sind da weniger friedlich: Die wollen ein Klimaministerium, das andere Ministerien mit einem Veto bei bestimmten Gesetzesvorlagen belegen kann.

Eine Koalition, die sich im Regierungsalltag gegenseitig mit Vetos blockiert, wird keine Zukunft haben. Ich sehe auch nicht, dass das jemand ernsthaft will.

Zu diskutieren gibt es aber genug: Die Grünen wollen ab 2030 nur noch emissionsfreie Autos zulassen und sind für ein Tempolimit — beides lehnt die FDP ab.

Die Politikansätze von FDP und Grünen sind in mehreren Themenfeldern sehr unterschiedlich. Wenn wir gemeinsam regieren wollen, werden alle Kompromisse eingehen müssen. Welche das sind, besprechen wir vertraulich und nicht in den Medien.

Ihr Generalsekretär Herr Wissing warnte schon vor einem "Verhaken" mit den Grünen. Kann das die negative Seite der vertrauensvollen Vorbereitung einer künftigen Koalition sein?

Wir wollen einen großen Wurf bei den Zukunftsthemen. Und ich bin optimistisch, dass wir das hinbekommen.

Die FDP will "bis Mitte Dezember" eine zügige Regierungsbildung, sagt Christian Lindner. Ist davon auszugehen, dass sich diese Zielmarke sowohl auf Jamaika- als auch auf eine Ampelkoalition bezieht?

Das sollte klappen. Aber dennoch gilt: Qualität vor Tempo.

Herr Stamp, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Joachim Stamp
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