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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Völlig falsch" Parteifreund fällt hartes Urteil über Scholz
Peer Steinbrück warnt die SPD vor einem Spiel mit der Angst, wenn es um die Ukraine geht. Ein Top-Manager spricht Rot-Grün jede Wirtschaftskompetenz ab.
Peer Steinbrück blickt kritisch auf die Ukrainepolitik von Bundeskanzler Olaf Scholz (beide SPD) – und warnt vor einer falschen Wahlkampfstrategie. Dass Scholz dem Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) vorgeworfen hat, der Atommacht Russland bei Taurus ein Ultimatum gestellt zu haben, kommentierte Steinbrück am Dienstagabend bei "Markus Lanz" so: "Ich halte das Spielen mit Angst für völlig falsch, weil im Zweifelsfall Angst dazu führt, dass man sich zurückzieht und gar nichts tut."
Die Gäste
- Peer Steinbrück, SPD-Politiker
- Martin Richenhagen, Manager
- Sonja Álvarez, Journalistin
Mit diesem Angstfaktor würden "auch das Bündnis Sahra Wagenknecht" und die AfD spielen, sagte der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat in der ZDF-Talkshow. Ob Scholz ein Gefühl von Unsicherheit verströme, wollte Lanz wissen. "Es ist auf jeden Fall schwammig", erwiderte Steinbrück. Er betonte: "Es wäre nicht meine Haltung." Stattdessen solle den Wählern klargemacht werden, dass in der Ukraine ganz Europa bedroht ist.
Lanz zur Ukraine
Scholz habe sich vom "vermeintlichen Friedenskanzler auf einmal zum Angstmacherkanzler" gewandelt, kritisierte auch Sonja Álvarez von der "WirtschaftsWoche". Die Folge sei, dass dem russischen Machthaber Wladimir Putin keine roten Linien aufgezeigt würden. Anders als Merz wisse der Kreml-Chef genau, womit er bei Scholz rechnen könne – nämlich mit einer "Nation von Weicheiern": "Deutschland ist sehr berechenbar für einen Putin und das ist ein sehr großer Fehler".
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Auch das letzte Mitglied des Gäste-Trios bei Lanz schloss sich an diesem Abend der Kanzlerkritik an. Bei Scholz bleibe alles immer vage und zögerlich, monierte der Manager Martin Richenhagen. "Das ist natürlich nicht gut, wenn man ein Unternehmen oder ein Land managt", meinte Richenhagen, der 16 Jahre lang CEO des US-Landmaschinenherstellers Agco war. Die Zögerlichkeit sei bei Scholz aber weniger Strategie, sondern schlicht Ungeschick, vermutete Richenhagen.
Der Manager zeigte sich bei Lanz angesichts der verheerenden Umfragewerte des Kanzlers aufrichtig verblüfft, dass er erneut antreten möchte. "Fehlt Scholz eigentlich jegliche Selbsterkenntnis und warum klammert er sich so an diesen Job? Er müsste doch gemerkt haben, dass er es nicht kann?", fragte Richenhagen. "Das setzt eine Art von Selbstreflexion voraus, die Sie gar nicht unterstellen können", warf Steinbrück ein, der wie gewohnt nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg hielt.
Steinbrück kritisiert SPD-Führung
Steinbrücks Urteil über den Kanzler: "Er sieht sich als derjenige, der es besser als alle Anderen kann." Die Antwort auf Lanz' Frage, ob das denn stimme, blieb Steinbrück schuldig – schließlich wolle er kein Parteiausschlussverfahren riskieren. Er ließ aber durchblicken: Womöglich lässt Scholz nicht genug kritische Stimmen in seinem Umfeld zu.
Keine Zurückhaltung übte der ehemalige Kanzlerkandidat bei seiner Kritik an der Spitze der SPD. Die hätte Scholz gleich am Abend des Ampel-Aus zum Spitzenkandidaten küren müssen. Denn ein Kanzleranwärter Boris Pistorius neben einem amtierenden Regierungschef wäre laut Steinbrück ohnehin nicht möglich gewesen: "Das hätte diese Partei nicht ausgehalten."
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Die Art und Weise, wie Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) öffentlich miteinander abgerechnet haben, bezeichnete Steinbrück bei Lanz als "Wirtshausschlägerei". "Emotional kann ich das verstehen, politisch geht das nicht", sagte er und stimmte dem "Männer"-Urteil von Altkanzlerin Angela Merkel zu – der er 2013 bei der Bundestagswahl unterlegen war.
"Lanz": Wie raus aus der Krise?
Als Richenhagen und vor allem Álvarez für die aktuelle Wirtschaftskrise Deutschlands vermeintlich faule Beschäftigte verantwortlich machten und auf die Vier-Tage-Woche schimpften, hielt Steinbrück dagegen: "Das ist mir ein bisschen zu hart." Gerade in der Autoindustrie habe das Management versagt, nicht die Beschäftigten, sagte der Ex-Finanzminister mit Blick auf Volkswagen.
Aber auch Steinbrück mahnte die Politik zu raschen Grundsatzentscheidungen. Blieben die aus, sei der Wohlstand in Deutschland in Gefahr. Der Sozialdemokrat monierte: "Was mir fehlt in Deutschland, ist eine Debatte 'Wie soll die Industriestruktur in fünf bis zehn Jahren aussehen?'" Falls nötig, solle sich Deutschland auch mit Zöllen auf chinesischen Stahl gegen unfairen Wettbewerb wehren.
Allerdings warnte Steinbrück selbst bei "Markus Lanz" vor einem "Wettlauf von Zöllen". Der habe nach dem Börsencrash 1929 überhaupt erst zur Weltwirtschaftskrise geführt und habe damit dem Totalitarismus den Weg geebnet.
Richenhagen forderte zum Ärmelhochkrempeln auf: "Unsere Eltern haben uns vorgemacht, wie man aus Nichts ein Land aufbauen kann." Der Manager, der vor einem Monat schon bei "Maischberger" zu Gast gewesen war, hat die aktuelle Bundesregierung aber abgeschrieben. Dort verfüge niemand über Wirtschaftskompetenz, kritisierte er – "am wenigsten der Wirtschaftsminister".
- ZDF: "Markus Lanz" vom 3. Dezember 2024