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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wahltalk bei "Anne Will" Röttgen mag nicht sagen, dass er Laschet noch als Kanzler will
Eine Woche nach der Wahl ging es bei "Anne Will" um die Koalitionsoptionen – und den schwelenden Machtkampf in der CDU. Norbert Röttgen geriet dabei derart ins Lavieren, dass Manuela Schwesig von einem "großen Witz in Tüten" sprach.
- Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern
- Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag
- Otto Fricke (FDP), Beisitzer im Bundesvorstand und Mitglied des Bundestages
- Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des Bundestages
- Christiane Hoffmann, "Spiegel"-Autorin
"Kann man mit der Union überhaupt noch eine stabile Regierung bilden?", wollte Anne Will dann zur Eröffnung von Otto Fricke wissen. Der FDP-Mann gab die klassische Ausweich-Antwort dieser Tage: Es gehe nicht um "wer mit wem", sondern um das "was", also: "Wie kriegen wir die Probleme hin?" Zentrale Punkte seien die "drei D": Demografie, Dekarbonisierung und Digitalisierung. Darüber sei man "bereit zu verhandeln".
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Auch Konstantin von Notz wollte für die Grünen noch keine Tür zuschlagen: Nein, er würde nicht sagen, dass Jamaika keine Chance mehr habe, es komme darauf an, "was man verhandelt bekommt." Allerdings fügte er hinzu: "Die Union ist offenkundig in einem nicht sehr satisfaktionsfähigen Zustand."
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Nur für die frisch im Amt bestätigte SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war die Lage eindeutig: "Wir wollen ganz klar die Ampel unter der Führung von Olaf Scholz." Sie erhoffte sich mit FDP und Grünen "mehr Power" für die Energiewende, als die Groko aufgebracht habe, und mahnte an: "Entscheidend neben den Inhalten ist die Verlässlichkeit." Daran müsse die CDU noch arbeiten.
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Wie komplex die Gemengelage sich bei den Unionsparteien gestaltet, führte im Anschluss Norbert Röttgen vor. Der einstige Bewerber um den Parteivorsitz, den Anne Will unwidersprochen mit den Worten vorstellte, "er will es, glaube ich, immer noch", formulierte Sätze wie: "In dem Bemühen, Volkspartei zu bleiben, haben wir dringenden Handlungsbedarf."
Gleichzeitig sei aber auch eine Jamaika-Koalition noch nicht obsolet. Entlarvend, dass er auf Anne Wills einfache Frage "Wollen Sie, dass Armin Laschet Kanzler wird?" keine klare Antwort geben mochte. Stattdessen sagte er: "Wir wollen diese Gespräche führen." Es gehe zunächst um die Suche nach inhaltlichen Übereinstimmungen, erst am Ende um Personalien.
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Auch auf nochmalige Nachfrage der Moderatorin ("Warum antworten Sie nicht mit Ja oder Nein?") geriet Röttgen ins Lavieren: "Natürlich gab es ein Akzeptanzproblem des Kanzlerkandidaten, das weiß auch der Kanzlerkandidat. (…) Aber die Ursachen dafür, dass wir auch thematisch unzureichend waren, reichen weit über die Amtszeit von Armin Laschet als Parteivorsitzender hinaus." Er wolle die Frage nicht mit Ja beantworten, "weil wir ein Wahlergebnis hatten". Und nach dem Wahlergebnis gebe es ein Prae des Kandidaten der stärksten Partei. Würde die Union also den Anspruch haben, den Kanzler zu stellen, hieße das, das Wahlergebnis nicht zu respektieren.
"Union muss in die Opposition gehen"
Nach seinen Ausführungen platzte Manuela Schwesig der Kragen: "Herr Röttgen, was Sie hier erzählen, ist, ehrlich gesagt, ein ganz großer Witz in Tüten." Konsequenterweise müsste die Union nach dieser Analyse in die Opposition gehen. "Aber Sie wollen einerseits gerne eine Regierung bilden, sagen aber nicht, wer die Regierung anführen soll." Im Übrigen sei es nach 16 Jahren Kanzlerschaft Angela Merkels sehr wohl "vorrangig" um die Frage gegangen, "wer als Kanzler oder Kanzlerin Deutschland führt".
Konstantin Notz pflichtete ihr bei und sagte zu Röttgen: "Wer Ihnen eben aufmerksam zugehört hat, der kriegt keine Klarheit." Das sei auch für die Vertrauensbildung nicht förderlich. "Spiegel"-Journalistin Christiane Hoffmann fand, Röttgens Äußerungen zeigten, "dass die Machtfrage in der Union nicht entschieden ist". Insofern sei die Wahrscheinlichkeit einer Ampel höher.
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Diesen Eindruck versuchte FDP-Mann Fricke mit dem Hinweis zu relativieren, auch bei der SPD wisse er nicht, wie viel Olaf Scholz und wie viel Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans er bekomme. Für Christiane Hoffmann überwogen dennoch die positiven Signale in Richtung Ampel: Olaf Scholz habe die "Aufbruchsbotschaft", die FDP und Grüne mit ihrem Selfie nach dem ersten Gespräch gesendet hätten, sofort aufgegriffen, obwohl er doch eigentlich für Kontinuität und Stabilität gewählt worden sei.
Insofern hätten die kleinen Parteien erfolgreich "ein Thema, einen Ton gesetzt". Zum Ende wagte die "Spiegel"-Autorin angesichts des "Machtvakuums" in der Union sogar noch eine konkrete Prognose: "Ich denke, wir werden noch in dieser Woche wissen, dass Jamaika mit großer Wahrscheinlichkeit eher nicht verhandelt wird."
- "Anne Will" vom 3.10.2021