"Brauchen einen Neustart" Aus eigenen Reihen – Rufe nach Laschet-Rücktritt werden lauter
Die Union hat bei der Bundestagswahl viele Stimmen verloren. Das soll Konsequenzen haben – besonders für Armin Laschet, fordern mehrere Politiker. Auch in den eigenen Reihen verliert der CDU-Chef an Rückhalt.
Nach dem Wahldebakel der Union mehren sich die Stimmen, die einen Rücktritt des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet fordern – sowohl aus den eigenen Reihen als auch von den Bürgern. So schrieb etwa die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsabgeordnete Ellen Demuth auf Twitter: "Ich wünschte, dieser Tweet wäre überflüssig. Ich wünschte, es gäbe eine Selbsterkenntnis. Nach der bedenklichen PK eben bleibt mir leider nur zu sagen: Armin Laschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der CDU ab und treten Sie zurück."
Einen Rücktritt Laschets verlangte auch die Junge Union in Sachsen. "Wir brauchen einen echten Neuanfang. Dieser kann nur erfolgreich sein, wenn unser Bundesvorsitzender und Kanzlerkandidat, Armin Laschet, die Konsequenzen aus diesem Vertrauensverlust zieht und zurücktritt", sagte der Landesvorsitzende Marcus Mündlein.
"Wir brauchen einen Neustart"
Aus Sicht des früheren hessischen Justizministers Christean Wagner sollte Laschet die Verantwortung für das Wahldebakel übernehmen. "Wir brauchen einen Neustart, personell wie inhaltlich", sagte der Mitgründer des konservativen Berliner Kreises in der Union der "Heilbronner Stimme". Das historische Tief von 24,1 Prozent sei selbst verschuldet.
Gefehlt hätten eine klare Strategie, klare inhaltliche Orientierung und ein klares Personalkonzept, sagt Wagner. "Und wir hatten nicht den richtigen Kandidaten an die Spitze gestellt". Für Wagner ist klar: "Mit Söder und Merz hätten wir ein erheblich besseres Ergebnis erzielt." Dass die Union nun Verhandlungen über eine Koalition führen möchte, hält er dennoch für richtig. Der Abstand zwischen SPD und Union sei so gering, dass die CDU durchaus den Anspruch geltend machen könne, den Kanzler zu stellen.
Union sollte Wahlsieg der SPD akzeptieren
Auch Unionspolitiker aus Baden-Württemberg forderten eine Erneuerung: "Mir fehlt jede Fantasie, wie Laschet die für eine neue Regierung notwendige Aufbruchstimmung erzeugen will", sagte etwa der Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich der "Stuttgarter Zeitung". Die Abgeordnete Ronja Kemmer sprach sich demnach für "einen echten Generationenwechsel" aus. Der Abgeordnete Roderich Kiesewetter aus Aalen sagte mit Blick auf die Schwesterpartei CSU: "Die SPD hat gezeigt, wie viel man durch Geschlossenheit erreichen kann. Das hat der Union leider auf weiten Strecken gefehlt."
Sie sprachen sich allerdings dagegen aus, auf eine Regierung unter Unionsführung zu drängen. Das werde der dramatischen Lage nicht gerecht. Stattdessen müsse man anerkennen, dass die SPD die Wahl gewonnen habe und den ersten Versuch einer Regierungsbildung starten dürfe. "Parallelverhandlungen über Jamaika sollte es nicht geben, sondern erst dann, wenn eine Ampel nicht zustande kommt", sagte etwa der Abgeordnete Marc Biadacz.
Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann sprach sich ebenfalls gegen die Strategie von Laschet aus, trotz der Niederlage auf Sondierungen mit Grünen und FDP zu setzen. Er verlangte: "Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt." Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier unterstrich: "Wir haben keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung." Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: "Wir haben die Wahl verloren. Punkt." Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.
Günther verteidigt Entscheidung, Laschet aufzustellen
Auch Wahlforscher schreiben die Verantwortung für die Verluste der Union zu einem großen Teil Laschet zu. In der Bevölkerung habe ihm zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit das Kanzleramt zugetraut, sagte Nico Siegel vom Umfrageinstitut Infratest dimap. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz habe stärker überzeugen können; dies sei bis "weit ins bürgerliche Lager hinein, bis in die FDP-Wählerschaft" der Fall gewesen. Siegel sprach von "erheblichen Kompetenzproblemen bei der Union verbunden mit einem Kandidaten, der einen Wahlerfolg letztendlich nicht ermöglicht hat". Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen geht davon aus, dass die Union mit CSU-Chef Markus Söder "ein deutlich besseres Ergebnis erzielt" hätte.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther verteidigte hingegen die Entscheidung, Laschet als Kanzlerkandidaten aufzustellen. "Niemand kann wirklich ernsthaft vertreten, dass Armin Laschet für uns ein Zugpferd gewesen ist", sagte Günther am Montag in Kiel. Dies hätten auch alle Wahlkämpfer im Norden gespürt. "Aber nichtsdestotrotz halte ich die Entscheidung, dass wir ihn aufgestellt haben, für richtig." Zu den Beratungen von CDU-Präsidium und Bundesvorstand am Montag sagte Günther: "Die Stimmung war denkbar schlecht."
Laschet hatte nach der Sitzung auf einer Pressekonferenz betont, nicht von seinem Amt zurücktreten zu wollen. Auch seine Position als NRW-Ministerpräsident wolle er behalten. Lesen Sie hier die wichtigsten Aussagen des Statements.
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters, AFP