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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wie eine Doktorarbeit Diese Partei hat das unverständlichste Wahlprogramm
Kurz vor der Wahl noch mal schnell in die Parteiprogramme schauen, um sich zu informieren und eine Wahlentscheidung zu treffen. Das klingt logisch, gestaltet sich in der Praxis aber schwierig, wie eine Studie zeigt.
Die Wahlprogramme der diesjährigen Bundestagwahl sind laut einer Studie der Universität Hohenheim nicht nur besonders lang, sondern auch besonders unverständlich geschrieben. Dem Programm der Grünen attestieren die Forscher dabei die geringste Verständlichkeit, die Linken schneiden in dieser Hinsicht am besten ab.
Analyse der Wahlprogramme
Endlos lange Sätze und Wortneuschöpfungen finden sich laut der Studie des Kommunikationswissenschaftlers Frank Brettschneider jedoch quer durch Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP, Die Linke und AfD. Die Unterschiede sind gering.
In der Studie wurde zum Vergleich die Länge von Wahlprogrammen seit 1949 herangezogen. Das Ergebnis: Nur die Wahlprogramme des Jahres 1994 waren noch unverständlicher als dieses Jahr.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:
► Die Wahlprogramme werden immer länger:
Die Wahlprogramme 2021 sind die umfangreichsten, die es je gab. Allerdings gibt es in diesem Punkt große Unterschiede zwischen den einzelnen Parteien. Waren es bisher die Grünen, die das längste Wahlprogramm vorlegten, werden sie dieses Jahr von den Linken abgelöst.
Die Länge eines Programms schränkt allerdings nicht zwingend die Verständlichkeit ein. So ist das Programm der Linken 2021 zwar mit Abstand das längste (68.331 Wörter), jedoch auch das verständlichste (8,4 Punkte auf der Verständlichkeitsskala der Universität Hohenheim). Die kürzesten Wahlprogramme kommen von der AfD und der SPD (knapp 23.500 Wörter).
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► Die Verständlichkeit nimmt immer mehr ab:
Der Hauptgrund für die abnehmende Verständlichkeit ist laut der Studie die häufige Nutzung von Fremd- und Fachwörtern, langen Wortzusammensetzungen, Substantivierungen, Anglizismen oder "Denglisch" und langen "Monster- und Bandwurmsätzen".
Wortschöpfungen wie zum Beispiel "Quellentelekommunikationsüberwachung" (FDP, Linke) oder "Cybergrooming" (Grüne) sind in allen Parteiprogrammen zu finden.
► Wählerinnen und Wähler werden ausgeschlossen:
Laut der Studie stellt die komplizierte Sprache in den Wahlprogrammen ein erhebliches Hindernis für die Wähler dar. Eine Vermittlung von Inhalten, für die die Parteiprogramme ursprünglich vorgesehen sind, findet nur noch eingeschränkt statt.
Allerdings wird in der Studie auch betont, dass es darüber hinaus niedrigschwelligere Angebote für Wählerinnen und Wähler gibt. Einleitungen, Schlussteile, Wahlaussagen und Kritik an anderen Parteien seien meist deutlich verständlicher formuliert als der Hauptteil der Programme. Zudem bieten alle Parteien eine Kurzfassung sowie teilweise Fassungen in leichter Sprache und Gebärdensprache an.
- Universität Hohenheim: Bundestagswahlen 2021: Wahlprogramme im Vergleich
- SWR: Studie der Uni Hohenheim: Wahlprogramme immer unverständlicher