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TV-Triell in der Analyse: "Da täuschen Sie die Bürgerinnen und Bürger"


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So lief das TV-Triell
"Da täuschen Sie die Bürgerinnen und Bürger"

  • Johannes Bebermeier
Eine Analyse von J. Bebermeier, T. Kummert

Aktualisiert am 30.08.2021Lesedauer: 5 Min.
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"Sie legen der Industrie Fesseln an": Die drei Kanzlerkandidaten haben sich in einem ersten Triell kontroverse Debatten um die Klimapolitik, Afghanistan und das Verhältnis zur Linkspartei geliefert. (Quelle: reuters)
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Das war's: Das erste TV-Triell vor der Bundestagswahl ist Geschichte. Was waren die denkwürdigen Momente? Und vor allem: Wer hat überzeugt – und wer nicht? Die Analyse.

Für jeden Kanzlerkandidaten gab es vor diesem Abend eine Aufgabe: CDU-Chef Armin Laschet muss das Duell gewinnen, um die Wende zu schaffen. Annalena Baerbock von den Grünen darf sich keinen weiteren Patzer leisten. Und der Sozialdemokrat Olaf Scholz muss beweisen, dass er nicht nur stark ist, weil seine Konkurrenten schwach sind.

Wie haben die drei Kandidaten ihre bisher wichtigste Aufgabe im Wahlkampf gemeistert? Eine Blitzumfrage des Instituts Forsa für RTL/n-tv kommt zu dem Ergebnis, dass Scholz mit 36 Prozent der Sieger des Triells ist, vor Baerbock mit 30 und Laschet mit 25.

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Hier die Analyse im Detail:

Olaf Scholz gibt sich nüchtern – oder desinteressiert?

Olaf Scholz hat sich offensichtlich vorgenommen, im Triell den staatstragenden Kanzler im Wartestand darzustellen. Eine Rolle, die ihm sowieso liegt. Er bleibt ruhig, selbst wenn er von Laschet oder Baerbock hart angegangen wird. Er spricht als Vizekanzler, manchmal wortwörtlich, etwa wenn er erklärt, was er schon alles für die Bundespolizei mit dem Innenminister "Herrn Seehofer" gemacht habe, statt zu sagen, was er noch machen will.

Das ist für ihn vermutlich die beste Strategie – theoretisch. Es führt aber in der Triell-Situation praktisch dazu, dass es so wirkt, als wenn Zwei sich streiten und der Dritte nur zuschaut. Manchmal gerät er so in etwas komische Situationen, etwa wenn er zu den Moderatoren sagt: "Vielleicht interessieren Sie sich ja für mein Argument!" – und die sich so gar nicht dafür interessieren und einfach weitermachen.

Einmal werden sogar Erinnerungen an Angela Merkels berühmten Duell-Satz "Sie kennen mich" wach. Als Scholz nämlich – in fragwürdigem Deutsch – sagt: "Die Vorschläge, die ich zu machen habe, sind alle bekannt." So richtig viel bleibt von Scholz' Auftritt jedenfalls nicht hängen, im Positiven wie im Negativen. Anhänger werden ihm das als staatstragende Nüchternheit auslegen, Gegner als desinteressierte Passivität. Im Moment hat Scholz jedoch genug Anhänger. Was die Forsa-Umfrage bestätigt.

Armin Laschet wandelt sich, zumindest ein wenig

Laschet steht unter Druck, in den Umfragen ist die Union massiv eingebrochen. Um aus der Defensive zu kommen, gibt er sich gleich zu Beginn angriffslustig. Er verspricht eine bessere Ausrüstung für die Bundeswehr, verteidigt seinen Corona-Kurs und attackiert seine Konkurrenten: "Da täuschen Sie die Bürgerinnen und Bürger", sagt er mehrfach. Ob das immer so stimmt, und was er damit genau meint? Dafür bleibt in der Sendung selten Zeit, um es auszudiskutieren. Doch Laschet stellt sich dar als den Mann, der die Wahrheit ausspricht. Das wirkt bisweilen etwas eingeübt – und dürfte dennoch zumindest bei den eigenen Leuten gut ankommen.

Im zweiten Teil des Triells ist Laschet dann weniger trittfest. Als Baerbock ausführlich ihre Strategien in der Umweltpolitik darlegt, sagt er danach nur: "Ich weiß nicht, ob die Bürger das alles verstanden haben, was Frau Baerbock da gerade geschildert hat." Das wirkt abgehoben, als traute er den Zuschauern nicht zu, intellektuell folgen zu können. Es sind diese kleinen Momente, in denen er ins Schlingern gerät – und der unsichere Laschet wieder hervortritt.

Trotzdem präsentiert er Ansätze, die viele Wähler bislang eher nicht mit der Union in Verbindung bringen. Auf den Vorwurf von Baerbock, die Union wolle vor allem Steuererleichterungen für Vielverdiener, antwortet Laschet, auch alleinerziehende Mütter sollten mit ihm als Kanzler entlastet werden. Ein Statement, mit dem er neue Wählergruppen zu erschließen versucht, die sich sonst womöglich den Grünen zuwenden könnten.

Annalena Baerbock kämpft sich in den Wahlkampf zurück

Auch für Baerbock steht viel auf dem Spiel, das merkt man ihr zu Beginn bei einigen Unsicherheiten und fragwürdigen Satzkonstruktionen an. Doch sie kämpft sich rein ins Triell – wortwörtlich. Sie greift sowohl Scholz als auch Laschet mehrfach an und verteidigt sich außerdem oft erfolgreich gegen Angriffe, die vor allem vom CDU-Chef kommen.

Baerbock hat die Herausforderung, die komplizierteste und ausgefeilteste Programmatik erklären zu müssen. "Das klingt jetzt technisch", sagt sie einmal. Und das tut es für Zuschauer, die sich nicht dauernd mit den Details von Politik beschäftigen, wohl vermutlich auch. Aber sie verheddert sich immerhin nicht in ihren Erklärungen.

Die stärksten Momente hat Baerbock immer dann, wenn sie über Kinder und Schulen redet. "Das zeigt, dass Kinder bei ihnen keine Priorität hatten", sagt sie als Corona-Bilanz an die Adresse ihrer Konkurrenten. Und auch beim Klimaschutz kann sie Unterschiede herausarbeiten. An einer Stelle macht sie Laschet sogar "einen konkreten Vorschlag", welche Klimaschutzmaßnahme er denn sinnvollerweise einführen könnte, weil der sich etwas windet. Das ist durchaus gewitzt – so wie ihr ganzer Auftritt.

Wer hat überrascht?

Die Antwort ist eindeutig: Laschet. Denn seit seinem Lacher im Flutgebiet gilt der CDU-Chef vielen eher als Mann der unglücklichen Bilder. In dem Triell jedoch agiert Laschet auf Augenhöhe mit den beiden anderen Kandidaten. Deshalb kann er es wahrscheinlich für eine Imagekorrektur nutzen, selbst wenn er das Ruder nicht mit einem Mal rumreißen kann, wie die Forsa-Umfrage nahelegt. Jedenfalls leistet sich Laschet in den mehr als anderthalb Stunden zumindest keine größeren Patzer. Er attackiert immer mal wieder die Konkurrenz und setzt inhaltliche Punkte. Allerdings dürften die Ansprüche der Zuschauer an ihn beim nächsten Triell nun höher sein als am Sonntagabend.

Der lustigste Moment

Als es darum geht, ob Scholz auch mit der Linken koalieren würde, gibt es viel Hin und Her. Der SPD-Kanzlerkandidat erteilt einer Koalition inhaltlich de facto eine Absage, sagt es aber nicht. Laschet erwidert, er könne ein solches Bündnis doch einfach ausschließen: "Ich mach es nicht. Drei Worte." Dann fängt er mit den Fingern an zu zählen: "Ich. Mach. Es. Nicht." Und korrigiert sich: "Vier Worte."

Der kurioseste Satz

Baerbock lässt die Zuschauer schon ganz zu Beginn rätseln: "Wir müssen unser Land wirklich erneuern, wirklich Veränderung schaffen, mit einem klaren Ziel." Nämlich: "Deutschland klimaneutral machen, und zwar aus der Mitte des Lebens heraus." Klimaneutral aus der Mitte des Lebens? Was sie damit meint? Schwer zu sagen. Aber "Mitte des Lebens" klingt natürlich erstmal gut.

Die denkwürdigste Aussage

Von Laschet gibt es eine Attacke der besonderen Art: Es sei "ein Desaster der Bundesregierung", wie der chaotische Abzug der Truppen aus Afghanistan gelaufen sei. So scharf hat bislang kein Unionspolitiker die eigene Bundesregierung und Kanzlerin angegriffen. In diesem Moment wirkt Laschet, als sei er der größte Oppositionelle in der eigenen Partei.

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Der beste Spruch

Baerbock muss richtig lachen, als Laschet ihr zum wiederholten Male eine Frage stellt. Wie sie ihr Energiegeld denn technisch auszahlen wolle an die Bürger, fragt er. Das versprechen die Grünen nämlich, um die Erhöhung des CO2-Preises sozial auszugleichen. "Es ist so lustig", sagt Baerbock, da regiere Laschet schon so lange und habe offensichtlich keinen Plan. "Es wäre schön, wenn Sie auch mal Vorschläge und nicht immer nur Fragen hätten." Paff. Die Grünen wollen es übrigens mithilfe der Steueridentifikationsnummer auszahlen. Laschet bezweifelt, dass das funktioniert. Aber Baerbocks Spruch sitzt.

Die seltsamste Erklärung

An einer Stelle geht es um den Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland und wie er sich womöglich verringern lässt. Laschet, der in Aachen lebt, antwortet, er komme ja besonders weit aus dem Westen. Dann sagt er: "Ich glaube, wenn man gerade aus dem Westen kommt, wird man noch mehr auf den Osten schauen." Er begründet das nicht näher, liefert auch kein Argument zu dieser These. So bleibt ein seltsamer Satz hängen, der wohl vor allem verhindern soll, dass ihm ein "Oberwessi"-Schild umgehängt wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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