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Zum journalistischen Leitbild von t-online.SPD-Generalsekretär bei "Markus Lanz" Klingbeil: "Söder ist sogar an Armin Laschet gescheitert"
Markus Lanz zoffte sich heftig mit SPD-Generalsekretär Klingbeil und der Linken-Spitzenkandidatin. Nicht nur bei der Frage, ob eine Bundesregierung mit Linken-Beteiligung Inlandsflüge verbieten würde, ging es hoch her.
Spitzenkandidatinnen und -kandidaten aller Parteien mit Aussichten, in den nächsten Bundestag zu kommen, müssen sich bei Markus Lanz in der Sendung befragen lassen. Das scheint eine Art ungeschriebenes Gesetz im anlaufenden Bundestagswahlkampf zu sein. Kein Wunder, dass Lanz am Dienstag die frischgekürte Spitzenkandidaten der Linkspartei (gemeinsam mit Dietmar Bartsch) zu Gast hatte.
Das sei ja ein "echtes Himmelfahrtskommando", für die Linke gehe es ums "nackte Überleben", schürte Lanz in seinem langen Eröffnungsmonolog Spannung. Dann allerdings nahm er zunächst die SPD aufs Korn.
Die Gäste:
- Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär
- Janine Wissler, Co-Spitzenkandidatin der Linkspartei
- Ulrike Herrmann, "taz"-Journalistin
- Rainer Hank, "FAZ"-Journalist
Kampfeslustig bis sichtlich angespannt, verrannte der Moderator sich erst mal in einzelnen Sätzen. Ist das "Ich kann das", das Olaf Scholz Satz in seiner Parteitagsrede am Sonntag sagte, der neue SPD-Slogan und wenn ja, wäre es ein Plagiat von Barack Obamas "Yes we can"?
Weder noch, entgegnete Klingbeil trocken. Auch dass Scholz' Satz "Auf den Kanzler kommt es an" tief im 20. Jahrhundert schon einmal verwendet worden war – anno 1969 vom CDU-Kanzler Kiesinger, bevor er seinen Wahlkampf gegen Willy Brandt verlor – hielt der der SPD-Generalsekretär für kein großes Problem.
Scholz sei einer, "der die Vernünftigen im Land einsammelt". Noch habe der Wahlkampf gar nicht richtig begonnen, weil die Menschen derzeit noch andere Dinge im Kopf hätten, nämlich die Pandemie, doch "Schlusspurt kann die SPD", blieb Klingbeil bei seiner Argumentation.
Wer zu spät mit dem Wahlkampf beginnt, laufe Gefahr, "direkt in die Briefwahl reinzulaufen", die Corona-halber wahrscheinlich noch mehr als üblich genutzt werden wird, erwiderte Ulrike Herrmann. Die auch aus "Anne Will"-Talkshows bekannte "taz"-Journalistin gastierte zum ersten Mal bei Lanz und nannte das SPD-Programm "total inhaltsleer". Das ärgerte Klingbeil.
Wirklich überzeugende Belege führte Herrmann nicht an. Hat die SPD das Tempolimit bei 130 km den Grünen nachgemacht? Nein, das seien jahrealte eigene Parteitagsbeschlüsse. Das war eine zähe, fürs Publikum kaum relevante Diskussion, und die nächste folgte sogleich.
Klingbeil sagte zur Teambildung des Unions-Kanzlerkandidaten: "Laschet hat Merz und Maaßen geholt". "Das ist nicht wahr!", konterte Lanz (wohl unter dem Eindruck der jüngsten Will-Talkshow). Die semantische Frage, ob der umstrittene Ex-Verfassungsschutz-Präsident, den die Südthüringer CDU als Direktkandidat für den Bundestag nominiert hat, deswegen schon "Teil des Teams" des Kanzlerkandidaten ist, blieb ungeklärt.
Klingbeil: Söder ist sogar an Laschet gescheitert
Hat Lanz damit Sympathien für die CDU gezeigt? Auch nicht unbedingt. Einmal sagte er gar "Ich glaube, Olaf Scholz wäre ein exzellenter Kanzler". Allerdings war das eine der rhetorischen Fallen, die der Moderator Klingbeil zu stellen versuchte. Warum konzentriere die SPD ihren Wahlkampf derart auf Scholz, obwohl sie doch gute Innenpolitiker wie Boris Pistorius und einen "sensationellen Gesundheitspolitiker wie Karl Lauterbach" hat, fragte Lanz. Und hat Klingbeil keine Angst, dass sein Wahlkampfkonzept scheitert?
Er habe seinen politischen Stil, den er nicht verändern wolle, antwortete der Generalsekretär. Er wolle nicht als "breitbeiniger Macho" durch Berlin laufen: "Der letzte, der das so gemacht hat, ist Markus Söder, und der ist sogar an Armin Laschet gescheitert." Das führte zu einem der Lacher, die es trotz zähen Streits auch mehrmals gab.
Drei konkretere Themenblöcke arbeitete Lanz dann noch ab. Erst ging es um Rezepte gegen den Klimawandel. "FAZ"-Journalist Hank empfahl marktwirtschaftliche Instrumente wie die CO2-Steuer. "Der Markt wird auch dieses Problem nicht lösen", entgegnete Wissler. Die Diskussion zur CO2-Steuer litt darunter, dass niemand im Studio den aktuellen Stand dieser bereits 2019 von der aktuellen Bundesregierung beschlossenen Maßnahme zusammenfasste.
Nicht nur einmal fragte Lanz dann Wissler, ob eine Bundesregierung mit Linken-Beteiligung Inlandsflüge verbieten würde. Wissler wich leidlich erfolgreich aus: "Auch nach Corona sollte niemand von Frankfurt nach Stuttgart fliegen". Für Flüge auf der längeren Strecke von München nach Hamburg würde das wohl nicht gelten. Und auf der Strecke von München nach Berlin, auf der seit einigen Jahren schnelle ICEs verkehren, benutzen jetzt ja viel mehr Reisende die Bahn, warf Klingbeil ein.
Hier zeigte "taz"-Journalistin Herrmann ihre Expertise: Sogar die Lufthansa wolle keine Kurzstreckenflüge mehr, da der Luftraum überfüllt ist. Daher drohe aber die Zahl der noch schädlicheren Langstreckenflüge zu steigen. "Man muss Energie teurer machen", sagte sie. Ökostrom werde knapp sein, und "es wird nicht so sein, dass jeder E-Autos fährt und dadurch das Klima gerettet wird".
Sollte Deutschland Impfstoff nach Indien liefern?
Atomkraft und Impfstoff-Patente waren die weiteren Themen. Die Fronten verliefen erwartungsgemäß. Klingbeil argumentierte, die Amerikaner (deren Präsident Joe Biden die Idee, Patente freizugeben, auf die Tagesordnung setzte) seien "keine Hilfe dabei, den Impfstoff global zu verteilen". Die EU dagegen handele richtig, indem sie die Aufbau von Produktionsstätten und den Wissenstransfer unterstütze.
Schließlich formulierte Hank eine knifflige moralische Frage, die Lanz beiden Politikern im Studio stellte: Sollte Impfstoff, der jetzt in Deutschland vorhanden ist, aus Solidarität nach Indien geliefert werden, was zur Folge hätte, dass die Impfungen hierzulande sich weiter verzögern? Klingbeil verneinte, Wissler bejahte es. Und Lanz freute sich fast, dass er der Linken-Kandidatin (die er nicht so ins Schwimmen bringen konnte wie im März die Co-Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow) doch noch eine Äußerung entlockt hatte, die ihr bei Wählern schaden könnte.
Fazit: viele Nein-doch-nein-Diskussionen mit begrenztem Unterhaltungswert und Erkenntnisgewinn. Die Erkenntnis, dass der Wahlkampf begonnen hat und darin noch viel und scharf diskutiert werden wird, ließ sich freilich gewinnen.
- "Markus Lanz" vom 11. Mai 2021