Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Tierschutzpartei will in Bundestag "Die Partei hat schwierige Zeiten durchlaufen"

Mit Verboten in die Utopie. Das ist das Programm der Tierschutzpartei. Viele Menschen wählen sie aber wohl eher aus einem anderen Grund, räumt ihr Bundessprecher ein.
Die Tierschutzpartei trägt ihren Markenkern im Namen. Das funktioniert immer wieder erstaunlich gut: Die Partei hat bei Wahlen zuletzt Achtungserfolge erzielt. So wurde die Tierschutzpartei bei der letzten Bundestagswahl zur stärksten außerparlamentarischen Kraft in der deutschen Parteienlandschaft.
In ihrem Grundsatzprogramm entwirft die Partei Mensch Umwelt Tierschutz, wie sie vollständig heißt, die Utopie eines Deutschlands, in dem alle Lebewesen gleichberechtigt zusammenleben. Doch wie kann das Realität werden und welche Chancen hat die Partei auf einen Einzug ins Parlament? Das erklärt der Bundessprecher Dennis Landgraf im Interview mit t-online.
t-online: Herr Landgraf, die Tierschutzpartei wird wohl nicht in den Bundestag einziehen. Warum sollten Wählerinnen und Wähler Ihnen trotzdem ihre Stimme geben?
Dennis Landgraf: Weil so Demokratie funktioniert. Ich spreche mich dagegen aus, taktisch zu wählen und nur nach dem geringsten Übel zu entscheiden. Viele Leute fühlen sich von den Parteien im Bundestag nicht gehört. Gerade deswegen finde ich, dass man die Partei wählen sollte, die einen am besten vertritt. Und wenn wir das sind, freuen wir uns darüber. Auch wenn wir dann am Ende nicht im Bundestag landen, bleibt die Stimme nicht ungehört.
Das ist dann keine weggeworfene Stimme?
Nein. Es ist doch so, dass viele Millionen Menschen gar nicht wählen oder ihre Stimme einer der sogenannten sonstigen Parteien geben, die nicht im Bundestag landen. Besonders wegen der Nichtwähler sprechen manche von einer Politikverdrossenheit im Land. Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall: Es gibt eine Menschenverdrossenheit innerhalb der Politik. Die Politik interessiert sich nicht genug für die Menschen im Land. Die großen Parteien ignorieren, dass sich viele bei ihnen nicht mehr wiedergefunden fühlen. Deshalb sollte man die Partei wählen, die am besten zu einem passt.

Zur Person
Dennis Landgraf, 24, ist Sprecher sowie einer von drei Bundesvorsitzenden der Tierschutzpartei. Zuvor hat er sich bei Peta, Fridays for Future und der "Letzten Generation" eingebracht und war Mitglied bei den Grünen. Im Januar 2024 trat er der Tierschutzpartei bei, im Juni zog er für die Partei bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg in den Stuttgarter Gemeinderat ein. Im Oktober wurde er an die Spitze der Partei gewählt.
Wer sind denn Ihre Wähler?
Wir haben eine Stammwählerschaft, die etwa im Tierschutz aktiv ist oder adoptierte Haustiere zu Hause hat. Die sind vielleicht gar nicht so politisch, wollen aber auch ihr Kreuz irgendwo machen. Die denken sich dann womöglich: "Tierschutz? Wird schon passen." Das führt dazu, dass ein Teil unserer Wählerschaft mit unserem Programm gar nicht übereinstimmt. Wer uns wählt und gleichzeitig rechts oder sehr reich ist, trifft vielleicht nicht die beste Wahl für sich selbst – dafür aber für seine Tiere.
Welche Altersgruppe sprechen Sie an?
Wir können besonders bei jungen Menschen punkten. In manchen Umfragen schaffen wir bei den unter 25-Jährigen mehr als zehn Prozent. Wir haben aber auch eine ältere Wählerschaft und deutlich mehr alte als junge Parteimitglieder.
Glauben Sie daran, jemals in einen Landtag oder den Bundestag einzuziehen?
Da bin ich sehr zuversichtlich. Bei der letzten Landtagswahl in Brandenburg haben wir mit 2 Prozent ein super Ergebnis erzielt und mehr als doppelt so viele Stimmen wie die FDP geholt. Auch bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2026 haben wir gute Chancen. Wir haben zwar nur ungefähr 2.500 Mitglieder und bekommen wenige Spenden, aber holen trotzdem immer gute Ergebnisse. Die Partei hat in der Vergangenheit schwierige Zeiten durchlaufen, aber aktuell sind wir auf einem guten Weg, denke ich.
Was meinen Sie?
Die Tierschutzpartei hatte mit Unterwanderung von rechts und daraus folgenden Abspaltungen zu kämpfen. Die Partei war zur Gründung im Jahr 1993 nicht klar progressiv, sondern bestand aus verschiedenen Akteuren der Aktivismus-Szene. Einige Mitglieder haben sich dann ganz anders entwickelt. Wir mussten feststellen, wie schwer es ist, jemanden aus einer politischen Partei zu werfen.
Sind die Leute noch da?
Auf jeden Fall nicht mehr in relevanten Positionen. Einige sind auch ausgetreten. Wenn du eine rechte Gesinnung hast, aber deine Partei mehrheitlich Dinge beschließt, die dir nicht passen, etwa die Aufnahme von Geflüchteten, dann bleibt dir vielleicht auch irgendwann nichts mehr übrig, als zu gehen, weil die Partei einfach nicht mehr zu dir passt.
Wir fordern eine Transformation hin zu einer bio-veganen Landwirtschaft
Dennis Landgraf
Wie differenzieren Sie sich von anderen kleinen Parteien wie der ÖDP oder der V3-Partei, die Ihnen sehr ähnlich sind?
Wir waren weltweit die erste Tierschutzpartei und sind bei diesem Thema auch weiterhin führend. Wir sind aber auch offen für Zusammenarbeit. So tritt die V3-Partei, die ja wirklich große Ähnlichkeit mit uns hat, bei dieser Bundestagswahl nicht an. Deshalb ist es logisch, sie um Unterstützung zu bitten. Wenn wir selbst in einem Bundesland nicht antreten, würden wir auch Werbung für die ÖDP machen. Wir haben ja nicht den Druck, wiedergewählt zu werden, und sind deshalb sehr kompromissbereit.
Warum sollte jemand, dem Umwelt und Naturschutz wichtig ist, nicht einfach die Grünen wählen?
Die Grünen haben durch ihre Arbeit in Regierungen und Parlamenten gezeigt, dass sie nicht für echten Umwelt- und Klimaschutz stehen. Ich war selbst Parteimitglied, aber die Grünen haben mich enttäuscht. Wir nehmen den Klimaschutz ernst. Dabei sind uns nicht nur die Themen Energie und Verkehr, sondern auch Landwirtschaft und Massentierhaltung wichtig. Andere Parteien übergehen diese Themen oft, weil Einschränkungen den Leuten noch mehr wehtun würden.
Wie ist Tierschutz überhaupt möglich, wenn Deutschland ein riesiges Schlachthaus ist, in dem jährlich rund 750 Millionen Tiere getötet werden?
Wir müssen das Schlachten beenden und aus der Massentierhaltung und auch aus Tierversuchen raus. Zudem fordern wir eine Transformation hin zu einer bio-veganen Landwirtschaft. Wie lange dieser Prozess dauern soll, ist aber umstritten. Natürlich würde ich gerne sagen: Das muss jetzt sofort alles weg. Aber da hängen ja ganz viele gewerbliche und wirtschaftliche Aspekte dran, deshalb geht das nicht so schnell.
Wollen Sie Markus Söder die Wurst verbieten?
Nein, nicht verbieten. Aber wenn wir diese Umstellung der Landwirtschaft durchführen würden, dann wird die Bratwurst von Markus Söder eben auch deutlich teuer werden. Wenn er dann statt zwei Euro für eine Wurst zwanzig Euro ausgeben möchte, ist das sein gutes Recht. Wir versuchen den Leuten aber näherzubringen, dass eine pflanzliche Ernährung etwas sehr Positives für das eigene Leben ist.
Wir haben aber keine Staatswirtschaft, wo man auf einen Knopf drücken kann und dann kostet die Wurst 20 Euro.
Der Staat subventioniert die Tierwirtschaft aber derzeit mit etwa 15 Milliarden Euro im Jahr. Wenn wir das streichen, dann müsste der Preis für Fleisch steigen.
Das Geschäft wäre dann aber wohl trotzdem noch profitabel, denn viele Menschen wollen weiter tierische Produkte konsumieren. Haben Sie Verständnis dafür?
Ja klar, die freie Wahl werden wir auch niemandem nehmen. Es geht eher darum, dass Produkte einen realen Preis haben. Wir halten es etwa für falsch, dass Kuhmilch niedriger besteuert wird als pflanzliche Milch. Es kann doch nicht sein, dass Hafermilch teurer ist, obwohl sie nur aus Wasser und ein bisschen Haferflocken besteht, während für Kuhmilch ein Tier über Jahre aufgezogen, geschwängert und dann gemolken werden muss. Gerecht wäre, wenn die Produkte mindestens gleich besteuert werden.
Aber Ihre Partei setzt stark auf Verbote, auch die Jagd möchten sie abschaffen.
Das stimmt. Gerade sind relativ viele Sachen erlaubt, die wir als nicht sinnvoll erachten und verbieten wollen. Es sollte nicht erlaubt sein, zu töten, die Natur zu zerstören oder unglaublich viel mehr Wohlstand zu haben als andere Menschen.
Denken Sie, dass in Ihrer Lebenszeit Tiere in unserer Gesellschaft nicht mehr ausgebeutet werden?
Ich glaube nicht, dass das realistisch ist. Aber viele Dinge, die in der Zukunft passieren, galten davor als unwahrscheinlich. Massentierhaltung und Schlachten am Fließband gibt es erst seit dem Beginn der Industrialisierung, also vor etwa 160 Jahren. Das kann sich also auch wieder ändern.
Warum hat die Tierschutzpartei eigentlich keinen Spitzenkandidaten?
Einen Kanzlerkandidaten der Tierschutzpartei hätten wir als ein bisschen lächerlich empfunden. Wir haben bei uns niemanden, der das Vollzeit macht und das Gesicht der Partei ist – auch ich bin das nicht. Wir setzen nicht auf einen Personenkult wie die größeren Parteien, sondern versuchen eine Partei von Inhalten zu sein.
Auf was für ein Ergebnis hoffen Sie?
Leider haben in einigen Bundesländern Unterschriften gefehlt, sodass wir es nicht überall auf den Stimmzettel geschafft haben. In Brandenburg, Bremen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen sind wir nicht wählbar. Unser Ziel ist es, mindestens über die 1-Prozent-Marke zu kommen. Das wäre wichtig, um zu zeigen, dass wir noch relevant sind und auch für weitere Mittel aus der Parteienfinanzierung.
Herr Landgraf, vielen Dank für das Gespräch.
- Gespräch mit Dennis Landgraf