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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Asylwende mithilfe der AfD Die Schleusen sind offen
Die Union hat es geschafft, sich im Bundestag als Vertreterin einer harten Asylpolitik zu präsentieren – allerdings für einen hohen Preis. Wer für ihn zahlt, ist noch nicht ausgemacht.
Eines muss man Friedrich Merz lassen: Er hat es durchgezogen. Sein riskantes Manöver, Asylrechtsverschärfungen im Bundestag zur Not auch mit den Stimmen der AfD durchzusetzen, ist aufgegangen. Am Mittwoch hat der Deutsche Bundestag Merz' "Fünf-Punkte-Plan" (dauerhafte Grenzkontrollen, Stopp illegaler Einreisen, Abschiebehaft für Ausreisepflichtige) mit einer knappen Mehrheit von 348 zu 345 Stimmen beschlossen.
Es ist ein historischer Bruch, in gleich mehrfacher Hinsicht: Erstmals in der Geschichte des Hauses hat ein Antrag nur mithilfe der AfD eine Mehrheit gefunden. Zugleich markiert der Antrag – auch wenn er nur eine Aufforderung an die Bundesregierung ist – eine Zeitenwende in der deutschen Migrationspolitik: eine Abkehr von der Merkel-Ära, von ihrer Willkommenskultur und einer Politik, die vor allem das europäische Recht als Ausgangspunkt für die Frage nimmt, wer nach Deutschland darf und wer nicht.
"Germany First"
Merz bricht mit dieser Politik nun vollständig und kategorisch. "Germany First" ist der unausgesprochene Leitgedanke: Deutschland muss souverän darüber entscheiden dürfen, wer seine Grenzen überschreitet, zur Not auch unter Verletzung von EU-Regeln oder der Genfer Flüchtlingskonvention.
Damit bildet Merz, das gehört ebenfalls zur Wahrheit, die aktuelle Mehrheitsmeinung der Deutschen in der Migrationsdebatte ab: Zwei Drittel der Deutschen befürworten laut Umfragen das Vorhaben, ein faktisches Einreiseverbot für Menschen ohne Einreiseerlaubnis zu verhängen. Selbst die Mehrheit der befragten SPD-Wähler (56 Prozent) unterstützt den Asyl-Stopp.
Merz, das zeigten seine Auftritte der vergangenen Tage, spürte diesen Rückhalt in der Bevölkerung. Die scharfen Angriffe der politischen Gegner, die Vorwürfe eines "Dammbruchs" und "Wortbruchs", ließen ihn erkennbar kalt. Merz, so schien es, wähnte sich auf einer Mission, den in seinen Augen falschen Pfad umzukehren, den Deutschland unter Angela Merkel eingeschlagen hatte. Dies ist ihm nun gelungen.
Aber zu welchem Preis?
Ein klarer, gut dokumentierter Wortbruch
Das lässt sich am heutigen Tag noch nicht abschätzen. Klar ist: Die Schleuse für künftige Mehrheiten mit der AfD – ob mit voriger Absprache oder, wie hier angeblich, ohne – ist offen. Der Kanzlerkandidat der Union hat einen Präzedenzfall geschaffen, der einen ganz neuen Pfad für politische Mehrheiten in Deutschland eröffnet.
Das heißt natürlich nicht, dass die Union nach dem 23. Februar eine Koalition mit der AfD eingeht. Das würde nicht nur die Union spalten und ist auch Merz nicht zuzutrauen – obwohl er mit seinen Anträgen in dieser Woche einen klaren, gut dokumentierten Wortbruch begangen hat.
Und doch: Dass die AfD nach der Abstimmung triumphiert, ist bezeichnend. Ihr Plan, Löcher in die Brandmauer der Union zu schießen, ist aufgegangen. Der AfD-Politiker Bernd Baumann nutzte die Gelegenheit am Podium, in einem kaum verhohlenen autoritären Zungenschlag von einem Ende linker Mehrheiten "für immer" zu schwadronieren.
Auch wenn man der AfD in ihrer Siegtrunkenheit nicht auf den Leim gehen sollte: Recht hat Baumann, wenn er von einer "neuen Epoche" spricht, die nun angebrochen ist.
Werden Mehrheiten mit AfD-Stimmen jetzt die neue Normalität im Bundestag? Wird Merz, der vorher ein solches Vorgehen dezidiert ausgeschlossen hatte, auch den nächsten Schritt einer Kooperation mit den Rechten gehen? Und warum eigentlich nicht, wenn es die Mehrheit im Land will? Noch ist all das nicht ausgemacht.
Ein Risiko bleibt aber für Merz: Die Deutschen mögen sich mehrheitlich eine Asylwende erhoffen, aber ob sie auch bereit sind, dafür fahrlässig einen Pakt mit den Rechten in Kauf zu nehmen, ist unklar. Das wird sich spätestens am 23. Februar zeigen.
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