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US-Wahl: Folgen für Ukraine? Donald Trumps Ego kollidiert mit dem Krieg


Folgen der US-Wahl für die Ukraine
Putin tappt in die Trump-Falle


05.11.2024 - 16:26 UhrLesedauer: 7 Min.
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Donald Trump: Der Ex-Präsident muss sich für seine Fitness rechtfertigen.Vergrößern des Bildes
Donald Trump: Der Ex-Präsident stellt die US-Hilfe für die Ukraine infrage. (Quelle: Brian Snyder/reuters)

Die Ukraine steht militärisch unter Druck und fürchtet, die Unterstützung der Amerikaner nach der US-Wahl zu verlieren. Wladimir Putin hofft wohl auf einen Wahlsieg von Donald Trump – aber der Kreml bleibt nicht ohne Grund vorsichtig.

Für die ukrainische Armee ist es eine sehr heikle Phase in diesem Krieg. Den russischen Angreifern gelingt es unter schweren Verlusten im Osten der Ukraine, immer wieder kleinere Durchbrüche und Geländegewinne zu erzielen. Russland rückt auf die strategisch wichtige Stadt Pokrowsk vor, und Kremlchef Wladimir Putin soll für diese Offensive laut Nato-Schätzungen etwa 1.000 russische Soldaten täglich in den Tod schicken. Ohne Rücksicht auf Verluste. Denn besonders diese brutale Taktik der "Fleischangriffe" begünstigt die langsamen, aber stetigen russischen Vorstöße.

Die ukrainischen Verteidiger haben in diesem Herbst von vielem zu wenig. Zu wenig ausgebildete und ausgerüstete Soldaten, um die gesamte Front verteidigen zu können. Zu wenig Munition und zu wenig Kriegsgerät, weil die Unterstützung aus dem Westen weiterhin sehr schleppend verläuft. Das zerrt an der Moral und dem Durchhaltewillen. Und nun könnten die US-Präsidentschaftswahlen am Dienstag auch noch dazu führen, dass die Hilfe der Amerikaner wegbricht – das zumindest befürchten Teile der ukrainischen Armee.

Der 47-jährige Soldat Witalia sagte vergangene Woche der "Neuen Zürcher Zeitung": "Der Westen hat uns aufgegeben. Es wird sich nicht viel ändern mit Harris, verglichen mit Biden. Und wenn es Trump ist, wird es noch schlimmer. Er ist ein Kumpel von Putin."

Der Frust in der Ukraine über die nicht ausreichende Unterstützung aus dem Westen ist derzeit vielerorts spürbar. Bei einem Wahlsieg von Vizepräsidentin Kamala Harris erwarten viele die Fortführung der Politik von US-Präsident Joe Biden, ein "Weiter so" in einer Kriegsphase, in der die ukrainische Armee eigentlich dringend eine Wende braucht. Bei einem Wahlsieg von Donald Trump dagegen fürchten die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer, dass der Republikaner Kiew zu einem Frieden zwingen könnte, von dem vor allem Putin profitieren würde.

Es herrscht also große Angst, dass Trump das Schicksal der Ukraine besiegeln könnte. Dabei ist der ehemalige Präsident unberechenbar und hat vor allem den Profit der USA im Blick. Putin wittert eine Chance, aber er droht mittelfristig in eine Falle zu tappen, sollte er auf Trump setzen.

Biden und Harris weichen wichtigen Fragen aus

Harris und Trump haben in jedem Fall unterschiedliche Vorstellungen über die Rolle der Amerikaner in diesem Krieg. Die Demokratin hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereits ihre Unterstützung zugesagt und sie steht zur US-Führungsrolle in der Nato – der westlichen Militärallianz, die lange Zeit als Schutzschild Europas gegenüber der russischen Aggression diente. Von der Vizepräsidentin wird erwartet, dass sie den Kurs von Biden weitestgehend fortsetzt, wenngleich Experten auch davor warnen, dass die USA ihre Ausgaben weiter begrenzen werden.

Ein Wahlsieg der Demokraten wäre für Kiew zwar das sicherere Szenario, aber selbst unter Biden läuft die Unterstützung der Ukraine nicht ohne Probleme. Selenskyj sagte diese Woche vor Journalisten, dass die USA nur zehn Prozent der militärischen Unterstützung geleistet hätten, die sie in einem im April verabschiedeten Hilfspaket im Wert von 61 Milliarden Dollar zugesagt hatten. Dadurch könne die Ukraine aktuell nur schwer planen.

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Der ukrainische Präsident ergänzte: "Man muss sich auf ganz konkrete Dinge in ganz konkreten Zeiten verlassen können, sonst kann man die Situation nicht in den Griff bekommen. Man kann die Verteidigungslinien nicht schaffen, man kann die Leute nicht in Sicherheit bringen, man kann sich nicht auf den Winter vorbereiten." Der Vorwurf der Unzuverlässigkeit war schon eine relativ eindeutige Kritik der ukrainischen Führung an der Biden-Administration.

Aber Selenskyjs Unmut ist allgemein in den vergangenen Monaten gewachsen. Biden hat nur sehr zurückhaltend auf den "Siegesplan" des ukrainischen Präsidenten reagiert, den dieser im September persönlich im Weißen Haus vorstellte. Biden wird in Kiew allgemein als zu ängstlich wahrgenommen, vor allem auch, weil er es der ukrainischen Armee weiterhin nicht erlaubt, weiterreichende Waffen gegen Ziele einzusetzen, die weiter in Russland liegen.

Somit stände Kamala Harris bei einem möglichen Wahlsieg zunächst einmal unter Druck, sich mit einer Frage auseinanderzusetzen, die Biden und sie bisher nicht beantworten konnten: Möchten die USA, dass die Ukraine Russland besiegt, und sind sie bereit, die militärischen, diplomatischen und finanziellen Mittel dafür bereitzustellen? Darüber hinaus müsste erst einmal definiert werden, was "Sieg" überhaupt bedeutet. Momentan scheint lediglich klar zu sein, dass das jetzige westliche Engagement nicht ausreichen wird, um Putin kurzfristig an den Verhandlungstisch zu zwingen.

Und selbst, wenn Putin irgendwann in Verhandlungen würde gehen wollen – sind die USA bereit, Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu übernehmen? Auch diese Frage ist ungeklärt. Biden würde dementsprechend in dringenden Fragen einen vollen Schreibtisch hinterlassen.

Sorgen in der Ukraine

Unter Trump dagegen wird es wahrscheinlich zu einem grundlegenden Politikwechsel kommen, denn der Republikaner hat den Mund relativ voll genommen. Immerhin erklärte er, dass er gute Beziehungen zu Putin und Selenskyj habe und dass er den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden würde. Einen konkreten Plan äußerte er im Wahlkampf dagegen nicht, sondern er wiederholte lediglich immer wieder, dass die Ukraine Frieden brauche.

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Darin sind sich er, Biden, Harris und das restliche westliche Bündnis wahrscheinlich einig. Doch es wächst die Sorge, dass Trump die Ukraine zu einem für sie nachteiligen Frieden zwingen könnte. Schließlich hat er alle Hebel in der Hand: Ohne die USA wäre die Existenz der Ukraine bedroht, Putin hätte freie Bahn. Denn der Westen könnte die militärische Unterstützung der Amerikaner nicht kompensieren.

Trump sieht sich vor allem als Geschäftsmann auf der Suche nach dem besten Deal für die USA. Die Ukraine sieht er als europäisches Problem und einen Krieg allgemein als teuer und schlecht für die Wirtschaft. Und er brüstet sich gern damit, die europäischen Nato-Länder mit Blick auf ihre Verteidigungsausgaben zur Kasse zu bitten.

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Deshalb gibt es die Befürchtung im Westen: Trump könnte bei einem Einzug ins Weiße Haus wieder mehr Geld von europäischen Ländern wie Deutschland verlangen. Er könnte der Westanbindung der Ukraine und einem möglichen Nato-Beitritt des Landes einen Riegel vorschieben, um den Krieg irgendwie einzufrieren. Putin könnte daraufhin wieder aufrüsten und irgendwann erneut angreifen.

Selenskyj versuchte im Gespräch mit dem südkoreanischen Sender KBS im Vorfeld der US-Wahl zunächst einmal, die Gemüter mit Blick auf diese Szenarien zu beruhigen: "Trump redet viel, aber ich habe ihn nicht sagen hören, dass er seine Unterstützung für die Ukraine reduzieren würde." Doch der ukrainische Präsident sieht durchaus die Gefahr: "Wenn diese Unterstützung nachlässt, wird Russland mehr Territorium erobern, das würde uns daran hindern, diesen Krieg zu gewinnen. Das ist die Realität."

Trotzdem gibt es in Kiew natürlich größere Kopfschmerzen, als man öffentlich zugeben möchte. Im Gespräch mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte Oleksandr Kraiev von der außenpolitischen Denkfabrik Ukrainian Prism: "Harris ist die Konstante, Trump hingegen das große Glücksspiel: Entweder wir verlieren alles, oder wir gewinnen."

Der ukrainische Militäranalyst Oleksandr Kovalenko führte im Gespräch mit der "New York Times" am Sonntag diesen Gedanken noch etwas weiter aus: "Donald Trump ist völlig unberechenbar – sowohl im negativen als auch im positiven Sinne." Der Republikaner könne unvorhersehbar die Hilfe für die Ukraine vollständig blockieren. "Oder er könnte ebenso unvorhersehbar beschließen, der Ukraine Unterstützung zu gewähren, die weder Biden noch Harris jemals in Betracht ziehen würden."

Selenskyj appelliert an Trumps Eitelkeit

Trump bringt also schon vor einem möglichen Wahlsieg große Unruhe in die Debatte. Die ukrainische Führung versucht, strategisch vor allem zwei Eigenschaften Trumps für sich zu nutzen: Der Republikaner ist stets auf der Sache nach wirtschaftlichem Profit und er hat ein riesiges Ego.

Es ist kein Zufall, dass Selenskyj dem Westen kürzlich die gemeinsame Nutzung von ukrainischen Rohstoffen versprach. Im Jahr 2022 schätzte das kanadische Beratungsunternehmen SecDev den Gesamtwert aller Bodenschätze der Ukraine, darunter Kohle, Gas und Öl, auf 26 Billionen US-Dollar. Außerdem finden sich in der Ukraine strategische Ressourcen – darunter etwa sieben Prozent der weltweiten Titanreserven und 500.000 Tonnen Lithium, das für Batterien für Elektroautos unverzichtbar ist.

Wenn die USA und der Westen nichts dagegen unternehmen, bekommt Putin diese Ressourcen, und Russland soll in den besetzten ukrainischen Gebiete bereits begonnen haben, ebendiese zu fördern.

Daneben appellierte der ukrainische Präsident an Trumps Eitelkeit. Er warnte ihn, dass er riskiere, als "Verliererpräsident" abgestempelt zu werden, wenn er zulasse, dass Russland den Krieg gewinne. Trump könne vielleicht einen Waffenstillstand vermitteln, sagte Selenskyj, aber Putins bisherige Bilanz lasse darauf schließen, dass Moskau diesen letztlich brechen und weiter in die Ukraine vordringen werde, was den US-Präsidenten "sehr schwach" erscheinen ließe.

Putin kann abwarten

Ob Selenskyjs Vorstöße Trump tatsächlich beeinflussen können, ist unklar. Während die ukrainische Strategie mit Blick auf einen möglichen Machtwechsel im Weißen Haus zumindest immer sichtbarer wird, hält sich der Kreml bislang mit öffentlichen Aussagen zurück. Zwar äußerte Moskau seine Skepsis, dass der Krieg in 24 Stunden beendet werden könnte, aber man sehe Trumps Anstrengungen durchaus positiv.

Putins Zurückhaltung ist kein Zufall. Auch für ihn ist Trump Gefahr und Chance zugleich. Denn der russische Präsident würde in eine Falle laufen, wenn er sich nun öffentlich hinter den Republikaner stellte, und Trump dann nach einem Wahlsieg die Ukraine noch mehr unterstützen würde, als Biden es getan hat. Donald Trump ist ein Risiko, auch für Putin. US-Präsident Biden sah man in Russland als Gegner, der aber auf russische Drohungen mit Vorsicht reagierte. Trump dagegen hat sich in seiner ersten Amtszeit als impulsiver und eben nicht vorsichtiger Präsident präsentiert. Das hat natürlich auch Moskau registriert.

Der Kremlchef wartet ab, aber mehr muss er eigentlich für den Moment auch nicht tun.

Für Russland läuft es in der Ukraine aktuell nicht schlecht, es braucht gerade keine großen Kurskorrekturen. Putin hofft natürlich auf innenpolitisches Chaos in den USA, weil das die Unterstützung der Ukraine weiter schwächen könnte und weil sich die Sicherheitsinteressen der Amerikaner dann weiter von Europa entfernen könnten. Bruchstellen im westlichen Bündnis sieht man in Moskau gerne – und die sind mit Trump wahrscheinlicher als mit Harris.

Doch weder die Demokratin noch der Republikaner sprechen sich für eine große Unterstützungsoffensive für die Ukraine aus, und deshalb kann Russland eigentlich relativ ruhig auf den US-Wahlabend schauen. Putin kann etwas gewinnen, aber wenig verlieren.

Entscheidend für Russland ist dagegen die Zeit bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin. Denn nun hat Putin noch eine Chance, in der Ukraine Gelände zu gewinnen, solange die USA noch mit sich selbst beschäftigt sind.

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