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Michelle Obama unterstützt Kamala Harris: "Wir sind keine Gebärmaschinen"


Michelle Obama wirft sich in den US-Wahlkampf
Die Wutrede der früheren First Lady


Aktualisiert am 27.10.2024 - 09:51 UhrLesedauer: 7 Min.
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Unterstützung von der heimlichen Favoritin: Kamala Harris mit Michelle Obama in Kalamazoo, Michigan. (Quelle: t-online)

Im Schlussspurt setzt Kamala Harris mit Michelle Obama und der Sängerin Beyoncé voll auf das Thema Frauenrechte. Aber ausgerechnet bei den Demokraten wollen Männer niemals eine Frau im Weißen Haus sehen und wenden sich Trump zu. Ist Amerika wieder nicht bereit für eine Präsidentin?

Bastian Brauns berichtet aus Kalamazoo

Walter würde nie eine Frau zur Präsidentin wählen. "Ich will ehrlich sein", sagt der Mann aus Macomb County, nördlich von Michigans größter Stadt Detroit gelegen. Der Afroamerikaner ist verheiratet und hat sein Leben in der US-Army, unter anderem auch in Deutschland, verbracht. Jetzt ist er pensioniert, muss sich mit zwei Nebenjobs über Wasser halten und sich um seine Enkelkinder kümmern. So wie er würde die große Mehrheit seiner männlichen Freunde denken.

"Frauen sind emotional. Männer sind logisch", sagt er. Im Weißen Haus dürfe niemand sitzen, der in entscheidenden Situationen nicht handeln könne. Walter ist davon überzeugt: "Frauen sind unentschieden." Zum ersten Mal werde er deshalb Donald Trump wählen. Und auch, weil er glaubt, dass er dann keine Steuern mehr auf seine Rente zahlen müsste. "Ich war immer Demokrat, jetzt aber bin ich Republikaner", sagt er.

Männer wie Walter und seine Freunde lassen bei den Demokraten seit Wochen die Alarmglocken schrillen. Der frühere US-Präsident Barack Obama hat sich deswegen bereits eingeschaltet und diese Wählergruppe eindringlich davor gewarnt, diese Wahl einfach "auszusitzen" oder sogar wie Walter aus dem wackeligen Swing State Michigan für Trump zu stimmen. "Ich denke, Ihr haltet in Wahrheit nichts davon, eine Frau als Präsidentin zu haben, und dafür schiebt ihr dann andere Gründe vor", sagte Obama vor einigen Tagen zu jungen Männern in einem Wahlkampfbüro in Pittsburgh im Nachbarstaat Pennsylvania – ebenfalls ein wichtiger Swing State.

Frauenfeinde in der eigenen Wählerschaft

Für das Wahlkampfteam von Kamala Harris sind diese frauenfeindlichen Entwicklungen im eigenen Lager besorgniserregend. Zumal die letzten zwei Wochen des Wahlkampfs ausgerechnet auf Frauenrechte und Abtreibung gelenkt werden sollten. Es sind die Themen, bei denen die Demokraten eine übergroße Mehrheit der Amerikaner, auch bei den Republikanern, hinter sich wissen können.

Aber reichen jene Wählerinnen und Wähler aus, die aus diesem Grund wirklich für eine Demokratin stimmen würden, um zu kompensieren, was bei den eigenen männlichen Wählern wegzubrechen droht? Ist Amerika bereits zum zweiten Mal offenbar nicht bereit, eine Frau ins höchste Amt zu wählen?

Wenige Tage vor dem Wahltag setzt Amerikas erste Vize-Präsidentin Kamala Harris darum offenbar erst recht auf die volle Kraft der Frauen. An diesem Freitag trat sie zuerst gemeinsam mit Weltstar Beyoncé vor 30.000 Anhängern im texanischen Houston auf. Diese bislang größte Rallye von Harris stand unter dem klaren Motto "Freiheit". "Ich bin nicht hier als Promi. Ich bin nicht hier als Politikerin. Ich bin hier als Mutter", sagte die Sängerin und gebürtige Texanerin Beyoncé.

Die Wutrede der früheren First Lady

Am Samstag dann schaltet sich erstmals seit dem Nominierungsparteitag für Kamala Harris auch die frühere First Lady Michelle Obama in den laufenden Wahlkampf ein. Bis heute gilt sie als die eigentliche Lieblingskandidatin der Demokraten. Ziel von Michelle Obama soll es nun sein, nicht nur schwarze Amerikanerinnen und Amerikaner, sondern insbesondere unabhängige und republikanische Wählerinnen anzusprechen.

Es ist kurz vor 17 Uhr im Ort Kalamazoo, zwei Stunden entfernt von Michigans größter Stadt Detroit. Draußen vor der Eventhalle hat der späte Indian Summer die Blätter fast aller Bäume in Gelb und Rot getaucht. In der Halle selbst dominieren die Farben Weiß, Rot und Blau. Tausende Menschen kreischen, als die ehemalige First Lady endlich die Bühne betritt.

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"Ihr wisst, dass ich Politik eigentlich hasse", sagt Michelle Obama. Aber es gebe gute Gründe, warum sie jetzt trotzdem im Wahlkampf für Kamala Harris mitmischt. "Ich hoffe, ihr verzeiht mir, dass ich ein wenig frustriert bin", setzt sie an. Denn einige Menschen aus dem eigenen Lager würden Donald Trumps eklatante Inkompetenz einfach ignorieren, so Michelle Obama.

Von Kamala allerdings würde man erwarten, "dass sie intelligent und wortgewandt ist, dass sie klare politische Ziele verfolgt, dass sie nie zu viel Wut zeigt und immer wieder beweist, dass sie dazugehört", sagt sie. Von Trump hingegen würde man überhaupt nichts erwarten, so Obama. "Weder ein Verständnis für Politik, noch die Fähigkeit, ein schlüssiges Argument zu formulieren, noch Ehrlichkeit, noch Anstand, noch Moral."

"Wir sind keine Gebärmaschinen"

Und dann verwendet Michelle Obama mehr als eine Viertelstunde ihrer Rede darauf, was es in Wahrheit nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer bedeuten würde, wenn Donald Trump wieder an die Macht kommen würde. "Eine Stimme für Donald Trump ist eine Stimme gegen uns (Frauen)", ruft sie und erntet dafür Jubelstürme. Denn die Folgen der weitreichenden Einschränkungen republikanischer Abtreibungsrechte würden am Ende alle Familienmitglieder betreffen.

Darum richtet sich Michelle Obama mit drastischen Worten "an die Männer" im Saal und im ganzen Land. "Wenn eure Frau während einer missglückten Geburt auf dem Operationstisch zittert und blutet, wenn ihr Blutdruck sinkt, während sie immer mehr Blut verliert, dann werdet ihr diejenigen sein, die beten, dass es nicht zu spät ist", sagt sie. Im Saal wird es still. Einzelne Personen schreien: "Trump ist ein Terrorist!" Michelle Obama spricht weiter und appelliert an die Männer: "Ihr werden diejenigen sein, die darum flehen werden, dass jemand doch nur bitte etwas unternimmt." Und dann sagt sie: "Wir sind keine Gebärmaschinen!"

Sie verstehe die Wut vieler Menschen im Land, weil viele Probleme nicht schnell genug gelöst werden, so Obama. Es sei richtig, dass noch sehr viel Arbeit erledigt werden müsse. "Aber wenn wir diese Wahl nicht richtig treffen, dann wird eure Frau, eure Tochter, eure Mutter, dann werden wir Frauen zum Kollateralschaden eurer Wut." Immer wieder gehen ihre Worte im lauten Jubel der Tausenden Fans in der Arena unter. Michelle Obama hat die Halle im Griff und aus den begeisterten Gesichtern der Anwesenden spricht eine tiefe Sehnsucht: Warum nur ist sie nicht angetreten?

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Kamala Harris gibt ihr Bestes

Doch alle hier wissen zugleich, dass diese Angelegenheit längst entschieden ist. Kamala Harris ist ihre Spitzenkandidatin und ihr bleiben nur noch zehn Tage, um aus dem laut allen Umfragen extrem engen Rennen gegen Donald Trump am Ende als Siegerin hervorzugehen. Als Michelle Obama schließlich Kamala Harris als die "nächste Präsidentin" ankündigt, muss der Jubel darum zwingend ebenso grenzenlos erscheinen. Die ganz großen Ausschläge wie bei der früheren First Lady aber fehlen trotzdem.

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Es scheint unübersehbar, wie Michelle Obama die eigentliche Kandidatin überstrahlt. Aber das Wahlkampfteam von Kamala Harris hofft auf diesen letzten Metern auf jeden noch möglichen Mobilisierungsschub.

Auf der Bühne in Kalamazoo spielt die Vize-Präsidentin dann ihre eigenen Stärken aus. Charmant greift sie etwa einen Zwischenruf auf und lacht. "Ich habe genau gehört, dass du 'Kamalazoo' gesagt hast." Auch mit einem lokalpatriotisch gefärbten Namenswitz kann man das Event Center an diesem Samstagabend zum Jubeln bringen.

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Kamala Harris reaktiviert an diesem Abend auch wieder eine Standard-Attacke gegen Trump, die sie in letzter Zeit oft ausgelassen hatte. Schon als Staatsanwältin in Kalifornien habe sie Betrüger und Wiederholungstäter strafrechtlich verfolgt. "Ich habe es mit allen aufgenommen und gewonnen", sagt Harris und ruft: "Und in 10 Tagen ist Donald Trump an der Reihe!" Es sind Angriffe, die bei ihren treuen Anhängern in Kalamazoo gut ankommen.

Für Walter, den Rentner mit den zwei Nebenjobs aus Macomb County, ist es ausgerechnet Kamala Harris' Karriere als Staatsanwältin, die sie unwählbar für viele schwarze Männer machen würde. "Sie hat diese Jungs in den Knast gebracht. Niemals wählen die eine Frau, die auch noch Staatsanwältin war." Er lacht und schüttelt den Kopf. "Warum hatten wir keine ordentlichen Vorwahlen?" In Wahrheit sei Joe Biden von George Clooney aus dem Rennen geworfen worden, so Walter. "Es ist doch nicht zu fassen, dass Hollywood jetzt bestimmt, wer Präsident werden soll." Der Schauspieler war im Sommer eine derjenigen einflussreichen Stimmen, die den Rücktritt von Joe Biden nach dessen verpatztem TV-Duell öffentlich eingefordert hatten.

"Dann rebellieren die Menschen"

In der Halle von Kalamazoo sagt Matt Jansen: "Wer so denkt, und Kamala Harris nicht wählen will, weil sie eine Frau ist, der ist kein richtiger Mann." Der junge Demokrat im Publikum bangt trotzdem um den Sieg von Kamala Harris. "Wir haben Angst", sagt er und glaubt, dass die Medien die guten Umfragen bewusst aufblasen, weil sie die Vorhersagefehler von der Wahl im Jahr 2016 mit Hillary Clinton nicht wiederholen wollen würden. Deshalb, so hofft er, werde der Vorsprung am Ende für Kamala Harris doch größer sein.

"Sie muss gewinnen", sagt Matt und gibt sich überzeugt: "Wenn Trump an die Macht kommt, bricht eine dunkle Zeit der Angst an." Er erwarte dann, dass es zu Aufständen im ganzen Land kommen würde. "Dann rebellieren die Menschen von beiden Seiten der Küsten, im Osten und im Westen." Matts Eltern sind eingefleischte Republikaner und wählen Trump. Seine Mutter könne er nicht mehr überzeugen, sagt er. "Keine Chance. Das ist für sie eine seltsame Frage von Patriotismus."

Auf der Bühne von Kalamazoo beschwört Kamala Harris die Gefahren, die durch Donald Trump drohen würden – längst nicht nur für Frauen. Selbst die Verfassung der Vereinigten Staaten würde durch ihn in Gefahr geraten. Ihr letzter Appell, dass Trump drum keinen Fuß jemals mehr in das Oval Office im Weißen Haus setzen dürfe, geht im Jubel der Menge fast unter. "Nie wieder!", "Nie wieder", "Nie wieder!", ruft Harris ins Mikrofon. Dann fliegt sie schnell nach Philadelphia, wo ihr Konkurrent im Swing State Pennsylvania um seine Wähler gekämpft hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen, Gespräche und Beobachtungen vor Ort
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