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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Donald Trump Amerikas Spalter und Superstar
Wohl kein Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten spaltet das amerikanische Volk so sehr wie Donald Trump. Das Porträt eines Mannes, der schon immer extrem war.
"So eine Energie habe ich noch nie erlebt." Es sind Sätze wie dieser, den Menschen sagen, wenn sie ihm zum ersten Mal begegnet sind. Betritt Donald Trump einen Raum, egal ob eine große Halle oder einen kleinen Saal, dann scheint es wirklich so, als komme mit ihm mehr als nur eine Person herein.
Mit Donald Trump (77) werden längst vergessen geglaubte Erinnerungen wach. Es ist kein Zufall, dass bei jedem seiner Auftritte seit Jahren die gleiche Playlist aus den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren abgespielt wird. Sobald etwa der Song "Y.M.C.A" der Village People von 1978 ertönt, ist das für seine Anhänger ein Signal: "Jetzt gleich spricht der Großmeister zu euch und verspricht, Amerika wieder so großartig zu machen, wie ihr es aus der späten Ära des ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan noch zu kennen glaubt." Die USA sahen damals, nach zwei gewonnenen Weltkriegen und dem Ende des Kalten Krieges, wie die endgültigen Sieger an einem vermeintlichen Ende der Geschichte aus.
Schon lange bevor Donald Trump der Anführer des politischen "Make America Great Again"-Kultes wurde, hatte er in der amerikanischen Geschichte einen bedeutenden Platz eingenommen. Geboren am 14. Juni 1946 in Queens, New York, startete Trump schon früh als Geschäftsmann, navigierte sich findig und rücksichtslos durch die Immobilienwelt und feierte dort legendäre Erfolge. Das Unternehmen seines Vaters hatte dabei die Grundlage für sein zukünftiges Imperium gelegt.
Trump wurde zu einer Marke, die für Opulenz, Reichtum und den amerikanischen Traum stand. Sein Name prangt seit jeher in goldenen Buchstaben an seinen Wolkenkratzern und über seinen Golfresorts. Selbst amerikanische Rapper huldigen Donald Trump und seinem verschwenderischen Lebensstil in ihren Songs.
Seine größte Bekanntheit erlangte er mit einer eigenen TV-Show "The Apprentice". In dieser Sendung traten insgesamt 16 Kandidaten gegeneinander an, um Donald Trump und die anderen Juroren davon zu überzeugen, dass sie am talentiertesten sind. Der Gewinner erhielt 250.000 Dollar und einen Job im Trump-Firmenimperium. Der Multimilliardär neigte schon früh dazu, vor allem sich selbst zu vermarkten. Und dieser Drang führte ihn letzten Endes bis ins Weiße Haus.
Im Jahr 2016 trotzte Trump allen politischen Konventionen und sicherte sich die republikanische Nominierung für die Präsidentschaftswahl. Er startete eine Kampagne, die bei einem offenkundig großen, unzufriedenen Teil der amerikanischen Bevölkerung Anklang fand. Seine ungefilterte Rhetorik, mit der er oft über Twitter kommunizierte, traf einen Nerv bei denen, die sich ungehört fühlten.
Ein Schlachtruf für Veränderung
Sein Versprechen, "Amerika wieder großartig zu machen", wurde zum Schlachtruf für seine Wähler, die auf Veränderung hofften. Seine politischen Gegner warfen ihm Rassismus, Nationalismus und Sexismus vor.
Mit seinem Sieg gegen Hillary Clinton erreichte Donald Trump dann schließlich das, was man sich auch in den USA nicht einfach so mit Geld kaufen kann: Als amerikanischer Präsident war er politisch betrachtet von 2017 bis 2021 der mächtigste Mann der Welt.
Einmal im Oval Office angekommen, war Trumps Präsidentschaft dann vor allem von Unberechenbarkeit geprägt. Innenpolitisch reichten seine Entscheidungen von Steuerkürzungen für Reiche, die das Wirtschaftswachstum anregen sollten, bis zu einer umstrittenen und scharfen Einwanderungspolitik, die heftige Proteste auslöste.
"Muslim Ban", Handelskrieg, Nato-Streit
Ein Beispiel: Nach einem Anschlag in San Bernardino, bei dem ein muslimisches Ehepaar 14 Menschen ermordete und 21 weitere verletzte, veröffentlichte Trump eine Erklärung, die als "Muslim Ban" in die Geschichte einging. Er verhängte ein "vollständiges Verbot der Einreise von Muslimen in die Vereinigten Staaten".
Trumps America-First-Ideologie führte zu großen internationalen Verwerfungen. Er verhängte Zölle und entfachte Handelskriege mit China und der Europäischen Union. Er drohte mit dem Austritt aus dem Nato-Verteidigungsbündnis, ignorierte Beschlüsse der G7-Staaten und erklärte schließlich den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und den Rückzug der USA aus der UN-Weltgesundheitsorganisation WHO. Ironischerweise wurde seine Präsidentschaft am Ende maßgeblich durch den Einfluss der Covid-19-Pandemie beendet. Trump bekämpfte die tödliche Seuche äußerst chaotisch, was ihm viele Wählerinnen und Wähler übel nahmen.
Seine Amtszeit war von Beginn an von Kontroversen überschattet. Bei der sogenannten Mueller-Untersuchung musste er sich mit Vorwürfen auseinandersetzen, wonach er während der Wahl 2016 mit Russland konspiriert haben soll. Belegt wurde bei diesem ersten Amtsenthebungsverfahren allerdings lediglich eine Einflussnahme vonseiten Russlands, indem Desinformationen im großen Stil, vor allem online in sozialen Netzwerken, verbreitet worden waren. Dieses Impeachment, das mit einem Freispruch endete, vertiefte die parteipolitischen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern noch weiter.
Twitter als Sprachrohr
Als Kommunikator nutzte Trump vor allem den Nachrichtendienst Twitter (heute X). Für die Welt war das Segen und Fluch zugleich. Seine Tweets waren einerseits direkt und ungefiltert und ermöglichten, in Echtzeit an Entscheidungen und Gefühlsregungen des US-Präsidenten teilzunehmen. Dieses Verhalten führte jedoch auch zu heftigen Kontroversen, diplomatischen Spannungen und gesellschaftlichen Konflikten. Bei dem rechtsterroristischen und tödlichen Anschlag von Charlottesville etwa regierte Trump mit den Worten, es habe bei der Demonstration gute Menschen auf beiden Seiten gegeben.
Der Höhepunkt an Krisen während seiner Präsidentschaft war erreicht, als Donald Trump nach seiner Niederlage gegen Joe Biden seine demokratische Abwahl nicht anerkannte. Zusammen mit seinen vielen politischen Mitstreitern verbreitete er die Lüge vom Wahlbetrug. Die demokratiefeindliche Strategie geht zurück bis in den Wahlkampf gegen Hillary Clinton. Auch damals hatte Trump behauptet, er könne nur verlieren, wenn seine Gegner betrügen würden.
Am 6. Januar 2021 stürmten schließlich Tausende seiner auf diese Weise indoktrinierten Anhänger gewaltsam das Kapitol in Washington. Die Sitzung des Electoral College, das die Wahl Joe Bidens abhalten sollte, wurde gestört und musste unterbrochen werden. Die Parlamentarier brachten sich zu Hunderten in Sicherheit. Fünf Menschen kamen bei dieser Revolte ums Leben. Hunderte wurden teils schwer verletzt.
Rückkehr ins Weiße Haus möglich
Donald Trump, so belegen es inzwischen zahlreiche Zeugenaussagen aus dem zweiten Amtsenthebungsverfahren und aus den aktuellen Ermittlungen gegen ihn, wollte damals nicht einschreiten. Erst nach vielen Stunden wandte er sich an seine Anhänger, wonach diese bitte friedlich heimgehen sollten. Trumps Worte an die Randalierer lauteten nach Stunden der Verwüstung: "Wir lieben euch."
In diesem Jahr strebt Trump zum dritten Mal danach, ins Weiße Haus einzuziehen. Und seine Chancen stehen trotz aller Vorkommnisse nicht einmal schlecht. Trump muss sich im Wahljahr vielfach vor Gericht verantworten, unter anderem wegen mutmaßlicher Einflussnahme auf den Ausgang der vergangenen Präsidentschaftswahlen, wegen mutmaßlichen Betrugs und wegen Vergewaltigungsvorwürfen aus den Neunzigerjahren.
- Trump
- Haley
Obwohl er mit insgesamt 91 Anklagepunkten in vier Strafverfahren in Washington, New York, Florida und Georgia konfrontiert ist, bei denen ihm eine Gefängnisstrafe von mehreren Jahren drohen kann, liegt in landesweiten, repräsentativen Umfragen derzeit sogar deutlich vor Joe Biden. Fast alles am Phänomen Trump ist historisch betrachtet einmalig und erstmalig. Während seine schärfsten Kritiker vor einer möglichen Diktatur warnen, sehen Millionen von Amerikanern in ihm einen Retter.
Einen ersten Erfolg vor Gericht erzielten Trump und sein Team Anfang März. Der Bundesstaat Colorado wollte Trump wegen seiner Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol von den Vorwahlen ausschließen. Der Supreme Court wies das zurück und urteilte einstimmig zu Trumps Gunsten. Experten bezeichneten das Urteil als historisch. Warum, lesen Sie hier.
Eines ist schon jetzt klar: So einen Wahlkampf, wie er bei dieser Schicksalswahl 2024 bevorsteht, haben die Vereinigten Staaten von Amerika noch nicht erlebt.
- Eigene Beobachtungen