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Epstein-Dokumente: Diese Auswirkungen könnten sie auf die USA haben


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Epstein-Enthüllungen
Ein Virus bedroht Amerika


Aktualisiert am 05.01.2024Lesedauer: 6 Min.
Brutaler Missbrauch an jungen Mädchen und Frauen: Jeffrey Epstein (Archivbild von 2008).Vergrößern des Bildes
Brutaler Missbrauch an jungen Mädchen und Frauen: Jeffrey Epstein (Archivbild von 2008). (Quelle: ZUMA Wire/imago-images-bilder)

Zu Beginn des Wahljahrs haucht der Fall Jeffrey Epstein einer alten amerikanischen Erzählung neues Leben ein. Sie steckt voller Gefahren.

Bastian Brauns berichtet aus Washington.

Geld, Macht und Sex, Politiker, Milliardäre und minderjährige missbrauchte Mädchen: Der Fall um den verstorbenen amerikanischen Unternehmer und Sexualstraftäter Jeffrey Epstein enthält alle Komponenten eines drehbuchreifen Kriminalfalls.

Das ist einer der Gründe, weshalb die jetzt freigegebenen rund 2.000 Seiten Gerichtsakten in den USA und auch in Deutschland seit Tagen Schlagzeilen machen. Welche weiteren prominenten Persönlichkeiten verbergen sich hinter den bislang anonymisierten Namen in den Vernehmungsprotokollen? Was genau haben sie mit Jeffrey Epstein zu tun gehabt?

Relevanz und Propaganda

Diese Fragen sind relevant. Immerhin lautete der Vorwurf gegen Epstein und dessen langjährige Freundin Ghislaine Maxwell, als Menschenhändler über Jahre hinweg planmäßig Jugendliche sexuell ausgebeutet zu haben. Das Paar soll hunderten minderjährigen Mädchen sexuelle Gewalt angetan haben. Ein Gericht verurteilte Ghislaine Maxwell deswegen zu 20 Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe. Jeffrey Epstein entging einer Strafe, weil er sich laut Obduktionsbericht während der Untersuchungshaft in seiner Gefängniszelle erhängte.

Doch nicht nur die tatsächliche strafrechtliche Relevanz führt zu dem Hype um die angeblich brisanten neuen Enthüllungen. Vielmehr ist die Aufregung in den USA auch deshalb so groß, weil die Geschichte von Epstein und Maxwell verdächtig gut zu den gängigsten Verschwörungserzählungen passt, die Amerika zu bieten hat. Oft handeln sie von geheimen und elitären Zirkeln, die die Geschicke der Welt vermeintlich lenken und dabei perverse Rituale abhalten sollen.

Bekannte Verschwörungsmythen

Dazu gehört zum Beispiel die sogenannte Pizzagate-Erzählung aus dem Jahr 2016. Unter dem Begriff wurden damals in Internetforen Falschinformationen verbreitet: Demnach sollte in einer Pizzeria in der Hauptstadt Washington ein von demokratischen Politikern organisierter Kinderpornoring aktiv sein, an dem auch die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton beteiligt war. Diese Lüge war die Geburtsstunde der rechtsextremen und pro-trumpischen QAnon-Bewegung.

Weit über diese Verschwörungsideologen hinaus wurde in den USA im Jahr 2023 der Film "Sound of Freedom" auffällig populär. "Sound of Freedom" beschäftigt sich mit einer ähnlichen Thematik und beruht in Teilen auf wahren Begebenheiten. Ein amerikanischer Spezialagent, der gegen Kinderschänder ermittelt, will auf eigene Faust Opfer befreien, weil die Behörden nicht genug tun.

Kritiker werfen dem Film vor, die Realität von Kinderausbeutung extrem zu vereinfachen. Etwa, indem darin der Glauben geschürt werde, dahinter stecke eine elitäre Gruppe teufelsanbetender Eliten, die die Welt regierten. Dieser Vorwurf gewann an Gewicht, weil sowohl der reale Ex-Agent Tim Ballard als auch sein Darsteller James Caviezel öffentlich ihren Glauben an die Verschwörungstheorien der QAnon-Bewegung bekundet haben.

Nicht zuletzt spielt eine uralte antisemitische Erzählung immer wieder eine Rolle, die sogenannte Ritualmordlegende. Schon seit dem Mittelalter wurde im europäischen Christentum behauptet, Juden würden heimlich christliche Kinder entführen und ermorden, um deren Blut für ihre Rituale zu verwenden. In Abwandlungen wie bei der Pizzagate-Erzählung treffen solche Vorstellungen dann mit der Behauptung einer jüdisch gelenkten Weltverschwörung zusammen.

Epstein-Fall als Bestätigung

Auf diese Erzählungen trifft nun der reale Missbrauchsfall von Jeffrey Epstein und Ghislaine Maxwell.

In der öffentlichen Wahrnehmung entsteht zudem in Amerika aktuell der Eindruck, die Dokumente dienten vorrangig nicht einem Erkenntnisgewinn. Es ginge nicht um Gerechtigkeit oder um Mitgefühl für die Opfer, sondern um perfide Anschuldigungen gegen politische und ideologische Feinde. Weil konkrete Belege fehlen, werden sie einfach durch Raunen, Lügen und gezielte Desinformationen ersetzt, die an jene wohlbekannten Verschwörungserzählungen anknüpfen und bei den Menschen verfangen sollen.

Ein wichtiger Baustein für diese Lesart der Epstein-Dokumente ist ohne Frage vorhanden. Das Paar war bestens vernetzt in der amerikanischen High Society. Seit Jahrzehnten waren sie mit den mächtigsten und einflussreichsten Personen des Landes bekannt. Der frühere US-Präsident Bill Clinton gehörte ebenso dazu wie Ex-Präsident Donald Trump oder etwa Multimilliardär Bill Gates.

Empörung als perfides Mittel zum Zweck

Eine nachvollziehbare Hoffnung in Bezug auf die aktuellen Epstein-Veröffentlichungen ist darum: Vielleicht geben sie ja Aufschluss darüber, welche Menschen in die furchtbaren Machenschaften von Epstein und Maxwell außerdem involviert waren?

Dieser Wunsch zeugt jedoch von Unkenntnis. Denn hätten die Dokumente und Verhörprotokolle strafrechtlich Relevantes gegen andere Personen enthalten, wären Staatsanwälte längst mit Ermittlungen gegen Clinton, Trump oder eben Gates beschäftigt. Die Dokumente sind viele Jahre alt. Wer also wie die amerikanische Boulevardzeitung "New York Post" schon Tage vorher von "bombshell" schrieb, also von Nachrichten, die wie eine Bombe einschlagen würden, schürte falsche Erwartungen.

Das lässt sich schon daran erkennen, dass sich die Empörung fast ausschließlich darauf richtet, wie oft etwa der Name des ehemaligen Präsidenten Bill Clinton in den Dokumenten auftaucht.

Dass Clinton und Epstein sich kannten, ist nichts Neues. Außer dass er in Epsteins Flugzeug mitflog und ihn besuchte, ist kaum mehr zu erfahren. Dass Clinton Aussagen zufolge junge Frauen mag, dürfte seit dessen Affäre mit seiner damaligen Praktikantin Monica Lewinsky niemanden mehr wundern. Strafbar ist aber auch das nicht.

Gezielte Aufwiegelung

Der Sohn des ehemaligen Präsidenten, Donald Trump Junior, äußerte sich dennoch öffentlich. Aber nicht ohne eine Art Mittäterschaft von Bill Clinton zu signalisieren, indem er dessen Mitflüge und Besuche bei Epstein als lange bekannten Fakt präsentierte. Dazu raunte er: "Was wir wissen wollen, sind ALLE ANDEREN NAMEN, die die Regierung versteckt und verdeckt hat. Das wird tatsächlich aufschlussreich sein!"

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Für Trump Juniors Vorwurf, die Regierung habe mutwillig weitere Personen namentlich gedeckt, gibt es keinen einzigen Beweis. Was genau daran aufschlussreich sein soll, ist vollkommen unklar. Und: Die Bekanntschaft seines eigenen Vaters Donald Trump mit Jeffrey Epstein lässt er schlicht unerwähnt. Das Ziel ist hingegen klar erkennbar: Die politischen Gegner sollen in den Epstein-Sumpf gestoßen werden. Seine Anhängerschaft kennt diese Codes wie gesagt aus dem QAnon-Universum.

Ein weiterer Beitrag des Trump-Sohns zeigt dies: "Die Linke ist viel mehr darüber verärgert, dass Trump nicht auf der Epstein-Island-Liste steht, als über die echten Pädophilen der demokratischen Elite, die auf der Liste stehen und an Kindesmissbrauch beteiligt waren", behauptet er. Dann schwor er die eigenen Anhänger weiter ein gegen den ideologischen Feind: "Das sagt euch alles, was Sie über die heutige Demokratische Partei und ihre Anführer wissen müsst!"

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Ein weiteres Opfer von klarer Desinformation im Zuge der Epstein-Veröffentlichungen wurde derweil der bekannte Fernsehmoderator Jimmy Kimmel. In einer Talkshow sagte der bekannte Footballspieler Aaron Rodgers einen Tag vor der Veröffentlichung der Dokumente: "Viele Leute, darunter auch Jimmy Kimmel, hoffen wirklich, dass das nicht herauskommt." Kimmel reagierte umgehend und bezeichnete Rodgers als "Arschloch", stellte klar, er habe Epstein nicht getroffen, sei nicht mit ihm geflogen, habe ihn nicht besucht und habe auch sonst keinen Kontakt zu ihm gehabt. Rodgers Worte würden seine Familie in Gefahr bringen, so Kimmel, der zugleich mit gerichtlichen Schritten drohte.

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Kimmels Reaktion zeigt zweierlei: Einerseits seine Empörung über Behauptungen, die er als falsch bezeichnet. Anderseits eine berechtige Angst davor, dass alleine das Auftauchen im Epstein-Umfeld schon so viel Schaden anrichtet, dass nicht nur der eigene Ruf, sondern auch das eigene Leben in Gefahr geraten kann. Einen Tag später kursierten auf rechtsextremen Profilen auf X (vormals Twitter) massenhaft gefälschte Gerichtsdokumente, die belegen sollten, dass Jimmy Kimmel tatsächlich in den Akten auftauchen würde.

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Der Trump treu ergebene ehemalige Fox-News-Moderator Tucker Carlson verbreitete unverhohlen eine weitere Behauptung, für die es keinen Beleg gibt. "Die meisten Menschen wissen, dass Jeffrey Epstein sich nicht umgebracht hat", so Carlson auf X (ehemals Twitter). Seit Epsteins Tod im Gefängnis ranken sich darum Erzählungen, wonach jene, die er als Mittäter hätte auffliegen lassen können, ihn hätten umbringen lassen. Tucker Carlson stellt wie immer nur Fragen, liefert aber keine Antworten: "Hat der Generalstaatsanwalt der Vereinigten Staaten dabei geholfen, seinen Mord zu vertuschen?" Epsteins Bruder Marc soll dafür als Kronzeuge herhalten.

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Die rund 2.000 Seiten der Epstein-Dokumente erfüllten bislang keine der vielfach geschürten Erwartungen. Sie erfüllen aber sehr wohl einen Zweck für jene, die ein generelles Misstrauen gegen demokratische Institutionen oder schlicht gegen politische Gegner schüren wollen. Auf diese Weise wird das Vertrauen in den Staat in den USA schon lange gezielt zerstört. Donald Trump und seine Anhängerschaft haben sich darauf spezialisiert, ganz besonders im Wahljahr 2024.

Verwendete Quellen
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