Ex-Berater John Bolton "Für Trump sieht es persönlich und finanziell nicht gut aus"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.John Bolton war Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater, dann kam es zum Zerwürfnis. Im Interview spricht er über die Fehler im Umgang mit dem Präsidenten, dessen Platz in der Geschichte – und über den Streit mit Deutschland, der bleiben wird.
John Bolton fällt ein hartes Urteil über den Mann, dem er 17 Monate im Weißen Haus als Nationaler Sicherheitsberater gedient hat. Donald Trump werde "definitiv als der schlechteste US-Präsident in die Geschichte eingehen", sagt der Republikaner im Interview mit t-online.
Bolton stellt die Angst vieler republikanischer Politiker vor dem scheidenden Präsidenten als übertrieben dar. Seine Partei könne sich rasch aus der Umklammerung Trumps befreien. "Trump wird mehr mit den Ermittlungen gegen ihn und mit seinen Geschäfts- und Finanzproblemen zu tun haben als mit unserer Partei."
Der außenpolitische Hardliner warnt hingegen Europa und Deutschland, dass große Streitpunkte der Trump-Ära auch unter einem Präsidenten Joe Biden fortbestünden – und erhofft sich eine bestimmte Initiative von Angela Merkel in den letzten Monaten im Amt.
t-online: Herr Bolton, haben Sie für den schlechtesten US-Präsidenten aller Zeiten gearbeitet?
John Bolton: Ja, ich denke, Trump wird definitiv als der schlechteste US-Präsident in die Geschichte eingehen. Bis jetzt galt James Buchanan als der schlimmste, weil er 1860 vor dem Bürgerkrieg die USA auseinanderbrechen ließ. Doch Trump wird ihm diesen Platz streitig machen. Was am 6. Januar mit dem Sturm aufs Kapitol geschah, war wirklich ein Vergehen, das eine Amtsenthebung rechtfertigt. Dass ein Präsident einen Mob gegen seine eigene Regierung ins Feld schicken würde, war fürchterlich und ein sehr, sehr trauriger Tag für Amerika.
Sie sind also dafür, Trump noch formell des Amtes zu entheben?
Nein. Ich denke, sein Vergehen war schlimm genug dafür, doch ich sehe nicht den Vorteil, jetzt diesen großen verfassungsrechtlichen Prozess zu beschreiten. Dafür müsste man nachweisen, dass dieser Weg nützlicher ist als die Variante, Trump einfach verschwinden zu lassen. Er sieht sich bald ohnehin strafrechtlichen Ermittlungen ausgesetzt. Die absolut schlimmste Strafe für Trump wäre, ihn künftig einfach zu ignorieren. Ein Impeachment erreicht das Gegenteil.
John Bolton, 72, ist ein außen- und sicherheitspolitischer Hardliner der Republikaner. Unter George W. Bush diente er als Uno-Botschafter und war lautstarker Befürworter des Irakkriegs. Den Atomdeal mit dem Iran lehnte er ab und vollzog als nationaler Sicherheitsberater Donald Trumps den Austritt der Amerikaner aus dem Abkommen. Über seine Zeit im Weißen Haus, die im September 2019 wegen anhaltender Differenzen mit Trump endete, schrieb er das Buch "Der Raum, in dem alles geschah".
Sie arbeiten seit Jahrzehnten im Bereich nationaler Sicherheit. Welche Folgen darauf hat solch eine Attacke, die in Echtzeit in alle Welt übertragen wird?
Es schadet unserem Land sehr. So etwas will man in einer demokratischen Gesellschaft nicht sehen. Es war ein katastrophales Sicherheitsversagen, das untersucht werden muss. Es wirft auch ein schreckliches Licht auf Donald Trump, dass er Teil davon war – und ich glaube nicht, dass wir schon alles zu seiner Rolle wissen. Ich denke allerdings, dass es seinen Abschied als prägende Kraft auf der politischen Bühne beschleunigt.
Nun ja, selbst in der Nacht nach dem Anschlag haben zwei Drittel Ihrer Parteifreunde im Repräsentantenhaus gegen die Bestätigung des Wahlsiegs Joe Bidens gestimmt und so Trumps Spiel mitgespielt. Schämen Sie sich für Ihre Partei?
Viele, die so abgestimmt haben, waren von Trump eingeschüchtert, aus meiner Sicht unnötigerweise. Das Versagen meiner Partei geschah schon zuvor, als Trump seine Behauptungen einer gestohlenen Wahl wochenlang verbreitete, obwohl sie von Gerichten im ganzen Land zurückgewiesen wurden. Da hätten viel mehr Republikaner die Stimme erheben müssen. Eine der Reparaturaufgaben für uns Republikaner lautet jetzt: Wir müssen gegenüber so vielen wie möglich klarstellen, dass Trump wirklich verloren hat.
Trump hat viele Anhänger an der Parteibasis doch längst von seiner Lüge überzeugt. Wie viel Macht wird er in Zukunft haben?
Von den 74 Millionen Wählern, die für Trump votiert haben, hätten mehr als 90 Prozent auch für einen Pappkameraden gestimmt, den die republikanische Partei aufstellt. Auf der Gegenseite ist es doch auch so. Wenn er am 20. Januar vom mächtigsten Raum der Welt, dem Oval Office, an den Swimming Pool nach Mar-a-Lago wechselt, wird das alles verändern. Trump hat die Partei nicht in seiner Hand. Das schafft Raum für vernünftige Republikaner. Wir haben hier dieses Sprichwort in der Politik: Wenn sich vernünftige Politiker nicht die Bedürfnisse der Bürger annehmen, tun dies unvernünftige Politiker. So bekommt man einen Trump.
Sind Sie da nicht zu optimistisch? In unserem letzten Gespräch im August sagten Sie, nach der Wahl werde sich die Partei sehr schnell von Trump abkehren. Es ist anders gekommen.
Frühere Präsidenten sind doch Nachrichten von gestern. Trump wird mehr mit den Ermittlungen gegen ihn sowie mit seinen Geschäfts- und Finanzproblemen zu tun haben als mit unserer Partei. Wenn er aus dem Amt scheidet, sieht es für ihn persönlich und finanziell nicht gut aus.
Der Präsident soll den Gewaltexzess am 6. Januar genüsslich am Fernsehen verfolgt haben. Passen diese Berichte zu dem Präsidenten, den Sie im Weißen Haus aus nächster Nähe erlebt haben?
Diese Berichte halte ich für absolut glaubwürdig. Ich habe in meinem Buch angeregt, dass jemand mal eine Arbeitszeitstudie für Trump anfertigen sollte und die Zeiten vergleichen sollte, die er im Oval Office verbringt und im kleinen Esszimmer daneben, wo an der Wand ein großer Fernsehbildschirm hängt. Ich kann vor meinem inneren Auge förmlich sehen, wie er dort sitzt und das Spektakel verfolgt. Er war vom Schauspiel wahrscheinlich fasziniert. Schließlich ging es dabei allein um Donald Trump, und das ist sein Lieblingsthema.
Werden Sie je wieder mit Donald Trump sprechen?
Ich freue mich zumindest nicht darauf, falls wir es tun sollten.
Schauen wir nach vorn. Die neue US-Regierung hat klargemacht, dass sie die von Trump beschädigten Beziehungen zu den Verbündeten in Europa reparieren will. Wovon wird abhängen, ob das wirklich funktioniert?
Es wäre ein Fehler, wenn Europa denkt, dass mit Trumps Abschied bestimmte Streitthemen einfach verschwinden. Seine Klagen über Handelspolitik bleiben relevant, beide Seiten müssen da unbedingt Handelsbarrieren abbauen. Trumps Klagen über die Nato und die Lastenverteilung innerhalb des Bündnisses werden ebenfalls aktuell bleiben. Deutschland würde sich in Washington bei den Demokraten ebenso wenig Freunde machen wie bei den Republikanern, wenn man die Verteidigungsausgaben wieder auf 1,1 Prozent der Wirtschaftsleistung senkt. Dazu würde ich auf keinen Fall raten. Auch die Deutschen müssen ihren fairen Anteil zahlen.
Interessieren Sie sich für die US-Politik? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Eindrücke aus den USA und den Machtwechsel von Donald Trump zu Joe Biden einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Wird man ohne Trump zu einer gemeinsamen Strategie beim Umgang mit China finden?
Die Biden-Regierung wird viele Europäer mit einer konfrontativen China-Politik überraschen. Sie wird zwar nicht so hart sein, wie ich es gern hätte, aber härter als man in Europa denkt.
Wie soll Deutschland damit umgehen?
Angela Merkel schlug Donald Trump bei zahlreichen Treffen vor, dass man sich gegen China dort zusammenschließen sollte, wo man ähnliche Interessen hat: beim Diebstahl geistigen Eigentums und bei den unfairen Handelspraktiken Pekings. Hätte man bei diesen Treffen die Meinung der Amerikaner im Raum abgefragt, wären wir alle dafür gewesen, nur eben mit der Ausnahme Trumps. Merkel sollte, solange sie noch im Amt ist, Präsident Biden diese gemeinsamen Initiativen erneut vorschlagen.
Herr Bolton, vielen Dank für das Gespräch.
- Interview per Videokonferenz.