"Amerika ist zurück" Biden will Beziehungen zu Deutschland und EU stärken
Der gewählte US-Präsident Joe Biden bereitet sich auf internationale Aufgaben vor. In seiner ersten Botschaft an die Verbündeten grenzt er sich deutlich von Donald Trumps Motto "Amerika zuerst" ab.
Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat Deutschland und anderen europäischen Verbündeten eine Wiederbelebung der schwer angeschlagenen transatlantischen Beziehungen zugesagt. Nach Telefonaten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem britischen Premierminister Boris Johnson und dem irischen Ministerpräsidenten Micheál Martin sagte er am Dienstag: "Zunächst einmal lasse ich sie wissen, dass Amerika zurück ist. Wir werden wieder im Spiel sein. Es geht nicht nur um Amerika." Damit grenzte er sich in aller Klarheit von Trumps außenpolitischem Grundsatz "Amerika zuerst" ab.
Trump hatte unter anderem mit einem Rückzug der USA aus der Nato gedroht, internationale Verträge wie das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und Verbündete wie Deutschland immer wieder scharf angegriffen. Biden sagte am Dienstag, die Reaktionen, die er auf der ganzen Welt von Verbündeten und Freunden bekommen habe, seien positiv gewesen. Er sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, die USA wieder zu einem respektierten Partner zu machen.
Biden macht sich an die Arbeit
Der 77-Jährige äußerte sich in seinem Heimatort Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Der Demokrat war am Samstag aufgrund von Erhebungen und Prognosen von US-Medien zum Sieger erklärt worden. Trump weigert sich bislang, seine Niederlage einzugestehen. Er spricht – ohne bisher Beweise vorzulegen – von Wahlbetrug und klagt in mehreren US-Bundesstaaten.
Biden lässt sich davon nicht irritieren und bereitet sich auf internationale Aufgaben vor. Zuerst telefonierte er am Montag mit dem kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau, am Dienstag dann mit den europäischen Verbündeten. Merkel sagte er zu, die Beziehungen zu Deutschland stärken und eng mit ihr zusammenarbeiten zu wollen, teilte sein Team mit. Zu den gemeinsamen Herausforderungen gehörten die Bekämpfung der Corona-Pandemie, der Klimaschutz und die Wiederbelebung der globalen Wirtschaft. "Er hat auch die Möglichkeit begrüßt, mit der EU an einer gemeinsamen Agenda zu arbeiten", hieß es in der Erklärung des Biden-Teams.
Merkel wünscht sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit
Nach Angaben des deutschen Regierungssprechers Steffen Seibert wünschte Merkel sich in dem Telefonat mit Biden eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Beide seien sich einig gewesen, "dass der transatlantischen Zusammenarbeit angesichts der Vielzahl globaler Herausforderungen eine hohe Bedeutung zukommt". Merkel habe auch der zur Vizepräsidentin gewählten Kamala Harris ihre Glückwünsche übermittelt.
Die Kanzlerin hatte Biden bereits am Samstag schriftlich gratuliert. Am Montag bot sie ihm in einer öffentlichen Stellungnahme ein stärkeres deutsches Engagement in Sicherheitsfragen an. "Wir Deutsche und wir Europäer wissen, dass wir in dieser Partnerschaft im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen müssen", sagte die CDU-Politikerin.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren in vier Jahren Trump auf einen Tiefpunkt abgestürzt. Jetzt hofft die Bundesregierung auf eine deutliche Verbesserung.
Johnson teilte auf Twitter mit, er habe 25 Minuten mit Biden telefoniert. "Ich freue mich darauf, die Partnerschaft zwischen unseren Ländern zu vertiefen und an gemeinsamen Zielen zu arbeiten – etwa den Klimawandel zu bekämpfen, die Demokratie zu stärken und besser aus der Pandemie herauszukommen."
Biden liegt Frieden in Irland am Herzen
Den Brexit und seine umstrittenen Pläne, mit einem Gesetz das geltende Brexit-Abkommen mit der EU auszuhebeln, ließ Johnson in seinem Statement unerwähnt. Es wird noch gerätselt, welche Auswirkung die US-Wahl für die weiteren Verhandlungen über ein Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien haben könnte.
Biden hatte im Herbst verlauten lassen, der Frieden zwischen Irland und Nordirland dürfe nicht zum "Opfer des Brexits" werden. Dass der irische Ministerpräsident zu den vier Europäern zählte, die er zuerst anrief, könnte auch ein Zeichen in diesem Sinne sein.
Mit den Auslands-Telefonaten nur wenige Tage nach seinem Wahlsieg löste Biden übrigens ein Versprechen aus dem Wahlkampf ein. Da hatte er gesagt: "Das Erste, was ich tun muss, und ich scherze nicht: Wenn ich gewählt werde, muss ich mit den Staatschefs telefonieren und sagen, dass Amerika zurück ist, Sie können auf uns zählen."
Von der Leyen bietet den USA umfassende neue Partnerschaft an
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat den USA unterdessen einen umfassenden Neustart der Beziehungen angeboten. "Das sollte alles von Sicherheit bis Nachhaltigkeit abdecken, von Regeln für Technologie bis zum Handel, von einer Angleichung der globalen Wettbewerbsbedingungen bis zur Stärkung der globalen Institutionen", sagte von der Leyen am Dienstag in einer Rede vor EU-Botschaftern.
EU-Ratschef Charles Michel plant nach Angaben von Diplomaten eine Videokonferenz mit Biden und später dann auch ein Gipfeltreffen in Brüssel. Mögliche Termine dafür wurden noch nicht genannt.
Von der Leyen nannte als konkrete Punkte zur Zusammenarbeit die Überwindung der Corona-Pandemie, den Klimaschutz sowie die Stärkung und Reform internationaler Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation WHO und die Welthandelsorganisation WTO. "Unser internationales System wurde für zu viele Jahre in Geiselhaft gehalten", sagte von der Leyen. "Die Zeit ist gekommen, diesen Trend umzukehren."
Es gelte, wichtige multilaterale Abkommen neu zu beleben und neue Bündnisse zu schmieden. "Ein solches Bündnis wird gebraucht für die digitale Welt", sagte die Kommissionspräsidentin. Sie bezog dies auf Regeln für Online-Plattformen, etwa im Kampf gegen Hass- und Terrorpropaganda. Hier werde die EU-Kommission eine breite Reform vorschlagen, den sogenannten Digital Service Act.
Weitere Punkte seien Datenschutz und eine faire Besteuerung großer Digitalkonzerne. Ziel bleibe vorerst ein Konsens im Rahmen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Aber: "Die neue Frist bis Mitte 2021 muss die letzte sein", sagte von der Leyen.
Die Kommissionschefin hatte Biden bereits am Samstag zum Wahlsieg über Präsident Donald Trump gratuliert. Jetzt sagte sie: "Ich glaube, dass Differenzen immer überbrückt werden können und Wunden geheilt. Aber die Veränderung bei Prioritäten und Ansichten sind viel tiefgehender als nur ein Politiker oder eine Regierung." Sie verschwänden nicht mit dieser Wahl. "Unser Fokus sollte darauf liegen, gemeinsam Führung zu zeigen, ohne nostalgisch auf die Welt von gestern zu blicken", sagte von der Leyen.
- Nachrichtenagentur dpa