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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Letztes TV-Duell Trump gegen Biden Hart, aber fast schon fair
Beim letzten TV-Duell vor der Präsidentschaftswahl machen Donald Trump und Joe Biden einander schwere Vorwürfe. Die neuen Regeln tun dem Format gut – es werden klare Unterschiede deutlich.
Keine zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl haben Donald Trump und Joe Biden das letzte TV-Duell genutzt, um schwere Attacken auf den Charakter und die Positionen ihrer Kontrahenten zu fahren. Die Debatte in Nashville (US-Bundesstaat Tennessee) bot dem in Umfragen zurückliegenden Trump eine der letzten Gelegenheiten, vor einem Millionenpublikum die Stimmung im Wahlkampf noch zu drehen.
In den 90 Minuten ging es um das Coronavirus, Familien, Rassismus, Klimawandel, nationale Sicherheit und ihre jeweiligen Vorstellungen von Führung. Ausschnitte sehen Sie oben im Video oder hier.
Die wichtigsten Erkenntnisse in der Blitzanalyse:
So lief die Debatte
Die zweite Debatte war die erste, die diesen Namen auch verdiente. Man stritt, auch in der Sache. Es ging deutlich gesitteter zu als beim Schreiduell vor drei Wochen. Dabei half auch die neue Regel, nach der am Anfang jedes Themenblocks das Mikrofon jenes Kandidaten, der nicht an der Reihe war, stumm gestellt wurde.
Trump und Biden überzogen einander mit schweren Vorwürfen, später ging es dann auch mehr um konkrete Politik. Unterschiede wurden immer wieder klar deutlich, etwa in der Umwelt- und Energiepolitik, beim Umgang mit Corona und Rassismus. Moderatorin Kristen Welker vom Fernsehsender NBC, von Trump vorab heftig kritisiert, hatte das Gespräch gut im Griff.
So schlug sich Trump
Der Präsident wählte einen komplett anderen Ansatz als bei der ersten Debatte. Er hielt sich lange Zeit an die Regeln und unterbrach nicht ständig, auch wenn er mitunter sichtlich Mühe hatte, die Linie durchzuhalten. Seine Antworten auf Corona und Gesundheitspolitik waren von bekannten Unwahrheiten geprägt. Das Fazit des CNN-Faktenprüfers: "Trump benahm sich besser, aber er log mehr."
Trumps Strategie war klar: Er wollte seinen Kontrahenten als korrupt brandmarken und kam deshalb immer wieder auf eine ganz und gar unbewiesene E-Mail-Affäre von dessen Sohn Hunter zurück. Außerdem attackierte er Biden wiederholt als "Politiker" – der Staatschef will sich also auch nach vier Jahren an der Macht weiter als "Anti-Politiker" inszenieren. Konkrete Pläne für eine zweite Amtszeit konnte er nicht anbieten.
So agierte Biden
Der Mann mit dem Plan – im Gegensatz zu Donald Trump. So wollte sich Joe Biden präsentieren, und das gelang ihm über weite Strecken auch. "Er hat immer noch keinen Plan", warf er Trump bei mehreren Themen vor. Die deutlich gesittetere Debatte half ihm, die politischen Unterschiede zu Trump deutlich zu machen.
Biden zeigte, dass er hart sein kann – und nicht nur "Sleepy Joe", wie Trump ihn spöttisch nennt. Jedes Land, das sich in die Wahl einmische, "wird einen Preis zahlen, wenn ich Präsident werde", drohte Biden. Zugleich präsentierte er sich präsidiabel und versöhnend – als Präsident, der das Land im Gegensatz zu Trump einen wolle. Er werde alle Amerikaner repräsentieren, versprach Biden.
Der Schlagabtausch
Die Strategien zeigten sich in einer Konfrontation. Als Trump seinem Kontrahenten erneut Korruptionsvorwürfe machte, versuchte Biden, das mit einem deutlichen Statement auszuräumen: "Ich habe niemals in meinem Leben einen Penny von einer ausländischen Quelle angenommen."
Und er stellte die Angriffe auf seine Familie als Nebelkerze dar. "Es geht nicht um seine Familie und meine Familie. Es geht um Ihre Familie", sagte er zur Kamera und den Zuschauern gerichtet. "Wir sollten über Ihre Familie sprechen." Biden redete dann über finanzielle Zwangslagen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Trump stellte wiederum das als Ablenkungsmanöver dar: "Das ist ein typisches politisches Statement. Ich bin kein typischer Politiker, deshalb wurde ich gewählt", spottete Trump. "Come on Joe, das kannst du besser."
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Fazit
Beide lieferten eine bessere Vorstellung ab als in Runde eins. Manche von Trumps Attacken auf Biden etwa in der Wirtschaftspolitik dürften bei Wählern, die dem Demokraten skeptisch gegenüberstehen, durchaus verfangen. Biden wiederum rückte den charakterlichen Kontrast ins Zentrum – eine Strategie, die ihn im Wahlkampf weit gebracht hat.
Da Biden in den Umfragen vorn liegt, musste er die 90 Minuten in erster Linie ohne großen Patzer überstehen. Das ist ihm gelungen. Es ist somit unwahrscheinlich, dass die Debatte die Dynamik im Präsidentschaftswahlkampf durcheinanderwirbelt – gut für Biden.
- Liveübertragung des TV-Duells