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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Präsident degradiert Chefstrategen Obama-Berater fällt vernichtendes Urteil über Trump-Wahlkampf
US-Präsident Donald Trump feuert seinen Wahlkampfmanager. Kurz vor der Wahl sieht das nach einem hektischen Manöver aus. Was bringt das? Ein früherer US-Wahlkämpfer weiß es.
Donald Trumps Wahlkampf steckt im Schlamassel. Die Umfragen sind schlecht, die Corona-Infektionen erreichen ständig neue Rekorde. Jetzt hat Trump Konsequenzen gezogen: Sein Chefstratege Brad Parscale wird degradiert. Er übernimmt ab sofort nur noch die Verantwortung für Digitales und Soziale Netzwerke. Drei Monate vor der US-Wahl ist das ein Signal der Unruhe und zunehmenden Sorge unter den Republikanern. "Die Kampagnen-Macher haben ihre Botschaft 2020 noch nicht gefunden", sagt der Wahlkampf-Experte Julius van de Laar.
"Die haben nicht denselben Rhythmus wie 2016"
Der Berliner hat 2008 und 2012 hauptamtlich für die Kampagnen Barack Obamas gearbeitet und kennt sich in der amerikanischen Politszene aus. Deshalb sagt er: "Die haben nicht denselben Rhythmus wie 2016. Sogar alte Tweets, die auf die angeblich betrügerische Hillary Clinton anspielen, werden wieder aufgewärmt und erneut rausgeschickt."
Ganz anders sei es vor vier Jahren gewesen: Brad Parscale, schon damals federführend für den Bereich Digitales in der Trump-Kampagne, habe damals einen "wahnsinnigen Wahlkampf" geführt. "Das war weltweit ein herausragender digitaler Wahlkampf", sagt Julius van de Laar.
Davon ist Trump inzwischen weit entfernt, die Aussagen zünden nicht mehr, die selbstverschuldeten Misserfolge im Management der Corona-Krise schlagen sich in miserablen Umfragewerten nieder. "Natürlich kommen jetzt Zweifel an der Kampagnenführung auf", sagt van de Laar, und viele würden Trump raten, jetzt etwas zu unternehmen. "Ob es nun aber sinnvoll ist, den Kampagnenchef hundert Tage vor der Wahl durchzutauschen, ist eine andere Frage."
Überraschend ist es allerdings nicht: Die Personalie fügt sich in Trumps reges Hire-and-fire-Karussell ein, das er bereits 2016 betrieben hatte. Damals mussten innerhalb kürzester Zeit der erste Wahlkampfchef Corey Lewandowski gehen, nachdem er mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in Konflikt geraten war.
Der an seine Stelle berufene Lobbyist Paul Manafort musste ebenfalls gehen, weil er die Kampagne mehr an den Vorstellungen des republikanischen Partei-Establishments ausrichten wollte – Trump war damit nicht einverstanden und setzte Steve Bannon, Chef der rechtsextremen Website "Breitbart", an die Spitze. An Bannons Seite stellte er Kellyanne Conway als Wahlkampfmanagerin – sie ist die einzige, die bis heute in Trumps Orbit arbeitet. Manafort sitzt nach den Sonderermittlungen zu russischer Einflussnahme auf den Wahlkampf 2016 in Haft. Bannon überwarf sich ebenfalls mit Trump.
Nicht einfach, für Trump zu arbeiten
Es dürfte nicht leicht sein, als Wahlkampfstratege für Donald Trump zu arbeiten – kaum etwas ist Trump so wichtig wie der direkte, unverstellte Kontakt mit den Wählern. Er meint, vor allem damit im Vergleich zu anderen Politikern punkten zu können. "Trump ist sein eigener Stratege, sein eigener Pressesprecher, Social-Media-Redakteur und Wahlkampfmanager", sagt der Kommunikationsexperte van de Laar. "Oft sagt er Dinge, die völlig konträr sind zu dem, was das Wahlkampfteam sagt."
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Dass der bislang erfolgreiche Brad Parscale nun heruntergestuft (nicht etwa komplett geschasst) wurde, hat einen Grund, sagt van de Laar. "Es ist ein Signal an die Presse und die Republikaner – vor allem aber hat Trump einen Sündenbock, der die Schuld dafür trägt, warum es gerade nicht läuft."
Dass es nicht läuft, hat man auch in Tulsa gesehen. In der Stadt im US-Bundesstaat Oklahoma erlitt Trump eine empfindliche Schlappe. Dort wollte er Ende Juni seinen ersten großen Wahlkampftermin abhalten, es sollte opulent zugehen. Noch am Tag zuvor hatte der US-Präsident sich damit gebrüstet, sein Team habe eine Million Tickets verkauft.
Trump twitterte ein Foto von einer Wahlveranstaltung seines Herausforderers Joe Biden, auf dem wenig Menschen zu sehen waren. "Null Begeisterung", schrieb er dazu.
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Am Ende erging es ihm in Tulsa kaum besser. Die Ränge waren längst nicht ausverkauft, das zusätzlich zur Halle bestuhlte Außengelände wurde überhaupt nicht gebraucht – wofür auch eine Aktion in dem Sozialen Netzwerk TikTok gesorgt hatte. Es war ein Jammerbild für Trump, der gern mit vollen Reihen angibt. Im Januar 2017 hatte er über die Berichterstattung zu seiner Amtseinführung gewütet: Im Vergleich zu Barack Obamas vorheriger inauguration war die National Mall in Washington, D.C. spärlich besucht.
Es war dieses Ereignis, das Trump und seine Beraterin Kellyanne Conway veranlasste, von "alternative facts" zu sprechen, also Falschnachrichten, und den Medien Voreingenommenheit vorzuwerfen. Die Bilder aus Tulsa müssen Trump sehr geärgert haben. Er selbst als Kandidat konnte nicht der Schuldige sein – es musste ein anderer herhalten.
Nur dürfte eines klar sein: Parscales Nachfolger Bill Stepien wird in den hundert Tagen vor der Wahl keine komplett neue Kampagne auf die Beine stellen. "Einen schlechten Kandidaten wird Stepien in dieser Zeit nicht in einen guten verwandeln", sagt van de Laar. Klar sei aber auch: Wären die Umstände noch wie im Januar, wäre die Corona-Pandemie nicht dazwischen gekommen, dann hätte Trump gute Chancen auf eine Wiederwahl. "Dann würden wir jetzt darüber reden, was Trump für seine zweite Amtszeit plant."
- Telefonat mit Julius van de Laar am 17. Juli 2020