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Donald Trump: Werden die Enthüllungen seiner Nichte ihn stürzen?


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Buch der Präsidenten-Nichte
Werden die neuen Enthüllungen Donald Trump schaden?


10.07.2020Lesedauer: 6 Min.
Donald Trump im Weißen Haus: Im anziehenden Wahlkampf gerät der US-Präsident immer mehr unter Druck.Vergrößern des Bildes
Donald Trump im Weißen Haus: Im anziehenden Wahlkampf gerät der US-Präsident immer mehr unter Druck. (Quelle: Tom Brenner/reuters)

Donald Trump soll ein Narzisst und ein Fälscher sein. Das behauptet seine Nichte Mary in ihrem neuen Skandalbuch. Aber können diese Enthüllungen Trump die Wiederwahl kosten?

Die heiße Phase im US-Wahlkampf beginnt. Immer schriller, immer polarisierter werden die Auftritte und Aussagen – vor allem die von US-Präsident Donald Trump, der im Moment massiv unter Druck gerät. Einerseits wegen des herannahenden Wahltages. Andererseits wegen der traurigen Rekorde, die die USA dieser Tage in der Corona-Krise erleben: Seit Beginn der Krise haben mehr als 45 Millionen Amerikaner ihren Job verloren, die Zahl der nachweislich Infizierten überschritt die Drei-Millionen-Marke, über 132.000 Menschen starben mit Covid-19.

Corona konnte niemand vorhersehen. Den Wahltermin am 3. November – traditionell der erste Dienstag im November – schon. Deswegen ist es kein Zufall, dass all jene, die dem Präsidenten schaden wollen, ausgerechnet jetzt Enthüllungsbücher veröffentlichen. Da war John Bolton, Ex-Sicherheitsberater, der Ende Juni "The Room Where It Happened" herausbrachte und Trump als unfähigen Trottel auf internationaler Bühne diskreditierte. Und jetzt holt Trumps Nichte Mary L. Trump zum Schlag gegen ihren reichen Onkel im Weißen Haus aus. Die ersten Auszüge aus dem Buch zeichnen ein verheerendes Bild des Staatsoberhauptes. Wird ihn das das Amt kosten?

Nichts, was man nicht von Trump selbst gehört hat

"Natürlich nicht", sagt Julius van de Laar. Der Berliner Strategie- und Kampagnenberater beobachtet seit Jahren Wahlkämpfe in den USA. Er selbst hat 2008 und 2012 hauptamtlich für die Präsidentschaftskampagne von Barack Obama gearbeitet, hat Wählergruppen analysiert und sich in das komplizierte Wahlsystem des Landes eingefuchst. Skandalbücher brächten den Präsidenten nicht zu Fall, sagt van de Laar deshalb. Warum nicht?

"In diesen Büchern steht nichts drin, was man nicht ohnehin schon von Trump selbst gehört hat oder ihm zumindest zugetraut hat", sagt van der Laar. Er erinnert an den Moment im Wahlkampf 2016, als die berüchtigte Aufnahme mit Trumps Aussage "Grab 'em by the pussy" ("Fass ihnen [den Frauen] in den Schritt") auftauchte. "Es hat kaum jemanden ernsthaft überrascht, dass Trump so etwas hinter geschlossenen Türen sagen würde", sagt der Berater.

"Die Frage, die ich als Wahlkämpfer stellen würde, lautet: Gibt es Trump-Unterstützer, die nach all dem, was der Präsident in den letzten Jahren gesagt und getwittert hat, ihn plötzlich aufgrund der Behauptungen in den Büchern nicht mehr wählen würden?" Andersherum müsse man fragen: Macht es einen Unterschied bei den Wählern, die Trump ohnehin niemals wählen würden?

Interessieren Sie sich für die US-Wahl? Washington-Korrespondent Fabian Reinbold schreibt über seine Arbeit im Weißen Haus und seine Eindrücke aus den USA unter Donald Trump einen Newsletter. die dann einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Wo man ihn hingegen wählt, das ist die Gegend im "Bible Belt", dem erzkonservativen Süden der USA von Texas über Kansas bis Florida. Aber auch im Mittleren Westen fürchtet die vorwiegend weiße Mittelschicht um ihre Pfründe: um ihr Recht auf Waffenbesitz, um ihren Wohlstand, um das Abtreibungsverbot, um ihre Privilegien als Mehrheit. Die Menschen in diesen Landstrichen sehen Trump als Beschützer ihrer Werte – oder zumindest als das geringere Übel gegenüber den liberalen Demokraten.

Deswegen lassen sie sich von den Enthüllungen nicht beeindrucken. Hinzu kommt, dass die schmutzige Wäsche, die in Washington D.C. gewaschen wird, viele in der Provinz oder im Innern des Landes kaum interessiert. "D.C." steht da als Synonym für den Sumpf politischen Klüngels, mit dem man nichts zu tun haben möchte. Wichtiger ist vielen Amerikanern, was vor ihrer Haustür passiert und wofür der Gouverneur ihres Bundesstaates sich stark macht. Auch das ist ein Aspekt, den man nicht vergessen darf, wenn man versucht, den Einfluss der Skandalbücher zu bemessen.

Trump hat schon mehrere Bücher überstanden

Schon das Buch des Journalisten Michael Wolff ("Feuer und Zorn", 2018) erregte Aufsehen. Geldwäschevorwürfe, rassistische Kommentare, Frauenfeindlichkeit: Von alldem berichtete Wolff, der sich für die Recherchen wochenlang im West Wing des Weißen Hauses aufgehalten hatte. Konsequenzen hatten die enthüllten Informationen für Trump aber nicht.

Ähnlich war es mit John Boltons Buch. Das Weiße Haus versuchte mit allen Kräften, die Veröffentlichung zu verhindern – ohne Erfolg. Bolton wird allerdings dafür kritisiert, dass er seine Erkenntnisse nicht bereits zu Jahresanfang im Impeachmentverfahren gegen Trump ausgepackt hat. Das mache ihn unglaubwürdig und lasse vermuten, dass er mit dem Buch vor allem auf Geld aus sei, heißt es von seinen Kritikern.

Nun kommt Mary L.Trump. Sie dürfte der Debatte um Donald Trump die bisher persönlichste Note verleihen. Die 55-jährige Psychologin aus New York hat sich schon vor langer Zeit mit ihrem Onkel Donald überworfen. Überhaupt ärgert sie sich früh über manche Männer in ihrer Familie. Allen voran Großvater und Familienoberhaupt Fred Trump senior, der Mary Trumps Mutter laut einem Bericht der "New York Times" für die Alkoholsucht ihres Vaters verantwortlich machte.

Der Konflikt eskaliert 1999: Der Patriarch stirbt. Mary Trump und ihr Bruder entdecken, dass sie im Testament nicht bedacht wurden. Sie fühlen sich um Millionen gebracht, von denen sie meinen, dass sie ihnen zustehen. Sie ziehen vor Gericht. Die Details des Verfahrens werden vertraulich behandelt, die Streitparteien unterzeichnen eine entsprechende Vereinbarung, an die sich auch Mary L. Trump hält – bis jetzt.

Auf Distanz zur Politik ihres Onkels

Über Mary L. Trump erfährt man wenig Privates. Auf Twitter zeigt sie sich als Tierfreundin und setzt sich für Elefanten ein. In ihr Profil hat sie "#blacklivesmatter" geschrieben – und eine Regenbogenfahne gepostet, das Symbol der LGBTI-Bewegung. Es ist eine schlichte und zugleich deutliche Distanzierung von der Politik ihres Onkels.

Julius van de Laar erwartet ihr Buch und die privaten Einblicke mit Spannung. Aber er schränkt ein: "Anders als Ivanka, Don junior oder Eric hat Mary Trump nie zum 'inneren Kreis' gehört." Würden die Trump-Kinder sich plötzlich von ihm distanzieren, hätte das eine komplett andere Qualität. Sie wären glaubwürdiger.

Ein Enthüllungsbuch liefert dann einen Knall, wenn die betroffene Person bis dato sehr geheimnisvoll erschienen ist. Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beispiel: Das Bundespresseamt pflegt die Social-Media-Kanäle der Kanzlerin, "die Bilder sind perfekt inszeniert", sagt van de Laar. Im Vergleich zu Trump kommuniziere sie kaum direkt mit der Öffentlichkeit. Ganz anders der US-Präsident. "Bei Trump sieht man fast die Entstehung eines jeden Gedankens, wenn man ihm auf Twitter folgt", sagt van de Laar. "Jeden Tag wird ein neuer Kampf angezettelt."

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Die Wirkung des Buches von Mary Trump schätzt van de Laar daher als gering ein. Die Demokraten würden einmal mehr in dem Narrativ bestärkt, dass Donald Trump im Weißen Haus eine gefährliche Fehlbesetzung sei und zuerst an sich selbst und seinen Wohlstand denke. Die Republikaner und Trump-Fans würden Mary Trump dagegen als unglaubwürdig darstellen. Eine Sprecherin des Präsidenten behauptete bereits, es gehe der Nichte nur um finanzielle Interessen.

Entscheiden Frauen aus den Vororten diesmal die Wahl?

Mehr als die Bücher dürfte Trump die Folgen seiner verfehlten Corona-Politik fürchten, meint Strategie-Experte van de Laar. Gerade die Älteren ab 65 habe Trump zuletzt verloren. "Das ist eine Wählerschicht, die ihm aktuell in den Umfragen komplett wegbricht und stark zu Joe Biden rüberwandert." Van de Laar stellt eine These auf: "Frauen und vor allem Frauen in den Vororten, die sogenannten 'Suburban Moms', sind die entscheidende Zielgruppe in diesem Wahlkampf."

Vor Corona hätten einige Trumps rassistische und sexistische Entgleisungen noch mit dessen wirtschaftlichen Erfolgen – der Steuerreform, den Börsenkursen, den niedrigen Arbeitslosenzahlen – entschuldigt. Jetzt aber herrsche durch das Missmanagement in der Corona-Krise sehr viel Unruhe. Zusätzlich habe der Umgang mit den "Black Lives Matter"-Protesten Trump in dieser Wählerschicht beschädigt.

Die Corona-Krise kann Trump kaum noch gewinnen. Der Schaden ist angerichtet, die Fehler vom Beginn der Krise sind zu schwerwiegend. Der Streit über die Maske entzweit Amerika – Trump-Anhänger lehnen sie als Beschneidung ihrer Freiheit ab, Demokraten befürworten sie. Trump will die Schulen so schnell wie möglich wieder öffnen. Unterdessen stehen Hunderttausende bei den Tafeln für Lebensmittelpakete an.

Trumps Worte markieren einen neuen Ton im Wahlkampf

Trump verbeißt sich jetzt in das, von dem er denkt, dass er es beherrscht: den Kulturkampf. Wir gegen die. Am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, hält er eine Rede am Fuße des Mount Rushmore. Im Rücken die vier in Stein gehauenen Präsidenten-Konterfeis. Seine Worte dürften einen neuen Ton im Wahlkampf markieren. Statt sich über das Coronavirus auszulassen und die Amerikaner darauf einzuschwören, dass sie die Krise bald überwunden hätten, richtet er seine Aufmerksamkeit nun auf die Sorgen der weißen Mittelschicht. Er befeuert ihren Hass auf die Linken.

Er wird sich in den kommenden Wochen darauf stürzen, ein hässliches Bild von Joe Biden zu zeichnen und zu festigen, glaubt Julius van de Laar. Ähnlich wie bei Hillary Clinton 2016, die Trump nur "betrügerische Hillary" nannte. Bei Biden ist er auf dem besten Weg dahin ("müder / seniler Joe"). Doch noch ist Obamas früherer Vize nicht allzu bekannt im Land, sagt van de Laar. "Er muss sich jetzt beeilen, sich selbst zu definieren – bevor Trump es tut."

Unter den steinernen Blicken von George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln und Theodore Roosevelt spricht Trump am 4. Juli von einer "gnadenlosen Kampagne, um unsere Geschichte auszuradieren, unsere Helden zu verleumden, unsere Werte auszulöschen und unsere Kinder zu indoktrinieren". Damit meint er die Debatte um Statuen von Sklavenhaltern und Embleme aus der Zeit der Südstaaten, er meint die Rassismusvorwürfe gegen die amerikanische Polizei.

Er will klarmachen: Seine Anhänger und er sind stolz auf die Geschichte Amerikas – die ganze Geschichte, inklusive der Sklaverei, der Unterjochung der Ureinwohner und der Haltung gegenüber Afroamerikanern heute. Die Menschen stehen dicht gedrängt, sie jubeln ihm zu. Eine Maske trägt kaum jemand.

Verwendete Quellen
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