Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Wahl in Israel Fegt ein Ex-General Netanjahu aus dem Amt?
Seit zehn Jahren regiert Benjamin Netanjahu Israel. Er ist ebenso unangefochten wie selbstherrlich. Nun erwächst ihm ein Rivale in Benny Gantz, einem Ex-General, der von den Skandalen des Premiers profitiert.
Am vorigen Samstag fand Zachary Baumel auf dem Herzlberg seine letzte Ruhestätte. Gestorben war er am 6. Juni 1982, vor knapp 37 Jahren, als Oberfeldwebel einer Panzereinheit im Osten des Libanon. Israel führte damals Krieg gegen Syrien und die Hisbollah, einen riskanten und ziemlich sinnlosen Krieg, der mit einem ruhmlosen Rückzug endete. Der junge Soldat Baumel war auf einem Friedhof in den Ausläufern von Damaskus verscharrt worden. Bei seinem Tod war er 22 Jahre alt, geboren in Brooklyn, 12 Jahre zuvor mit seinen Eltern ausgewandert nach Israel.
Die israelische Armee möchte jeden ihrer getöteten Soldaten nach Israel holen und begraben. Darum kümmern sich die militärische Aufklärung und der Geheimdienst. Aber nichts ergibt sich nach so vielen Jahren ohne interessierten Zufall. Wer half, wer fand das Grab, wer lieferte die sterblichen Überreste aus? Die arabischen Medien sind in diesen Tagen voll von Theorien, wer wie wann warum was preisgegeben haben könnte.
Kein arabischer Staat, keine anti-israelische Miliz will es gewesen sein. Die syrische Regierung wies den Verdacht weit von sich, sie könnte das Grab bei Damaskus geöffnet und den Leichnam den israelischen Streitkräften übergeben haben.
So geht es zu in diesem Teil der Welt zwischen Hamas und Hisbollah und Syrien und Iran. Wir sind im Nahen Osten, wo alles möglich ist und auch das Gegenteil davon, wo jeder jedem misstraut und jeder jeden für einen Verräter hält und Israel der große Todfeind ist.
Das russische Verteidigungsministerium will es gewesen sein. Russland stützt das Assad-Regime. Russland spielt Weltmacht in Syrien. Russland war der Vermittler oder hat Fragen gestellt oder wollte von sich aus helfen, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht werden wir nie erfahren, wie es wirklich gewesen ist.
Benny Gantz könnte Benjamin Netanjahu ablösen
Nun fügt es der Zufall, dass Israel am morgigen Dienstag ein neues Parlament wählt und deshalb geriet die Beerdigung mitten hinein in den Wahlkampf. Premierminister Benjamin Netanjahu ließ es sich nicht nehmen, nach Russland zu fliegen und Wladimir Putin persönlich für das Ausfindigmachen des Grabes zu danken. Dann das Begräbnis auf dem Herzlberg unter Anteilnahme fast ganz Israels, ein Staatsakt, der so angenehm davon ablenkte, dass über Netanjahu eine Anklage wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrugs schwebt.
Sein Gegenspieler ist Benny Gantz, der eine glänzende Karriere in der israelischen Armee hinter sich hat. Am Ende des Krieges im Libanon war er der höchste Offizier und rückte mit der Armee im Jahr 2000 ab. Später war er Generalstabschef und als er den Dienst verließ, fand der Premierminister Netanjahu goldene Worte für ihn, an die er sich heute nicht mehr erinnern mag. Denn Gantz hat mittlerweile eine gemäßigte Partei gegründet, zu der zwei weitere Generäle stießen – was in Israel etwas hermacht. Die Drei könnten Netanjahu ablösen, wenn die Demoskopen ausnahmsweise mal Recht behalten sollten.
Morgen findet ein idealtypisches Duell statt. Netanjahu ist seit fast zehn Jahren Premier. Gantz wandelte sich vom General zum Politiker, was in Israel öfter vorkommt. Netanjahu ist seit jeher von Skandalen umflort. Gantz verspricht saubere Hände. Netanjahu schürt die Kriegsangst und empfiehlt sich als Retter der Nation. Gantz war im Krieg im Libanon und bekämpfte zwei Intifadas in Gaza. Netanjahu kann Gantz schwerlich als pazifistisches Weichei denunzieren. Und Gantz kann Netanjahu nicht so richtig der Kriegstreiberei bezichtigen, was jeder andere Politiker links von Netanjahu gut machen könnte.
Trump und Putin unterstützen "Bibi"
Netanjahu hat machtvolle Mentoren, was ebenso seltsam wie folgerichtig ist. Wladimir Putin gab sich als Wahlhelfer her, was immer er sich auch davon versprechen mag. Der andere Mentor ist Donald Trump, der Verständnis dafür aufbringt, dass Israel den Golan vollends annektiert, da auf Syrien niemand Rücksicht nehmen muss, wie er meint. Diesen wohlmeinenden Ratschlag erteilte er eine Woche vor dem Wahltag, wie passend. Daraus hat Netanjahu einen wirkungsvollen Slogan gemacht, der so heißt: In einer anderen Liga.
Schon wahr, im Vergleich wirkt Gantz nur als nationale Figur und dazu als Neuling im Metier. Aber in der Politik herrscht manchmal eine gewisse Dialektik und so könnte der Nachteil zum Vorteil umschlagen. Netanjahu hat eben auch beste Verbindungen zu Millionären oder Milliardären. Dazu gehören Lieferanten von bodenlos teurem Whiskey und nicht minder wertvollen Zigarren, zu schweigen von den Juwelen, die Frau Sara frei Haus bekam. Warum und für welche Gegenleistung, fragte sich der Generalstaatsanwalt und will Netanjahu seither wegen Bestechlichkeit, Untreue und Betrugs vor Gericht ziehen.
Vielleicht ist Israel seines Königs überdrüssig
Israel kann ein wildes Land sein. Politik ist immer auch eine Existenzfrage. Krieg oder Intifada oder Raketeneinschläge oder die Angst vor dem Iran beherrschen die Menschen. Netanjahu versteht es meisterlich, die Angst zu manipulieren. WIR gegen DIE ist seit je her sein Wahlmotto. DIE sind Iran, die arabischen Nachbarn, die Araber im Westjordanland, das er annektieren will, genauso wie die arabischen Israelis, immerhin 20 Prozent der Bevölkerung. WIR, das ist der Nationalstaat der Juden, den er dekretiert hat. DIE sind alle diejenigen, die gegen IHN sind, gegen "Bibi", wie er sich nennen lässt.
"Bibi", der König von Israel, wie ihn seine Anhänger nennen.
Nun ist er 69 Jahre alt, seit zehn Jahren (und schon mal drei Jahre lang in den Neunzigern) regiert er Israel mit wechselnden Koalitionen. Wo jemand Macht so lange inne hat, ist die Hybris nicht weit. Der Generalstaatsanwalt erinnert den Premier daran, dass die Gesetze durchaus auch für ihn gelten. Scheint nötig gewesen zu sein.
In den letzten Umfragen lag Benny Gantz vorn. Vielleicht ist Israel seines Königs ja überdrüssig. Vielleicht bringt ihn der Hofstaat aus reichen Gönnern zu Fall. Wäre ja folgerichtig. Ironischerweise könnten die arabischen Israelis dafür sorgen, dass es diesmal nicht reicht. Sie gehörten mehrheitlich zu Netanjahus Wählern, sie genießen das Wahlrecht, auch wenn er sie zu den Menschen zweiter Klasse zählt, weil sie keine Juden sind, sondern nur Israelis. Das ist schwer zu verstehen und schreit geradezu nach Konsequenzen.
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Der Geheimdienst und die militärische Aufklärung suchen jetzt weiter nach zwei getöteten Kameraden von Zachary Baumel. Falls ihre sterblichen Überreste in nächster Zeit übergeben werden sollten, wird womöglich nicht der König, sondern sein weltlicher Nachfolger die Dankesreise antreten.