Post aus Washington Manchmal muss man einfach über ihn lachen
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Donald Trump sorgt gelegentlich für unfreiwillige Komik. Unser Korrespondent berichtet von einem Besuch im Weißen Haus, der ihn trotz des ernsten Themas an absurdes Theater erinnerte.
Die erste Woche von Donald Trumps Notstand geht zu Ende: 16 Bundesstaaten haben dagegen gemeinsam Klage eingereicht, die Demokraten im Kongress werden den Schritt per Resolution missbilligen, ansonsten ist noch gar nicht viel passiert.
Vom Präsidenten, der die ersten drei Tage Notstand größtenteils auf dem Golfplatz verbrachte, kam wenig, außer ein paar Tweets, laut denen die Mauer jetzt gebaut werde.
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Doch das vermeintliche Belegvideo zeigt bereits 2017 angeordnete Reparaturarbeiten an einem Grenzzaun, die nun abgeschlossen wurden. Das trifft den generellen Wahrheitsgehalt, mit dem Trump bei dem Thema agiert, ganz gut.
Bemerkenswert bleibt, wie Trump den Notstand verkündet hat. Ich nehme Sie noch einmal mit in den Rosengarten des Weißen Hauses.
Hier auf der Grünfläche hinter dem West Wing lässt Trump am vergangenen Freitag erst einmal warten: Um 10 Uhr sollte es losgehen, um 10.17 Uhr gibt es die übliche "In zwei Minuten geht es los"-Warnung für die Fernsehkollegen und um 10.39 Uhr kommt Trump dann wirklich aus seinem Oval Office.
In der ersten Reihe sitzen Trumps Gäste: Minister, Grenzbeamte, Mütter, die ihre Kinder durch Straftaten illegal Eingewanderter verloren haben – Trumps Kronzeugen für den Notstand. Dahinter: wir Journalisten.
Als er ein paar Minuten gesprochen hat, tauschen wir Korrespondenten erste erstaunte Blicke aus, weil Trump über alles Mögliche plaudert – China, Brexit, Kim Jong Un –, nur nicht über den Notstand. Seine Notizen ignoriert er nach ein paar Sätzen.
Dann folgt der verrückteste Moment. In einem Singsang rezitiert der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika den juristischen Kampf, der jetzt folgen werde: "Dann werden wir VERKLAGT und sie verklagen uns im 9. RECHTSBEZIRK,…dann kriegen wir möglicherweise ein SCHLECHTES URTEIL und noch ein SCHLECHTES URTEIL…"
Sie haben wahrscheinlich schon Aufnahmen davon gesehen. Doch wenn Sie sich das Video anschauen, das ich aus Reihe drei gefilmt habe, werden Sie noch etwas hören, was die Mikrofone der TV-Sender nicht transportieren: Viele von uns Journalisten mussten über diese Darbietung des Präsidenten reflexhaft lachen, ich auch.
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So etwas hatte man noch nie gehört von einem US-Präsidenten, schon gar nicht im zeremoniellen Rosengarten. Warum sich Trump so verhalten hat, dafür gibt es viele Interpretationen: Er klang genervt, er haderte mit der politischen Niederlage, auf keinem anderen Wege die Gelder bekommen zu haben, er ist Widerstand leid. Suchen Sie sich etwas aus.
Für mich bringt dieser Moment diesen Zwiespalt auf den Punkt, in dem man sich als Korrespondent im Weißen Haus manchmal wiederfindet: Mit Trump erlebt man absurdes Theater, bei dem man gar nicht alles ernst nehmen kann. Zugleich haben die meisten Vorstellungen und die Impulse, die darin zutage treten, so ernste und potentiell weitreichende Folgen.
In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA. Gefällt Ihnen die Kolumne? Sie können sie hier als kostenlosen Newsletter abonnieren, der noch weitere Beobachtungen und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.
Noch einmal gab es Lacher, als Trump seinen frischgebackenen neuen Justizminister William Barr aufstehen ließ und ihm ein "Genießen Sie Ihr Leben" mit auf den Weg gab. Lustig. Denn das Leben als Justizminister ist aktuell eher kein Genuss, weil Trump den jeweiligen Amtsinhaber dazu drängt, nicht unbedingt Recht und Ordnung, dafür aber ihn persönlich zu schützen (Fragen Sie mal Jeff Sessions!). Trump untergräbt mal wieder Rechtsstaat. Nicht lustig.
Natürlich gehe man nicht ins Weiße Haus, um über den Präsidenten zu lachen, sondern um bestmöglich berichten zu können, was er und seine Regierung planen und tun. Doch manchmal passiert es eben. Meist dann, wenn Trump nur um sich selbst kreist, gerade dann, wenn ihm die mächtigste Bühne des Landes bereitet ist.
Als Journalist lacht man also – unfreiwillig –, bekommt im nächsten Moment aber den neuesten Angriff auf die Presse serviert. Im Rosengarten waren das wieder "Fake News" oder ein befehlendes "Sit Down!" – das hat der Kollege, dem es galt, zum Glück nicht getan. Ich habe das in einer früheren Kolumne die perverse Beziehung von Trump und Medien genannt.
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Kommen wir zu meinem anderen Lieblingsthema, den demokratischen Herausforderern für 2020. Nach sechs Frauen hat sich ja auch Bernie Sanders im Alter von 77 Jahren zur erneuten Kandidatur entschieden. Es gab zahlreiche Artikel, in denen der Mann schon abgeschrieben wird: Zu alt, zu antiquierte Positionen, große Schwierigkeiten mit so wichtigen Wählergruppen (Schwarze, Frauen, Migranten) und ihren Themen. Das stimmt alles. Hinzu kommt: Anders als bei seinem Achtungserfolg 2016 hat er nicht eine unbeliebte Gegnerin wie Hillary Clinton, sondern zahlreiche frische Konkurrenten.
Aber: Sanders' Themen haben Konjunktur und er kann auf ein gut organisiertes, motiviertes Netzwerk an Anhängern zurückgreifen. Ein guter Gradmesser sind die Spendeneinnahmen nach der Ankündigung der Kandidatur, die die Kampagnen selbst melden. Und da sieht es so aus:
- Kamala Harris: 1,5 Mio. Dollar (in 24 Std.)
- Amy Klobuchar: 1 Mio. Dollar (in 48 Std.)
- Bernie Sanders: 5,9 Mio. Dollar (in 24 Std.)
Schreiben wir den alten weißen Mann also nicht gleich ab!
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Was wichtig wird: Während diese Woche vergleichsweise fast schon ruhig war (abgesehen von Autozöllen, Notstand und den täglichen Trump-Skandälchen), dürfte die kommende Woche ziemlich atemlos werden. Trump reist nach Hanoi und trifft ein zweites Mal Kim Jong Un – was kann dabei schon schief gehen…?
- Analyse: Wie ernst meint Trump es mit den Autozöllen?
- Post aus Washington: Der Notstand ist Trumps letzter Ausweg
- Präsidentschaftswahl: Sechs Frauen gegen Trump
Hier in Washington soll parallel sein alter Fixer, Michael Cohen, nun endlich vor dem Kongress aussagen: zwei mal geheim, einmal öffentlich. Das wird ein interessanter Splitscreen: In Vietnam will Trump Friedensbringer spielen, daheim soll seine alte rechte Hand über dessen Leichen im Keller plaudern, bis er dann bald ins Gefängnis wandert, unter anderem für das, was er im Namen Trumps so angerichtet hat.
Beide Termine haben ebenfalls reichlich Potenzial für absurdes Theater.