"State of the Union"-Rede Trumps vergiftetes Angebot
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit einer cleveren Rede versucht Donald Trump den Befreiungsschlag: Er verspricht vollmundig eine Grenzmauer. Doch die Zeichen in Washington stehen auf erbitterte Konfrontation.
Donald Trump hat eine gute, ja sogar eine clevere Rede gehalten. Seine Ansprache zur Lage der Nation war gut, weil er es kräftig hat menscheln lassen, weil er Optimismus und Pathos bemüht und seine Agenda geschickt mit den Geschichten von Amerikanern verwoben hat, die er ins Publikum bei seiner "State of the Union"-Ansprache hat setzen lassen.
Trumps Rede war politisch clever, weil sie unter diesem warmen Ton eine knallharte Kampfansage an die Demokraten versteckte. Unter dem Mantel des Humanitären und von Kompromissen legte er bei seiner Grenzmauer nach: Mehr Soldaten an die Mauer, mehr Warnungen vor Migranten-"Karawanen" und kriminellen Einwanderern. "Ich bekomme sie gebaut!", tönte er zur Mauer vor dem versammelten Kongress und der Nation am Fernseher.
Seit Wochen hatten Berater an der Rede gefeilt. Das Resultat: Trump versuchte einen Befreiungsschlag, indem er lockte und drohte, bei der Einwanderung, aber auch bei anderen Themen. Seine "State of the Union"-Rede war gezeichnet von der sich zuspitzenden Konfrontation in Washington – die sich selbst im feierlichen Rahmen immer wieder überdeutlich zeigte und die das kommende Jahr prägen dürfte.
Demokraten verhöhnen Trump
Die Polarisierung ist noch einmal schärfer geworden. Für die von Amerikanern erwarteten Momente der Einigkeit bemühte Trump amerikanische Helden der Vergangenheit – er erzählte von Veteranen des D-Day, der sich zum 75. Mal jährt, ließ den Mond-Astronauten Buzz Aldrin im Publikum feiern.
In der Gegenwart verhöhnten immer wieder die Abgeordneten der Demokraten den Präsidenten, wenn er besonders wilde Behauptungen aufstellte. Etwa, dass ohne ihn längst ein "großer Krieg mit Nordkorea mit potentiell Millionen von Toten" toben würde.
Das passende Bild war dazu, dass hinter Trump die mächtigste Demokratin, Nancy Pelosi, auf dem Sitz der Sprecherin des Repräsentantenhauses thronte. Pelosi hatte sogar dafür gesorgt, dass Trump die Rede um eine Woche verschieben musste. Jetzt sah man sie hinter Trumps linker Schulter immer wieder mit dem Kopf schütteln, während Trump sprach.
Die Szene des Abends
Die Demokraten stahlen Trump sogar die Szene des Abends. Als Trump kurz erwähnte, dass so viele Frauen wie noch nie im Parlament sitzen, sprangen viele Demokratinnen auf und jubelten ausgiebig, bis sie das gesamte Parlament zu lauten "USA! USA!"-Rufen animierten. Damit hatte der Präsident nicht gerechnet.
Trump wiederum ließ sich für die boomende Wirtschaft feiern und verknüpfte das gleich mit einer parteipolitischen Drohung. Die große Gefahr für den Boom gehe von "lächerlichen parteipolitisch motivierten Untersuchungen" aus, sagte er. Damit meinte er natürlich Untersuchungen, die sich gegen sein Umfeld und seine Geschäfte richten, durch Ermittlern und Demokraten.
Seine Botschaft lautete: Sollte es nach zahlreichen Warnzeichen tatsächlich mit der Wirtschaft nach unten gehen, dann sollen daran die Demokraten Schuld sein. Das ist eine Behauptung, die er sich für den Wahlkampf 2020 zurecht legt.
Vergiftetes Angebot
Unmittelbar bevor steht die große Konfrontation im Grenzmauerstreit. Hier machte Trump nur vordergründig ein Angebot. Er wolle gar keine Zementmauer bauen, sagte er nun. Sondern eine "schlaue, durchsichtige Barriere aus Stahl". Damit übernahm er Begriffe der Demokraten zur Grenzsicherung. Und er sagte: Sie würde nur dort gebaut, wo die Grenzschützer den größten Bedarf ausmachten.
Damit wird er die Demokraten allerdings kaum weichkochen. Für einen Kompromiss müsste er wohl das für die Partei so wichtige Thema des Schicksals der Kinder von illegal Eingewanderten aufgreifen – doch das war ihm keinen einzigen Satz wert.
Zugleich blieb er knallhart in seiner Haltung: Es würden Karawanen von Flüchtlingen vor der Grenze warten. Wie im Vorjahr lud der Präsident für den feierlichen Anlass Familien ein, die Opfer von Straftaten von Einwanderern geworden sind.
Wahrscheinlich geht es Trump nur darum, Entgegenkommen zu inszenieren. Wenn die Demokraten das vergiftete Angebot ausschlagen, hätte er eine Rechtfertigung für seinen bevorzugten Plan: Dann könnte er einen nationalen Notstand erklären, im Alleingang Gelder aus anderen Bereichen abziehen und für die Mauer verwenden, die ihm niemand finanzieren will.
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Politisch ist das höchst umstritten, auch in seiner eigenen Partei. Doch nun könnte Trump behaupten, er habe es ja zuvor mit einem Angebot versucht. In zehn Tagen läuft die Frist für die Verhandlungen ab. Nach der Rede ist es wahrscheinlicher geworden, dass Trump zum Notstand greifen wird.
- Eigene Recherchen