Vorwürfe gegen Brett Kavanaugh Die Schlacht um Trumps Kandidaten
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Das Ringen um Supreme-Court-Kandidat Brett Kavanaugh eskaliert. Für Donald Trump steht extrem viel auf dem Spiel – deshalb verhält er sich plötzlich ganz ungewohnt.
Kommt sie nach Washington oder nicht? Die Hochschulprofessorin, die mit ihren Anschuldigungen gegen den Supreme-Court-Kandidaten Brett Kavanaugh die US-Politik aufgeschreckt hat, lässt ihre Anwältin noch um die Details feilschen.
Wenn Christine Blasey Ford vor dem US-Senat über ihren Vorwurf der versuchten Vergewaltigung aussagt, sollen die Rahmenbedingungen und der Termin stimmen. Und sie besteht darauf, dass Kavanaugh, Donald Trumps Kandidat für das Oberste Gericht, nicht anwesend ist.
Fords Behauptung, Kavanaugh sei zu Schulzeiten auf einer Party sexuell übergriffig geworden, hält die amerikanische Hauptstadt seit Tagen in Atem. Die Vorwürfe haben die Karten im Politik-Poker ganz neu gemischt. Für Trump, Republikaner und Demokraten steht extrem viel auf dem Spiel.
In der großen Aufregung ist der US-Präsident selbst fast schon so etwas wie ein Ruhepol. Er beklagt sich zwar, dass die Anschuldigungen gegen seinen Kandidaten fürs Oberste Gericht erst jetzt eingebracht worden sind. Er sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass sie zuträfen. Aber seine Hauptlinie lautet: Wir müssen die Frau anhören, wir müssen ihn anhören, dann werden wir entscheiden. Kein Vergleich zum aggressiven Trump, den man sonst so kennt.
Warum Trump plötzlich zahm ist
Trump legt diese für ihn untypische Zurückhaltung an den Tag, weil er beim Thema Sexismus vorsichtig sein muss und die Nominierung nicht gefährden will. Sie ist sein wichtigstes innenpolitisches Projekt in diesem Jahr – und seit am vergangenen Wochenende die Vorwürfe Fords bekannt wurden, steht es auf wackligen Füßen.
Wenn Trump es schafft, Kavanaugh an den Supreme Court zu bringen, hätte er mit der Ernennung von dann zwei konservativen Richtern die Balance am Gericht auf lange Zeit nach rechts verschoben. Es wäre der wohl größte innenpolitische Triumph des Präsidenten.
Der US-Senat muss Kavanaugh bestätigen, bevor dieser Richter am mächtigen Supreme Court werden kann. Die Republikaner haben nur eine hauchdünne Mehrheit. Gleichzeitig fürchten sie, diese Mehrheit bei den Halbzeit-Wahlen im November zu verlieren. Würde das geschehen, bekämen sie weder Kavanaugh noch einen möglichen Ersatzkandidaten durch.
Das Dilemma der Republikaner
Deshalb wollen sie die Sache hinter sich bringen, müssen aber aufpassen: Sähe es so aus, als ignorierten sie die Sexismusvorwürfe einer Frau, würde ihnen das wohl bei Wählerinnen im November schaden – einer der entscheidenden Gruppen, bei der sie punkten müssen.
Die Demokraten wiederum wollen die Abstimmung über Kavanaugh möglichst über den Wahltag, den 6. November, hinauszögern, in der Hoffnung, dass sie eine Mehrheit holen. Ihnen kommen in dieser Hinsicht die Vorwürfe gegen Kavanaugh gelegen.
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Die #MeToo-Debatte gibt dem ganzen Vorgang eine besondere Aufladung. Immerhin sind bereits viele mächtige Männer über derartige Vorwürfe gestürzt. Und viele Berichte von US-Medien der vergangenen Tage zeigen, dass das Verhalten, was Ford beschreibt, damals durchaus typisch war für den Umgang von Jungen mit Mädchen auf prestigeträchtigen Jungenschulen, auf die Kavanaugh damals ging.
Doch all das erlaubt keinen Rückschluss darauf, ob sich Kavanaugh tatsächlich etwas hat zu Schulden kommen lassen.
Todesdrohungen, Fake News
Die eigentlichen Vorwürfe sind also durch gesellschaftliche Debatten und politisches Machtstreben überlagert. Und der Frau, die sie erhoben hat, widerfährt wohl genau das, wovor sie sich gefürchtet hatte. Ursprünglich wollte die Hochschulprofessorin aus Kalifornien anonym bleiben. Seit ihre Identität durchzusickern begann und Ford schließlich an die Öffentlichkeit ging, erhält sie laut ihrer Anwältin Todesdrohungen. Über die 51-Jährige werden Falschinformationen verbreitet, sie ist mit ihrem Ehemann aus ihrem Haus geflohen.
Jetzt üben alle Seiten Druck auf sie aus, vor dem Justizausschuss des Senats auszusagen, der über Kavanaughs Ernennung abstimmt. Erst sah es so aus, als ob am kommenden Montag beide in einer spektakulären Sitzung aussagen würden: Anklägerin und Beschuldigter. Dann ließ Ford mitteilen, sie wolle nicht aussagen, bis das FBI die Vorwürfe aus dem Jahr 1982 untersuche. Am Donnerstagabend wiederum hieß es, sie sei bereit zu einer Aussage, allerdings nicht am Montag – und nicht in Gegenwart des von ihr Beschuldigten.
Die Stimmung ist schon maximal aufgeheizt: Am Donnerstag besetzten Anhänger der Demokraten das Büro des Vorsitzenden des Justizausschusses, Chuck Grassley. Sie machen Druck auf die moderaten Republikaner, dem umstrittenen Kandidaten nicht zuzustimmen.
Kavanaughs Geheimtraining
Auf der anderen Seite machen konservative Interessengruppen mit Fernsehspots und Unterstützerschreiben erneut mobil. Ein konservativer Jurist, der in Washington exzellent vernetzt ist, verbreitete am Donnerstagabend eine Theorie, die sich rasch im Umfeld Trumps verbreitete: Demnach soll die Anklägerin Ford Kavanaugh schlichtweg verwechselt haben. Der Autor präsentiert einen Klassenkameraden Kavanaughs, der ihm damals ähnlich gesehen habe.
Kavanaugh selbst ging in diesen Tagen im Weißen Haus ein und aus, um die nächsten Schritte zu beratschlagen. Am Dienstag übte er die ihn nun erwartende zusätzliche Befragung durch den Senat. dabei fragte ihn etwa Trumps Pressesprecherin Sarah Sanders über seine Beziehungen in der Jugend aus.
Am späten Donnerstagabend schickte Kavanaugh dem Justizausschuss einen Brief. Er sei bereit, am Montag erneut auszusagen. "Ich bleibe entschlossen, meine Integrität zu verteidigen", schrieb er.
- eigene Recherchen
- "Washington Post" über Kultur an Jungenschulen in den Achtzigerjahren