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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trauerakt in Washington Eine Feier für McCain – und gegen Trump
Barack Obama, George W. Bush, Henry Kissinger: Amerikas Politik nahm in einer berührenden Trauerfeier Abschied von John McCain – und den Präsidenten ins Visier. Für Aufsehen sorgte McCains Tochter.
Meghan McCain gab sich keine Mühe, ihre Gefühle zu verstecken. Sie weinte mehrfach während ihrer Ansprache. Aber neben Trauer brach vor der versammelten Nation noch etwas anderes heraus: Verachtung.
Die 33-Jährige nutzte ihre Trauerrede auf ihren verstorbenen Vater John McCain auch für Attacken auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten.
Sie sprach den Namen Donald Trump dabei nicht aus. Aber das brauchte sie auch nicht. Keinem der 3000 Trauergäste in Washingtons Nationaler Kathedrale und wohl kaum jemanden der Millionen Zuschauer der Live-Übertragungen im Fernsehen entging der Adressat der folgenden Botschaft.
Sie sagte, man betrauere hier auch das Ableben amerikanischer Größe. "Wahre Größe", sagte sie, "nicht billige Rhetorik von Männern, die niemals auch nur in die Nähe des Opfers kommen, das er so bereitwillig gegeben hat." Es war klar, was sie meinte: McCains fünf Jahre in nordvietnamesischer Kriegsgefangenschaft und Trump, der über diese Gefangenschaft gespottet hatte.
Sehnsucht nach Einigkeit zu greifen
Meghan McCain eröffnete den Trauergottesdienst, bei dem sich Amerikas politische Elite versammelte. Der frühere Senator aus Arizona bekam eine letzte Ehre, wie sie sonst nur Präsidenten zuteil wird. Die ganze Woche über hatte das Ableben McCains Politik und Nachrichten dominiert.
Jetzt nahm die Nation Abschied. Vorne links saßen Barack und Michelle Obama, daneben George W. Bush und seine Frau Laura, dann die Clintons. Es war eine Veranstaltung, die Einigkeit über Parteigrenzen hinweg inszenierte, an den Anstand in der Politik appellierte - und damit auch unmissverständlich Trump ins Visier nahm. Die Sehnsucht nach eigenständigen, überparteilichen Politikern ist in der gespaltenen Nation groß.
Die zweistündige Feier in Washington wurde somit auch ein Moment, in dem sich Amerika seiner selbst vergewissern wollte. Wofür steht das Land? Was vereint uns? Die Antworten fallen in der Ära Trump ungewisser aus als in den vergangenen Jahrzehnten. Und der Präsident selbst ist für Antworten auf diese Fragen ein Totalausfall.
Trump unerwünscht
Die Feier, bei der eigentlich das Leben McCains im Zentrum stand, verdeutlichte damit auch, wie isoliert der aktuelle Präsident in der politischen Elite seines Landes ist. Schon bei der Beerdigung der früheren Präsidentengattin Barbara Bush im April war Trump unerwünscht gewesen - dorthin war Gattin Melania alleine gereist.
An diesem Samstag kamen aus dem Trump-Orbit Tochter Ivanka und deren Ehemann Jared Kushner, Stabschef John Kelly und Sicherheitsberater John Bolton zur Trauerfeier. Doch Trump selbst war in inniger Feindschaft mit McCain verbunden – und konnte in der Stunde dessen Todes nicht über seinen Schatten springen. Vertrauten gegenüber beklagte er, dass McCain mehr Aufmerksamkeit bekomme als er selbst.
McCain hatte den Ablauf in den vergangenen Monaten geplant. Nachdem er mit einem bösartigen Gehirntumor diagnostiziert worden war, versammelte er stets Freitags seine engsten Mitarbeiter, um seine Feierlichkeiten zu seinem absehbaren Tod zu planen. Er wollte eine Demonstration der Einigkeit. Er rief Barack Obama und George W. Bush persönlich an, um sie zu bitten, bei seiner Trauerfeier zu sprechen.
Kritik von Bush und Obama
Diese waren als Ex-Staatschefs in ihren Reden zurückhaltender als McCains Tochter, aber dennoch deutlich. Sie lobten McCains Bereitschaft, über eigene Interessen und Parteiinteressen hinaus zu denken.
George W. Bush, der McCain im Jahr 2000 in den Präsidentschaftsvorwahlen der Republikaner besiegt hatte, gab zu Protokoll, McCain habe Machtmissbrauch verabscheut. "Er war ehrenhaft, immer anerkennend, dass seine Kontrahenten immer noch Patrioten und Menschen waren."
Barack Obama, der gegen McCain 2008 die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, sprach davon, dass der Senator "uns zu besseren Präsidenten gemacht" und auch das Land besser gemacht habe. McCain habe um die Bedeutung des Rechtsstaats, der Wahrheit und freier Berichterstattung gewusst, die alle für die US-Demokratie unerlässlich seien. "John hat nie jemanden wegen dessen Rasse, Religion oder Geschlecht benachteiligt."
Auch hier blieb niemanden der Bezug auf die aktuelle Politik unter Trump verborgen.
Der Moment, in dem Applaus aufbrandete
Aus Deutschland waren Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Norbert Röttgen (beide CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses angereist. Röttgen nannte seine Teilnahme an der Trauerfeier eine "Demonstration dafür, wie das transatlantische Verhältnis einmal war." McCain war etwa jährlicher Gast auf der Münchner Sicherheitskonferenz gewesen.
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McCains Tochter Meghan wurde zum Abschluss ihrer Rede noch einmal deutlich. In unmissverständlicher Anspielung auf Trumps Wahlkampfslogan "Make Amerika Great Again" sagte sie: "Das Amerika John McCains hat es nicht nötig, wieder groß gemacht zu werden, weil Amerika schon immer groß war." Es war der einzige Moment im zweistündigen Gottesdienst, in dem mitten in einer Trauerrede Applaus aufbrandete.
Fünf Kilometer weiter südlich verließ Trump just in diesem Moment das Weiße Haus. Er trug ein weißes Polohemd und eine Kappe mit der Aufschrift "Make America Great Again". Während seine Nation trauerte, fuhr der Präsident zum Golfen.
- eigene Beobachtungen
- dpa