Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung Ohne Kompromiss wird es keinen Frieden geben
Donald Trumps Entscheidung ist gefallen. Mit der Ankündigung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, fördern die USA auch das Wiedererstarken des Terrors in der Region. Der Nahe Osten braucht Kompromisse – und keine US-Symbolpolitik.
Ein Kommentar von Patrick Diekmann.
Nahost ist ein politisches Minenfeld, auf dem sich Entscheidungsträger in der Vergangenheit meistens sehr vorsichtig bewegt haben. Die Gefahr einer Eskalation in der Region ist allgegenwärtig. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Entscheidung, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, auf diesem Minenfeld Golf gespielt und so den Friedensprozess erheblich erschwert.
Jerusalem ist seit dem Mittelalter ein Pulverfass religiöser und ethnischer Gefühle. Die kleinste Provokation führte schon in der Vergangenheit zu massiven Auseinandersetzungen mit zahlreichen Opfern. So gab es in den letzten 30 Jahren zwei große Aufstände der Palästinenser. Die erste Intifada (1987) wurde ausgelöst,weil ein israelisches Militärfahrzeug mit zwei Taxen zusammenstieß und vier Palästinenser dabei starben. Der anschließende Konflikt dauerte sechs Jahre und kostete 1.100 Palästinenser und 180 israelische Soldaten das Leben. Als der damalige israelische Oppositionspolitiker Ariel Scharon ankündigte, den Tempelberg zu besuchen, brach die zweite Intifada (2000) aus. Die Folge war ein sechsjähriger Konflikt mit 3.592 Toten, davon 985 Zivilisten.
Angst vor Chaos und Gewalt
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, wie ein vergleichsweise kleiner Funke zu einer massiven Explosion in der Region führen kann. Trumps Entscheidung könnte eine weitere Explosion auslösen. Attentate auf Sicherheitsbeamte, Luftangriffe und eine humanitäre Katastrophe wären die wahrscheinliche Folge. Dies nimmt Trump billigend in Kauf. Aber warum?
Vielleicht, weil er damit ein Wahlversprechen einlöst und so bei seiner Wählerschaft punktet. Vielleicht aber auch, weil die Entscheidung eine politische Bombe ist, die die innenpolitischen Probleme Trumps übertönen könnte – beispielsweise bei der Russland-Affäre.
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Die wahren Beweggründe Trumps bleiben für viele Beobachter ein Rätsel. Es handelt sich um eine symbolpolitische Entscheidung der USA, die die Region ins Chaos stürzen könnte und für die es keine Rechtfertigung gibt. Auch die israelische Regierung will die Gefahren nicht sehen, denn Benjamin Netanjahu wird innenpolitisch von nationalistischen Kräften und der Siedlerbewegung getrieben. In Bethlehem und Gaza brennen wieder israelische Flaggen, noch bevor der US-Präsident seine Entscheidung offiziell verkündet hat. Die Angst vor Chaos und Gewalt ist bei der israelischen und palästinensischen Zivilbevölkerung wieder omnipräsent.
Strategisches Desaster
Unklar ist, ob Trump und seine Berater die Lage im Nahen Osten richtig beurteilen. Terrororganisationen wie die Hamas waren auf dem Rückzug. Diese Gruppierungen leben von dem gewaltsamen Konflikt, weil sie nur so Menschen für den Kampf rekrutieren können. Zudem stritten verschiedene palästinensische Gruppierungen um Einfluss, Trump hat es geschafft, sie wieder zu einen. Die Hamas wittert Morgenluft, weil es ihnen durch einen religiösen Konflikt auch einfacher fallen wird, Geld und Waffen aus dem Ausland zu bekommen.
Der drohende Konflikt hat Auswirkungen auf den gesamten Nahen und Mittleren Osten. Die USA und Israel drohen mit ihrer Entscheidung zum Feindbild aller Muslime zu werden. Damit verprellen sie auch Verbündete wie Saudi-Arabien oder Pakistan. Durch Trumps Einreisebann für einige muslimische Länder hängt dem US-Präsidenten ohnehin ein islamophober Ruf in der arabischen Welt an. Durch die Jerusalem-Entscheidung werden muslimische Staaten zusammenarbeiten, die bis zuletzt unterschiedliche Interessen verfolgt haben. So rief der türkische Präsident Erdogan einen Gipfel der "Organisation für Islamische Zusammenarbeit" ein. Trump könnte es schaffen, diese Staaten zu einen.
Es droht ein Scherbenhaufen
So könnte die Trump-Entscheidung für die USA zum strategischen Desaster werden. Ein weiteres Blutbad im Nahen Osten kann nicht im Interesse der USA und der Europäer sein. Deshalb muss die EU alle diplomatischen Kanäle nutzen, um die Eskalation zu verhindern. Im Nahen Osten kann es keine Lösung ohne Dialog geben. Ohne Kompromisse und ohne die Neutralität der Altstadt Jerusalems wird es keinen Frieden geben. Die EU und Deutschland müssen verstärkt vermittelnd tätig werden. Auch hierzulande kann es erneut zu Protesten gegen Israel und Palästina kommen. Trumps rückwärtsgewandte Politik gefährdet nicht nur den Friedensprozess in der Region – sondern es droht ein Scherbenhaufen, der nicht mehr zu beseitigen ist.