Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.US-Demokratie unter massivem Druck Der Angriff auf die Gewaltenteilung hat begonnen
![Donald Trump im Weißen Haus: Dekrete gegen die Demokratie. Donald Trump im Weißen Haus: Dekrete gegen die Demokratie.](https://images.t-online.de/2025/02/V7fUI1alYxRi/0x202:4000x2250/fit-in/1920x0/donald-trump-im-weissen-haus-dekrete-gegen-die-demokratie.jpg)
Ein Donald Trump mit ungebremster Macht: Wie der US-Präsident die amerikanische Gewaltenteilung untergräbt – mit JD Vance, Elon Musk und einem hörigen Kongress an seiner Seite.
Was die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump von seiner ersten unterscheidet, ist bereits nach rund drei Wochen klar erkennbar. Schon während seiner ersten Präsidentschaft versuchte Trump, regelmäßig die Grenzen seiner Exekutivgewalt auszureizen und zu überschreiten – insbesondere wenn es um die Budgethoheit des Kongresses ging. Damals fielen ihm zwar nicht nur die Abgeordneten und auch Mitglieder seiner Regierung in den Arm. Vielfach aber verhinderten auch die Gerichte Trumps Pläne.
Doch 2025 ist vieles anders. Der US-Präsident hat ein Team um sich geschart, das loyal seine Agenda verfolgt. Im Kongress hat er nicht nur die Mehrheit, sondern selbst jene Abgeordneten und Senatoren in der Hand, die sich bislang eine eigene Meinung erlaubt hatten. Stellen sie sich quer, kann er ihnen glaubhaft damit drohen, Gegenkandidaten in ihren Wahlkreisen aufzustellen. Mit einer deutlichen Mehrheit aus konservativen Richtern am Supreme Court kann Trump außerdem darauf hoffen, dass der Oberste Gerichtshof der USA ihm bei kritischen Gesetzesentscheidungen in letzter Instanz recht gibt.
Mit dieser Sicherheit im Rücken versucht Donald Trump nun, gemeinsam mit seinem Vizepräsidenten JD Vance und seinem wichtigen Verbündeten Elon Musk, umfassende Maßnahmen zu ergreifen. Das Ziel: Die exekutive Macht des US-Präsidenten auszuweiten – in überwältigender Geschwindigkeit und auf Kosten der Justiz und der Legislative. Die USA befinden sich damit auf dem Weg in eine schwerwiegende Verfassungskrise.
Der Widerstand gegen dieses Schleifen der Gewaltenteilung scheint im Kongress und in der Öffentlichkeit bislang begrenzt zu sein. Und so erweisen sich jetzt die Gerichte als primäre und wohl letzte Verteidigungslinie gegen eine Trump-Regierung, die entschlossener denn je ist, die bisherigen Normen der Regierungsführung neu zu definieren. Insbesondere die sogenannten Bundesrichter haben inzwischen mehrere Stoppschilder aufgestellt, um zumindest die radikalsten Exekutivmaßnahmen von Trump aufzuhalten oder zu verlangsamen.
Damit scheint die Justiz als natürliche Kontrollinstanz in einer Demokratie gegen eine exekutive Übermacht zwar auf den ersten Blick gestärkt. Die sogenannten "Checks and Balances" in den USA funktionieren. (Mehr dazu lesen Sie hier)
Auf den zweiten Blick aber wird deutlich, dass Trump und sein Team, im Gleichschritt mit vielen Republikanern, es augenscheinlich darauf abgesehen haben, die Rolle der Gerichte radikal zu beschneiden.
US-Bundesrichter als Kontrollinstanz der Exekutive
Die Trump-Administration sieht sich einer beispiellosen Welle von rechtlichen Herausforderungen gegenüber, mit mehr als 40 Klagen von Generalstaatsanwälten der Bundesstaaten, Gewerkschaften und gemeinnützigen Organisationen, die mutmaßliche Verstöße gegen die Verfassung anfechten. Die Richter haben teils einstweilige Verfügungen gegen mehrere von Trumps Exekutivmaßnahmen erlassen. Zu den wichtigsten Entscheidungen gehören:
"Birthright Citizenship" (Geburtsrechtliche Staatsbürgerschaft): Bundesrichter haben Trumps Versuch blockiert, die automatische Staatsbürgerschaft für Babys von nicht dokumentierten Einwanderern zu beenden. Sie verweisen dabei auf den Schutz durch den 14. Verfassungszusatz.
Zugang zum Arbeitsministerium: Ein Bundesrichter entschied gegen Elon Musks Initiative, seinem Department of Government Efficiency (DOGE) Zugang zu sensiblen Daten des Arbeitsministeriums zu gewähren, aus Sicherheits- und Datenschutzgründen.
Kontrolle über das Finanzministerium: Ein New Yorker Bundesrichter beschränkte den Zugang von Musks Team zu den Zahlungs- und Datensystemen des Finanzministeriums mit der Begründung, dass hier ein "irreparabler Schaden" drohe.
Einfrieren von Bundeszuschüssen: Die Trump-Regierung versuchte, Milliarden an vom Kongress genehmigten Mitteln zurückzuhalten, was von einem Bundesrichter als verfassungswidriger Verstoß gegen das Haushaltsrecht des Kongresses eingestuft wurde.
Trotz all dieser richterlichen Interventionen signalisiert die Trump-Regierung nun schon seit Tagen, dass sie in Wahrheit bereit ist, die Autorität der Gerichte zu untergraben oder zu missachten. In Amerika herrscht darum Alarmstimmung. Die Zweifel an der Wirksamkeit der Justiz werden immer größer. Politiker und Kommentatoren sprechen von Staatsstreich und Putsch, von Tyrannei, Verfassungskrise und Machtergreifung. Die Angst um das Heiligste der USA, die fast 250 Jahre alte Verfassung, geht um.
Insbesondere Elon Musk und der amerikanische Vizepräsident JD Vance kristallisieren sich mit öffentlichen Aussagen als lautstarke Befürworter heraus, um die richterliche Kontrolle über die Exekutive zu beschränken.
JD Vance: "Richter dürfen nicht kontrollieren"
JD Vance teilte etwa einen Beitrag des rechts-konservativen Anwalts und Aktivisten Kurt Schlichter, der die Legitimität gerichtlicher Entscheidungen infrage stellte: "Was, wenn eine gerichtliche Entscheidung rechtswidrig ist? Ein zentraler Bestandteil des Verfassungsrahmens ist richterliche Bescheidenheit", schrieb Schlichter.
Später teilte Vance den Beitrag des Harvard-Verfassungsrechtlers Adrian Vermeule, der von einer Art katholischer Weltregierung träumt. Vermeule argumentierte: "Richterliche Einmischung in legitime Staatsakte, insbesondere in die interne Funktionsweise eines gleichrangigen Zweigs, ist eine Verletzung der Gewaltenteilung."
Trumps Vizepräsident ließ schließlich auch selbst keinen Zweifel mehr daran aufkommen, was er von der Gewaltenteilung in den USA zu halten scheint: "Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren", schrieb JD Vance.
Es sind neue, aber keineswegs überraschende Sichtweisen von Trumps Stellvertreter. In einem Podcast im Jahr 2021 schlug Vance bereits vor, dass eine künftige Trump-Regierung "jeden einzelnen Bürokraten der mittleren Ebene, jeden Beamten im Verwaltungsstaat entlassen und durch unsere Leute ersetzen" sollte. Dann fuhr er fort: "Wenn die Gerichte einen stoppen, stellt man sich vor das Land, wie es [der frühere US-Präsident] Andrew Jackson tat, und sagt: 'Der Oberste Richter hat sein Urteil gefällt. Jetzt lassen Sie ihn es doch durchsetzen'", sagte Vance.
Der Verweis auf das Zitat des früheren US-Präsidenten spiegelt eine höhnische Verachtung der Richter wider. Jackson ignorierte im frühen 19. Jahrhundert eine Entscheidung des Supreme Courts und vollzog eine gewaltvolle Zwangsumsiedlung von rund 60.000 Ureinwohnern, die als "Pfad der Tränen" in die Geschichte Amerikas einging.
Elon Musk: "Wenn man ein richterliches Urteil missachtet"
Parallel zu den Äußerungen von JD Vance attackiert auch Elon Musk die zahlreichen gerichtlichen Interventionen gegen seine übergriffige Vorgehensweise. So behauptete Musk, dass die Gerichte gezielt genutzt würden, um in Wahrheit legitime Exekutivmaßnahmen zu behindern: "Was passiert ist, dass diejenigen, die wollen, dass die Korruption und Verschwendung der Regierung weitergeht, landesweit nach einem Aktivisten-Richter suchen, der ihre Interessen vertritt", schrieb der Tesla-Chef.
Musk schlug dazu als radikale Maßnahme vor: "dass die schlechtesten 1 % der ernannten Richter, bestimmt durch gewählte Gremien, jedes Jahr entlassen werden". Ein solches Vorgehen würde "die korruptesten und inkompetentesten Richter herausfiltern", so Musk.
Er deutete sogar an, es könnte notwendig sein, gerichtliche Entscheidungen zu ignorieren: "Ich mag den Präzedenzfall nicht, den es geben würde, wenn man ein richterliches Urteil missachtet. Aber welche anderen Optionen lassen uns diese Richter, wenn sie die Verfassung für ihre eigenen parteipolitischen Ziele offen missachten?"
An die Seite von Vance und Musk schlagen sich nun sogar republikanische Kongressmitglieder, wie der kalifornische Abgeordnete Darrell Issa. Er schrieb: "Nirgends in der Verfassung steht geschrieben, dass einem einzelnen Richter die absolute Macht über den Präsidenten oder das Volk der Vereinigten Staaten gegeben ist."
Die Aussagen von JD Vance, Elon Musk und Politikern wie Darrell Issa zeugen von einer umfassenderen Kampagne. Sie zielt erkennbar darauf ab, die richterliche Kontrolle in den USA zu delegitimieren, zu schwächen und schließlich den Weg für noch aggressivere, unkontrollierte Exekutivmaßnahmen zu ebnen.
Die Bedrohung der Legislative
Die bislang alarmierendste Entwicklung im Machtstreben der Trump-Regierung ist die Übernahme des Finanzministeriums und die Kontrolle über dortige Transaktionen in Billionenhöhe. Denn die zahlreichen Maßnahmen bedrohen die verfassungsmäßige Autorität des Kongresses über den Haushalt.
In einem Gastbeitrag in der "New York Times" mit dem Titel "Unsere Demokratie ist unter Beschuss" warnten darum in dieser Woche fünf ehemalige US-Finanzminister – Robert E. Rubin, Lawrence H. Summers, Timothy F. Geithner, Jacob J. Lew und Janet L. Yellen – eindringlich vor den aktuellen Entwicklungen. Sie würden nicht nur die Demokratie, sondern auch die nationale Sicherheit der USA gefährden.
Die zentralen Bedenken der früheren Finanzminister sind:
Politisierung des Finanzministeriums: Politische Akteure anstelle langjähriger Beamter zur Überwachung des nationalen Zahlungssystems zu ernennen, gefährde die Unparteilichkeit und Integrität der obersten US-Finanzbehörde.
Interessenkonflikte und Sicherheitsrisiken: Politisch ernannte Personen unterliegen nicht denselben strengen Ethikregeln wie Beamte. Mindestens eine Person habe weiterhin Verbindungen zu einem Privatunternehmen, was das Risiko von finanziellen Interessenkonflikten, unsachgemäßer Handhabung sensibler Daten (etwa Sozialversicherungsnummern, Bankkonten) und möglicher Sicherheitslücken gegenüber Gegnern erhöhe. Mit dieser Person gemeint ist Elon Musk.
Cybersecurity- und Infrastrukturrisiken: Die mangelnde Erfahrung dieser ernannten Personen im Umgang mit Finanzinfrastrukturen könne sensible Regierungssysteme gefährden und zu Ausfällen oder Sicherheitslücken führen.
Unrechtmäßige politische Kontrolle über Bundeszahlungen: Die offensichtlichen Versuche der Regierung, willkürlich zu entscheiden, welche vom Kongress genehmigten Zahlungen ausgeführt werden und welche nicht, bedrohen das verfassungsrechtliche Prinzip, dass nur der Kongress die Staatsausgaben kontrolliert.
Gefährdung staatlicher Leistungen und Sozialprogramme: Eingriffe in das Zahlungssystem könnten zu Verzögerungen oder Ausfällen bei Sozialversicherungsleistungen, Veteranenrenten, Gesundheitsleistungen, Gehältern von Bundesangestellten und Soldaten sowie Zinszahlungen auf Staatsanleihen führen, was Millionen von Amerikanern betreffen würde.
Gefährdung der finanziellen Glaubwürdigkeit der USA: Jede selektive Aussetzung von Zahlungen käme einem Vertrauensbruch gleich und würde als eine Form des Zahlungsausfalls gewertet. Dies könnte die Glaubwürdigkeit und finanzielle Stabilität der US-Regierung sowohl national als auch international schwer beschädigen.
Diese Warnungen der fünf früheren Finanzminister sind nur die drastischsten in einer ganzen Reihe von immer drängender vorgetragenen Hilferufen in Amerika. Mit aller Entschlossenheit wollen Trump, Musk und Vance ihre Macht konsolidieren. Konfrontiert mit den anti-richterlichen Äußerungen seines Vizepräsidenten, sagte der US-Präsident Reportern in Washington zuletzt nur: "Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Wissen Sie es denn?"
- Eigene Recherchen und Überlegungen
- nytimes.com: "Five Former Treasury Secretaries: Our Democracy Is Under Siege" (englisch)
- X-Profile von JD Vance und Elon Musk (englisch)