Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trump-Fanatiker wähnen sich im "Endkampf" "Alles worauf wir warten, ist ein Befehl"
Erstmals muss sich ein ehemaliger US-Präsident vor einem Bundesgericht verantworten. Und die Vorwürfe gegen Donald Trump wiegen schwer. Doch seine Fans beeindruckt das nicht: Von Propaganda aufgepeitscht drohen sie mit Gewalt.
Bastian Brauns berichtet aus Miami.
Zumindest auf den Straßen von Miami bleibt Donald Trump eine Legende. "Er ist ein echter Playboy. Trump lebt den Traum, von dem Jungs träumen." Mike erzählt das, während er einen frisch gemieteten silbergrauen Tesla fährt. Nur der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sei auch so ein Playboy gewesen. "Aber der hat seine Frau heimlich betrogen." Trump hingegen habe niemanden hintergangen, sondern immer dazu gestanden, schöne Frauen zu schätzen.
Während Mike vom Flughafen ins Zentrum von Miami fährt, erzählt er von seinem Onkel, der früher den Miss-Universe-Wettbewerb in der Stadt organisiert habe. "Drei Jachten hatte er hier liegen. Donald Trump war auch da. Mit einer blonden Skandinavierin, die eigentlich aussah wie seine heutige Frau. Wunderschön." Die Frauen würden vor diesem Wettbewerb immer mit den Juroren schlafen. In der Hoffnung, dann bessere Bewertungen zu bekommen. "Mein Onkel hatte die Miss Egypt", sagt Mike. "Ein bisschen zu dick, aber auch ganz schön."
Mike überlegt während der Fahrt, sich endgültig von seinem Mercedes zu verabschieden, auch wenn das Innendesign des Teslas seiner Meinung eine viel zu billige Anmutung hat. Die Probefahrten, die er für den Konzern von Elon Musk als Uber-Fahrer unternimmt, überzeugen ihn. "Trump ist wie Musk. Ein Geschäftsmann. Der weiß, wie es geht", sagt Mike. Musk baue in wenigen Monaten 30.000 Ladesäulen in den USA und Trump fackele auch nicht lange. "Das ist der wahre Grund, warum sie alles versuchen, um zu verhindern, dass er noch einmal Präsident wird."
"Sie ziehen jetzt wirklich alle Register"
"Sie", das sind für Mike die Demokraten. Der aktuelle Präsident Joe Biden und all jene, die das Land und die Wirtschaft seiner Meinung nach zugrunde richten. Und mit "alles versuchen" meint Mike die neuen 37 Anklagepunkte gegen Trump, denen er sich am Dienstag vor dem Bundesgericht in Miami erstmals stellen muss. Verschwörung, Geheimnisverrat, Behinderung der Justiz und vieles mehr. Noch nie wurde ein ehemaliger Präsident solch schwerer Verbrechen beschuldigt. Und auch noch nie ein Möchtegern-Präsidentschaftskandidat.
Ob Trump es diesmal schafft, sich irgendwie aus der Affäre zu ziehen? "Ich weiß es nicht. Sie ziehen jetzt wirklich alle Register", sagt Mike. Aber wenn Trump nicht noch mal kandidieren könne, dann mache das hoffentlich Ron DeSantis, der Gouverneur von Florida.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Der "Endkampf" gegen den "Deep State"
Mike ist bei Weitem nicht der Einzige in Miami, der so Trump-freundlich denkt. In der Stadt ist an vielen Orten zu spüren, dass die Bürger hier viel eher als etwa in New York oder Washington bereit sind, Trumps Erzählung von der eigenen Unschuld zu glauben. "Eigentlich sind sie hinter euch her", ruft Trump immer wieder bei seinen Auftritten. "Ich aber stelle mich ihnen entgegen. Und das werde ich immer tun", verspricht er seinen Anhängern. Es gehe jetzt um den "Endkampf".
Um Trump persönlich oder um seine tatsächlichen Vergehen geht es den Menschen in Miami und an vielen anderen Orten schon lange nicht mehr, sondern um das, wofür er vorgibt zu stehen. Es geht darum, ein seit vielen Jahren aufgebautes Feindbild aus angeblichen Kommunisten, Marxisten und Linksradikalen zu bekämpfen.
Diese Gruppen werden Trumps Erzählung nach von einem "Deep State" gelenkt, also von geheimnisvollen Eliten in Washington, die nur im eigenen Interesse, aber nicht im Interesse des Volkes handeln.
Dem Bundesgericht, also dem laut Trump von Linksradikalen unterwanderten Justizapparat, muss sich der Ex-Präsident an diesem Dienstag trotzdem stellen. Um 15 Uhr Ortszeit, also um 21 Uhr deutscher Zeit, soll es so weit sein.
Mit Aileen Cannon ist ausgerechnet eine Bundesrichterin zuständig, die Trump einst ernannt hatte. Sie scheint ihm gewogen. So wie es zumindest ein Teil der Jury sein dürfte, die aus Bürgern besteht. Bereits ein Geschworener reicht aus, um den bevorstehenden Prozess mit einem Nein wieder zu Fall zu bringen. Vor allem aber wird sich das Verfahren voraussichtlich so lange hinziehen, dass Trump schon wieder im Weißen Haus sitzen könnte. Dann genießt er Immunität.
Goldkettchen mit Maschinengewehren als Anhänger
Der Polizeichef von Miami, Manuel A. Morales, will sich auf bis zu 50.000 Demonstranten und Gegendemonstranten vorbereiten. Als Trump in Miami ankommt, ist die Lage allerdings noch entspannt. Vor seinem Luxus-Resort haben sich nur einige der treuesten Fans postiert. Darunter ist auch Patrick Decker, ein Mann mit langen, ausgeblichenen Haaren, Sonnenbrille und Baseballmütze.
Neben seinem knallroten Truck hat er einen kleinen Stand mit Trump-Devotionalien aufgebaut. Siegelringe und Dollar-Noten mit Trump-Konterfei. Und Goldkettchen mit halbautomatischen Maschinengewehren als Anhänger. Er verkauft sie und spendet nach eigenen Angaben 50 Prozent davon an Trumps Kampagne.
Aber Patrick Decker belässt es nicht beim Verkauf von Fanartikeln. Er ballt seine Faust und erklärt einem Mann mit Glatze, wie man jemandem am besten "auf die Fresse" schlägt. "Du musst deine Finger ganz eng einklappen und erst dann die Faust machen. Sonst zerhaut es dir beim Punch alle Knöchel. Ich scherze nicht." Der 6. Januar, der Tag des Sturms auf das Kapitol, sei nur ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Fall, dass Trump verhaftet werde, sagt er. "Wir sind bereit. Alles worauf wir warten, ist ein Befehl."
Für Decker ist das hier alles kein Spaß. Ständig schaut er sich auf dem Parkplatz um und wittert hinter den Windschutzscheiben wahlweise Leute von der CIA, dem FBI oder der Antifa. "Mein Sohn ist bei den Proud Boys. Die und die Oath Keepers kommen morgen in Stadt und passen auf. Das ist leider notwendig", sagt er. Proud Boys und Oath Keepers sind gewalttätige Rechtsextremisten, deren Anführer bereits mehrfach zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Einige Mitglieder haben tatsächlich zu Fahrten nach Miami aufgerufen.
"Nicht zulassen, dass sie Trump ein Haar krümmen"
Decker zeigt auf einen Mann, der hier als einziger kein Trump-Fan zu sein scheint, und zischt: "Schwuchtel". Er trägt einen schwarz-weiß gestreiften Sträflingsanzug. In seinen Händen ein Schild, auf dem steht "Lock him up" – eine Abwandlung von Trumps altem "Sperrt-sie-weg"-Spruch gegen Hillary Clinton. Genervt und auch ziemlich verwirrt stiefelt Decker davon. Er muss sich um die vermeintlichen Typen von der CIA und dem FBI kümmern.
Der Mann mit dem Schild heißt Domenic Santana. Er kommt ursprünglich aus Kuba. "Ich bin kein Demokrat, aber ich weiß, was richtig und was falsch ist und was sich gehört", sagt er. Beleidigt worden sei er schon den ganzen Nachmittag, aber er kenne seine Rechte. "Noch haben wir sie in diesem Land. Aber wer weiß, was kommt." Von den vorbeifahrenden Autofahrern an Trumps Resort hupen ihm immer wieder einige zu und heben den Daumen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Santana bleibt realistisch. Zwar wünsche er Trump eine harte Holzbank als Bett im Gefängnis, die habe er verdient. "Aber wir wissen, dass er die nicht bekommen wird." Was ihn fassungslos macht: Sogar seine Mutter habe keinen Sinn mehr für die Realität und würde Trump erneut wählen. Nach diesem Auftritt streift er seine Häftlingskluft ab, steigt ins Auto und braust davon.
Abseits dieser Scharmützel vor Trumps Resort heizen auch die Gehilfen des Ex-Präsidenten in Miami die Stimmung an. Die Politikerin Kari Lake aus Arizona hält eine Rede vor Anhängern. Vor einigen Tagen drohte sie unverhohlen mit Gewalt. "Wenn sie Präsident Trump erwischen wollen, dann müssen sie an mir und mehr als 75 Millionen Amerikanern vorbei", rief sie vor Trump-Fans. Und mit Blick darauf, wie viele Anhänger eine Waffe haben, sagte sie: "Wir werden nicht zulassen, dass sie Präsident Trump ein Haar krümmen."
- Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort