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"Willow Project" in den USA: So bricht Joe Biden sein Klima-Versprechen


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Umstrittenes Projekt in Alaska genehmigt
Biden lässt die Bombe hochgehen


Aktualisiert am 20.03.2023Lesedauer: 5 Min.
US-Präsident Joe Biden: Mit dem "Willow Project" bricht er sein Wahlkampfversprechen.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Joe Biden: Mit dem "Willow Project" bricht er sein Wahlkampfversprechen. (Quelle: REUTERS/Leah Millis)
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Klimaschützer liefen Sturm, nun ist die Genehmigung da: US-Präsident Joe Biden hat neue Ölbohrungen in Alaska genehmigt. Damit bricht er seine Versprechen.

Joe Biden wollte die USA wieder auf Spur bringen, es besser machen als sein Vorgänger Donald Trump: Keine neuen Öl- und Gasprojekte mehr auf staatlichem Grund, zurück zum Pariser Klimaabkommen, der Kampf gegen die Erderhitzung als oberste Priorität, versprach er im Wahlkampf 2020.

Diese Versprechen hat er nun einmal mehr gebrochen. Am vergangenen Montag hat die Biden-Regierung ein riesiges neues Ölförderprojekt im nördlichen Alaska genehmigt: "Willow". Weit über das Jahr 2050 hinaus wird das dort aus dem Boden gepumpte Öl Millionen Tonnen Treibhausgase verursachen. So zieht Biden Wut und Enttäuschung über Alaska hinaus auf sich.

Zum zweiten Mal genehmigt

Für die Geschichte hinter Projekt Willow muss man etwas ausholen. Ursprünglich wollte der texanische Energiekonzern Conoco Phillips mit fünf Bohrplatten im Norden Alaskas in Spitzenzeiten 180.000 Barrel pro Tag aus der Erde holen.

Mehr als 600 Millionen Barrel Öl sollten demnach über die erwartete Lebensdauer des Projekts, 30 bis 31 Jahre, gefördert werden. Gegenüber Investoren soll Conoco Phillips der "Washington Post" zufolge sogar von insgesamt bis zu 3 Milliarden Barrel gesprochen haben, die über die neue Infrastruktur erschlossen werden könnten. Zum Vergleich: 2021 produzierten die USA rund 100 Millionen Barrel Rohöl.

Das Gelände im Naturschutzgebiet "National Petroleum Reserve Alaska" gehört dem Staat. Allerdings hat es der Konzern bereits seit 1999 gepachtet. Bidens Vorgängerregierung unter Donald Trump hatte dem Projekt Willow schon die Genehmigung erteilt. Doch ein Bundesrichter kassierte diese 2021 wieder ein. Grund: Die Klimaauswirkungen seien nicht berücksichtigt worden.

Es folgte eine erneute Prüfung – und nun die abermalige Genehmigung, wenn auch nur für drei statt fünf Standorte. Am Tag zuvor hatte die US-Regierung zudem Öl- und Gasbohrungen im Arktischen Ozean eingeschränkt und Erschließungen von 5,26 Millionen Hektar Land im gleichen Gebiet verboten.

Jubel bei Konzern und Politik

Bei Conoco Philipps ist man dennoch erleichtert: Konzernchef Ryan Lance sprach von "der richtigen Entscheidung für Alaska und unser Land". Er betont die Vorteile, mit denen das Unternehmen das Vorhaben rechtfertigt: Stärkung der Energiesicherheit und -unabhängigkeit, 2.500 neue Arbeitsplätze während der Bauphase, 300 permanente in der Förderperiode, Wirtschaftsaufschwung und neue Infrastruktur für die Region.

Tatsächlich ist auf lokalpolitischer Ebene die Begeisterung groß – zumindest bei einigen. Der Bürgermeister des betroffenen Verwaltungsbezirks, Harry Brower Jr., ist Befürworter des Projekts: "Wir haben bessere Schulen, Krankenhäuser, Notdienste, Straßen und eine viel höhere Lebenserwartung", zählte er bereits vor Genehmigung des Projekts auf.

Vorangetrieben hatte das Projekt Willow auch die republikanische Senatorin Lisa Murkowski. "Wir haben es endlich geschafft, Willow ist endlich wieder zugelassen, und wir können förmlich spüren, wie sich Alaskas Zukunft dadurch aufhellt", feierte sie die Entscheidung. Nicht zuletzt verspricht der Konzern staatliche Profite zwischen 8 und 17 Milliarden US-Dollar (7,4 bis 15,8 Milliarden Euro) für die US-Regierung, den Staat Alaska, die Region und die Gemeinden.

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Gespaltene indigene Bevölkerung

Die indigene Bevölkerung in der Region ist derweil gespalten: Die Gruppe "Voice of the Arctic Iñupiat" befürwortet das Projekt. Der Vorsitzende, Nagruk Harcharek, dankte Biden für die Genehmigung: "Das Willow-Projekt ist eine neue Gelegenheit, eine lebensfähige Zukunft für unsere Gemeinschaften zu sichern, wirtschaftliche Stabilität für unser Volk über Generationen hinweg zu schaffen und unsere Selbstbestimmung zu fördern."

Doch in dem 550-Einwohner-Dorf Nuiqsut ist nun die Enttäuschung groß. Noch im Januar hatte sich die Gemeinde gegen das Projekt gestellt. In einem Brief kritisierten Vertreter die Behörden und den Genehmigungsprozess, der sich lediglich darauf konzentriert habe, die Genehmigung zu erteilen, statt tatsächlich die Folgen abzuwägen. Der Vorwurf: Parteilichkeit.

Die Sorgen der indigenen Anwohner seien ignoriert worden – zum Beispiel betreffend der Karibu-Herde am Teshekpuk-Lake, deren Lebensraum durch die neuen Straßen zerschnitten würde. Die Herde und ihre Jagd sei für die Bewohner von Nuiqsut jedoch überlebenswichtig. Das Innenministerium in Washington will nun für über 275 Quadratkilometer Land die Pachtverträge aufkündigen und so die Karibus schützen.

"Keine Geldsumme rechtfertigt die Kosten"

Bei der Organisation "Sovereign Iñupiat for a Living Arctic" ("Souveräne Iñupiat für eine lebendige Arktis"), der auch die Bürgermeisterin von Nuiqsut angehört, ist man dennoch entsetzt. "Keine Geldsumme rechtfertigt die Kosten für die lokale Bevölkerung und den Planeten", schreibt die indigene Umweltorganisation in Reaktion auf das Urteil. Schon jetzt sei Nuiqsut umgeben von der Ölindustrie, schon jetzt seien lokale Jagd- und Fischereigründe schwer geschädigt, schon jetzt seien unter den Inuit chronische Krankheiten, Krebs und Atemwegserkrankungen verbreiteter als im Durchschnitt der Bevölkerung.

Tatsächlich hat das Dorf erst im vergangenen Jahr erlebt, was die Nähe zu Ölbohrungen bedeuten kann: Im März war bei einem benachbarten Projekt, ebenfalls betrieben von Conoco Phillips, Methan ausgetreten. Drei Viertel der Mitarbeiter mussten das Gelände verlassen, auch 20 Familien aus Nuiqsut ergriffen die Flucht.

Kohlenstoff-Bombe Willow

Auch deswegen laufen Umwelt- und Klimaschützer schon seit Monaten unter dem Hashtag "Stop Willow" Sturm gegen das Projekt. Die Biden-Regierung veranschlagt, dass das geförderte Öl 9,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr verursachen könnte – so viel wie jährlich 2 Millionen Verbrenner-Autos.

Bei Öl- und Gasbohrungen tritt zudem Methan aus, das rund 25 Mal klimaschädlicher ist als CO2. Der Umweltorganisation Earth Justice zufolge dürfte es nicht viel ändern, von fünf auf drei Bohrstandorte zu reduzieren: 92 Prozent des vorab von Conoco Phillips veranschlagten Öls könnten so trotzdem gefördert werden.

Earth-Justice-Vorsitzende Abigail Dillen kritisiert daher Biden direkt: "Wir wissen, dass Präsident Biden die existenzielle Bedrohung durch das Klima versteht, aber er genehmigt ein Projekt, das seine eigenen Klimaziele zunichtemacht." Die Menschheit befinde sich zu weit in der Klimakrise, als dass massive neue Öl- und Gasprojekte genehmigt werden könnten.

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Auch die Internationale Energiebehörde sieht in ihren Berechnungen keinen Spielraum mehr für derartige Unterfangen, sollen die Pariser Klimaziele eingehalten werden. Denn um die Erderhitzung tatsächlich auf 1,5, maximal zwei Grad zu begrenzen, und so den katastrophalen Auswirkungen Einhalt zu gebieten, müsste die Welt den Wissenschaftlern des Weltklimarats zufolge bis 2050 auf netto null Emissionen kommen.

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Neue Vorhaben, die diese Ziele zunichtemachen und über ihre Laufzeit mehr als eine Milliarde Tonnen CO2 verursachen, werden von Umweltschützern daher auch als Kohlenstoff-Bomben bezeichnet – wie nun das Projekt Willow. Mehrere Organisationen kündigten daher an, gegen die Entscheidung Bidens klagen zu wollen.

Die Erderhitzung wird derweil auch für das Projekt Willow schon jetzt zum Problem: Der Permafrostboden in der arktischen Tundra taut. Damit Bohrtürme und Infrastruktur nicht absacken, rechnet Conoco Phillips damit, den Boden künstlich kühlen zu müssen – während der Konzern selbst dazu beiträgt, die Klimakrise zu verschärfen.

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