Ungarns Ministerpräsident in Texas Jetzt hetzt Orbán Amerika auf
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In den USA hetzt Viktor Orbán gegen Liberale und "Globalisten". Die Republikaner will er lehren, wie sie so erfolgreich sein können wie er in Ungarn.
Viktor Orbán ist nach Texas gekommen, um eine Schulstunde für die Rechten in den USA abzuhalten. "Vielleicht kann unsere Geschichte Ihnen helfen, damit Amerika großartig bleibt", ruft der ungarische Ministerpräsident seinen Hunderten zahlenden Zuhörern in Dallas zu. Die jubeln und lassen sich gerne von diesem Mann aus Europa belehren, der ihrer Ansicht nach als Einziger auf dem alten Kontinent die richtige Politik macht.
In Texas läuft gerade die "Conservative Political Action Conference" (CPAC), ein halbjährlich veranstaltetes Treffen von Amerikas Rechtskonservativen. Trumpisten, QAnon-Anhänger und die religiöse Rechte lauschen dort drei Tage lang den Reden ihrer Idole. Die CPAC ist aber auch eine Vernetzungsplattform der internationalen Rechten.
Im Mai gab es das Format schon in Orbáns Hauptstadt Budapest, wie Sie hier nachlesen können. Im Juni fand CPAC in São Paulo statt, wo Eduardo Bolsonaro, ein Sohn des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro, mitmischte. Im Juli gab es dann sogar eine Version in der israelischen Hauptstadt Jerusalem. CPAC entwickelt sich immer mehr zu einer Franchise-Marke des internationalen Rechtskonservatismus.
Ungarn, der "Lone Star State Europas"
Orbán bestätigt seine Schüler in Dallas nur zu gerne in ihrer Meinung. "Ich bin der einzige politische Führer gegen Migration auf unserem Kontinent. Ein Vater von fünf Kindern und Großvater von fünf Enkelkindern. Der Führer eines Landes, das Tag für Tag unter der Belagerung progressiver Liberaler steht", sagt er.
Orbán spricht von "Freiheit, Unabhängigkeit und Souveränität". Ungarn habe damit viel mit Texas gemeinsam, jenem US-Bundesstaat, der aufgrund seines einzelnen Sterns in der Flagge als "Lone Star State" bezeichnet wird. "Mein Land, Ungarn, ist der Lone Star State Europas", sagt er. Die EU befinde sich unter der Fuchtel seines Opponenten, dem jüdischen Milliardär George Soros. "Er hat eine Armee, die ihm dient", sagt Orbán. Dazu habe er "Geld, NGOs, Universitäten, Forschungseinrichtungen und die halbe Bürokratie in Brüssel." Dass Ungarn hinter Polen und Griechenland am meisten Geld von der EU bezieht, lässt er in Dallas unter den Tisch fallen.
Antisemitische Verschwörungsideologien
Ungarns Ministerpräsident bedient mit seiner Erzählung nicht zum ersten Mal ein antisemitisches Klischee: die jahrhundertealte Lüge, dass die Welt von jüdischem Geld beherrscht werde. Er verbindet diese altbekannten Andeutungen mit wirren Ideen: "Die Schrecken des Nationalsozialismus und des Kommunismus" seien nur möglich gewesen, weil einige westliche Staaten in Kontinentaleuropa ihre christlichen Werte aufgegeben hätten. "Die heutigen Progressiven planen dasselbe", macht Orbán den Anwesenden Angst.
Jetzt befinde sich der Westen im Krieg mit sich selbst. "Wir haben gesehen, welche Art von Zukunft die globalistische herrschende Klasse zu bieten hat." Er und seine Verbündeten aber hätten eine andere Zukunft im Sinn. "Die Globalisten können alle zur Hölle fahren, ich hingegen bin nach Texas gekommen!", ruft Orbán und genießt den ausbrechenden Jubel. Den Begriff "Globalisten" gebrauchen Judenhasser als Chiffre für eine angebliche Weltverschwörung. "Wir brauchen eine totale Verteidigung", fährt Orbán fort und es klingt wohl nicht zufällig nach dem "totalen Krieg", den Joseph Goebbels 1943 im Berliner Sportpalast forderte.
Die drei Säulen des Viktor Orbán
Der ungarische Ministerpräsident buchstabiert Säule für Säule durch, wie er sich eine erfolgreiche Zukunft für die USA vorstellt. Nämlich so, wie er selbst sie in Ungarn habe Realität werden lassen. "Nation, Christentum und Familie" heißen seine drei Säulen:
- Nation: Dazu gehören geschlossenen Grenzen, nicht für Ukrainer, aber für die Hunderttausenden Flüchtlinge, die 2015 nach Europa kamen. Orbán vergleicht sie mit einfallenden wilden Horden. "Das sind fast dreimal so viele wie Dschingis Khan hatte, als er in Europa einmarschierte", sagt er.
- Christentum: Wer an Gott glaube, so Orbán, der glaube daran, dass der Mensch nach Gottes Ebenbild geschaffen worden sei. Darum müsse man mutig sein, um auch "die heikelsten Fragen" anzusprechen. Er redet von Migration, Geschlechterfragen und dem angeblichen Kampf der Kulturen. "Keine Sorge", ruft Orbán, "ein christlicher Politiker kann nicht rassistisch sein." Es seien die christlichen Werte, die ihn und seine Mitstreiter davor bewahren würden, "zu weit zu gehen."
- Familie: Aus einer reaktionär ausgelegten christlichen Ideologie heraus leitet Orbán dann auch seine Vorstellung von Familie ab. Schwule und lesbische Paare haben darin keinen Platz – schon gar nicht mit Kindern. "Familiäre Bindungen beruhen auf der Ehe oder der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, sagt er und konkretisiert: "Eine Mutter ist eine Frau, der Vater ein Mann." Dann ruft er: "Lasst unsere Kinder in Ruhe!"
Der letzte Punkt reißt seine Zuhörer schließlich von den Stühlen. Es ist der Moment, in dem Orbán in Dallas zum ersten Mal Standing Ovations bekommt. Orbán setzt auf eine Angst, die autoritäre Regime überall auf der Welt gerne schüren. Liberale würden mit ihren Forderungen nach Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung das Kindeswohl gefährden. Es brauche "weniger Dragqueens und mehr Chuck Norris" witzelt der ungarische Ministerpräsident, einmal mehr auf Kosten von vermeintlich schwächlich-verweichlichten Minderheiten.
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Orbán fordert starke Führer
Von Donald Trump spricht Viktor Orbán während seiner Rede nur einmal. Er freut sich darüber, dass Trump ihn bei seiner Wiederwahl im April unterstützt hat. Zuvor hatte ihn der Ex-US-Präsident in dessen Golfressort empfangen. Ein weiteres Mal deutet Orbán Trump noch an, als er etwas zum Thema Ukraine sagen will.
"Wir müssen über den Krieg reden", sagt Orbán. Die Ukraine sei ein Nachbar Ungarns und man sei voller Solidarität. Orbán spricht zwar vom "Angriff Russlands", dann schiebt er aber hinterher: "Meiner Meinung nach eskaliert und verlängert die Strategie der globalistischen Anführer den Krieg und verringert die Chance auf Frieden." Dann bringt er Trump zumindest indirekt ins Spiel. Ohne amerikanisch-russische Gespräche werde es in der Ukraine niemals Frieden geben. "Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie tun sollen. Es ist Ihre souveräne Entscheidung", sagt Orbán.
Aber eines könne er sagen. "Nur starke Führer sind in der Lage, Frieden mit der gesamten Nachbarschaft zu schließen." Die Ukraine brauche dringend starke Führer, die in der Lage seien, ein Friedensabkommen auszuhandeln. "Wir brauchen ein starkes Amerika mit einem starken Führer." Der ungarische Präsident schließt damit nahtlos an die Erzählung Trumps an, dass es den russischen Angriffskrieg bei dessen Wiederwahl nicht gegeben hätte.
Schon bevor er mit seiner Rede in Dallas begann, sorgte Orbán vor. Er wisse ohnehin schon, was die angeblich linken Medien über seinen Auftritt schreiben würden: "Ich sehe schon die Schlagzeilen von morgen." Er würde ohnehin als "ganz rechter, europäischer Rassist und Antisemit" dargestellt. Alles Fake News. Natürlich.
- Eigene Beobachtungen vor Ort
- washingtonexaminer.com: "Trump meets with Hungarian Prime Minister Orban ahead of Texas CPAC"(englisch)