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Giftanschlag: Welche Rolle spielt Abramowitsch in dem Prozess?


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Russisch-ukrainische Verhandlungen
Oligarch Abramowitsch in seiner undurchsichtigsten Rolle


Aktualisiert am 29.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Roman Abramowitsch am Rande der Verhandlungen in Istanbul: Welche Rolle spielt der Oligarch bei den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine.Vergrößern des Bildes
Roman Abramowitsch am Rande der Verhandlungen in Istanbul: Welche Rolle spielt der Oligarch bei den Gesprächen zwischen Russland und der Ukraine. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Europas bekanntester russischer Oligarch soll über den Frieden in der Ukraine mitverhandeln. Nun wird sogar über einen Giftanschlag auf ihn berichtet. Welche Rolle er in dem Prozess spielt, ist aber völlig unklar.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht über einen mutmaßlichen Giftanschlag auf Roman Abramowitsch am Montag. Das "Wall Street Journal" schien mit seinem Bericht schlimmste Befürchtungen zu bestätigen. Der Kreml unter Russlands Machthaber Wladimir Putin verfolgt seine Gegner im In- und Ausland seit Langem brutal. Die Liste der Anschlagsopfer durch seine Geheimdienste ist lang. Wenig überraschen würde da ein Attentat auf einen Verhandler im Ukraine-Krieg, wenn auch wenig später Dementis folgten.

Abramowitschs Flüge

Denn diese Rolle soll Abramowitsch angeblich derzeit spielen. Von Belarus nach Kiew, von Kiew nach Moskau und Istanbul soll er Botschaften getragen haben, um den Krieg zu einem Ende zu bringen. Schon seit Beginn der russischen Invasion hielten sich diese Gerüchte, die immer mal wieder auch durch öffentlich einsehbare Flugdaten seiner Privatjets neue Nahrung erhielten. Wie und warum Abramowitsch zu der Position kam, blieb weitgehend unklar.

Berichten zufolge geht seine Verwicklung auf ein Gesuch des ukrainischen Präsidenten zurück. Der Kontakt sei über einen israelischen Filmproduzenten zustande gekommen. Dort weilt Abramowitsch nämlich mitsamt Staatsbürgerschaft, seit Großbritannien 2018 ankündigte, den finanziellen Hintergrund ausländischer Investoren strenger prüfen zu wollen.

Die Vergangenheit des Fußball-Mäzens

Der Oligarch, der vielen nur als Mäzen des Traditionsclubs FC Chelsea bekannt ist, hätte möglicherweise Gründe solchen Kontrollen entgehen zu wollen, auch wenn er das stets dementiert hat. Zumindest die Schweizer Bundespolizei sah ihn einst jedenfalls als "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit", sollte er seinen Wohnsitz dorthin verlegen. Grund seien mutmaßliche Kontakte zu kriminellen Organisationen in Russland und Verdachtsmomente für Geldwäsche. Beides wäre für im Russland der Neunzigerjahre reich gewordene Oligarchen keine Seltenheit.

In den Jahren nach dem Zerfall der Sowjetunion zerbrach dort das staatliche Gewaltmonopol. Wer in Russland Geschäfte machte, musste für seine Sicherheit selbst sorgen – und für die meisten übernahmen das kriminelle Organisationen, die sich um die Verteilung der unermesslich scheinenden Reichtümer der gescheiterten Planwirtschaft blutige Auseinandersetzungen lieferten. In diesen Jahren übernahm Abramowitsch ehemals staatliche Betriebe und baute darauf ein weit verzweigtes Firmenimperium, das er später nach und nach mit großem Gewinn wieder veräußerte.

"Sag Ihnen, ich werde sie vernichten"

Sein Aufstieg fiel in die Zeit des Machtübergangs von Boris Jelzin zu Wladimir Putin, als dessen Wegbereiter Abramowitsch deswegen bis heute gilt. Diese Nähe könnte ihn als Vermittler attraktiv gemacht haben. Viele Beobachter vermuten jedoch: Durch das Engagement könnte er vor allem darauf spekulieren, gegen ihn verhängte Sanktionen zu überwinden. Konten und Immobilienwerte wurden eingefroren. Das tatsächliche Ausmaß seiner Friedensbemühungen und ihr Effekt bleibt jedenfalls vorerst nebulös.

Eine der von ihm überbrachten Botschaften soll Putin der "Times" zufolge mit den Worten zerrissen haben: "Sag Ihnen, ich werde sie vernichten." Der Kreml dementierte Berichte, Abramowitsch spiele eine wichtige Rolle in den Verhandlungen. So nimmt er auch an der derzeitigen Verhandlungsrunde in Istanbul teil. Die dortigen Gespräche fielen bislang allerdings eher dadurch auf, wenig Ergebnisse zu zeigen, dem russischen Außenminister aber eine Bühne für Propaganda zu bieten.

Dementi aus Kiew

In diese Gemengelage fällt nun der mutmaßliche Giftanschlag auf Abramowitsch und mehrere ukrainische Unterhändler, zu dem die Informationslage ebenfalls dürftig ist. Während das in diesem Bereich enorm erfahrene Rechercheportal "Bellingcat" den Bericht des "Wall Street Journal" bestätigte, wiegelten in anderen Medien US-Geheimdienstler ab – und auch aus der Ukraine folgten Dementis.

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Verhandlungsführer Rustem Umerov schrieb auf Twitter, es gehe ihm gut, man solle keinen unverifizierten Informationen glauben – es herrsche auch ein Informationskrieg. Ein Sprecher des ukrainischen Präsidenten sagte dem "Guardian", es gebe viele Spekulationen, aber nur offizielle Informationen seien zu empfehlen. Die Spekulationen kommen allerdings nicht von ungefähr.

Angesichts der langen Liste der durch Giftanschläge ermordeten Kremlgegner waren die Verhandlungen von Beginn an überschattet von der Sorge, die russische Seite könne die Treffen für die Umsetzung ihrer Mordpläne nutzen. Immerhin waren zu diesem Zeitpunkt immer wieder gezielte Anschläge auf Wolodymyr Selenskyj durch russische Spezialeinheiten vereitelt worden. Sein Tod galt als oberstes Kriegsziel des Kreml.

Ein Glas Wasser in Homel

Entsprechend symbolträchtig wirkte ein Bild der ersten Verhandlungsrunde im belarussischen Homel, wo der dortige Putin-Verbündete Alexander Lukaschenko für die Sicherheit der Teilnehmer garantieren wollte.

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Auf dem Bild vom 28. Februar sind die russische und die ukrainische Delegation an einem vom Gastgeber drapierten Tisch zu sehen. Das bemerkenswerte Detail: Einer der ukrainischen Delegationsteilnehmer gießt seinem Gegenüber aus dem von Belarus bereitgestellten Wasser ein – während die russischen Teilnehmer die Szene offenbar gespannt verfolgen.

Um die Beratungen entspannte sich in den Folgetagen ein Geheimdienstkomplott, das bislang nicht aufgeklärt ist. Den neuen – und dementierten – Berichten zufolge klagten ukrainische Teilnehmer nach einer weiteren Runde in Kiew am 3. März über Beschwerden, die als Folge eines chemischen Kampfstoffs identifiziert wurden. Am 6. März berichteten ukrainische Medien dann über den Tod eines ukrainischen Delegationsteilnehmers unter weitgehend ungeklärten Umständen.

Angeblich soll es sich bei Denis Kireev um einen russischen Spion gehandelt haben, der vom ukrainischen Sicherheitsdienst im Kampf getötet wurde. Er habe wahrscheinlich Informationen an Russland weitergegeben und sei des Hochverrats verdächtigt worden. Der ukrainische Geheimdienst GUR gab allerdings an, Kireev habe an einer Spezialoperation teilgenommen und sei dabei ums Leben gekommen. Beide Berichte sind nicht überprüfbar und es ist unbekannt, ob sie in Zusammenhang mit dem möglichen Giftanschlag stehen könnten.

Roman Abramowitsch ist derweil heute wieder bei den Verhandlungen in Istanbul dabei gewesen. Dort wurde seitens des Kremls eine "radikale" Reduzierung der Offensive im Raum Kiew verkündet. Schon zuvor hatte der Kreml offenbar aufgrund schwerer militärischer Niederlagen angekündigt, sich auf die Eroberung des Donbass fokussieren zu wollen. Fotos der Nachrichtenagentur Reuters zeigen Abramowitsch im Gespräch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Wie seine Rolle im Detail aussieht, bleibt also vorerst unklar. Er spielt sie aber weiterhin. Der ukrainische Außenminister warnte dem "Guardian" zufolge alle Teilnehmer zuvor, etwas zu essen oder zu trinken oder Oberflächen zu berühren.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Wall Street Journal: "Roman Abramovich and Ukrainian Peace Negotiators Suffer Suspected Poisoning" (engl./Bezahlschranke)
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