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Putsch im Sudan: USA frieren Millionenhilfe ein – UN hält Dringlichkeitssitzung


Putsch im Sudan
Aufruf zu Generalstreik – UN hält Dringlichkeitssitzung

Von afp, dpa
Aktualisiert am 26.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Putsch im Sudan: Eine Demonstrantin zeigt das Siegeszeichen, während Tausende auf die Straße gehen, um die Machtübernahme durch das Militär zu verurteilen.Vergrößern des Bildes
Putsch im Sudan: Eine Demonstrantin zeigt das Siegeszeichen, während Tausende auf die Straße gehen, um die Machtübernahme durch das Militär zu verurteilen. (Quelle: Ashraf Idris/AP/dpa)

Noch vor ein paar Monaten wurde der Sudan für den friedlichen Wandel im Land international gefeiert. Doch nun beansprucht das Militär die Macht für sich. Ist der Traum von der Demokratie vorbei?

Nach dem Militärputsch im Sudan haben Ärzte und Beamte zum zivilen Widerstand durch einen Generalstreik aufgerufen. Man werde sich aus allen Krankenhäusern des Landes zurückziehen und nur noch Notfälle behandeln, kündigte der Ärzteverband Sudan Doctors Central Committee in der Nacht zum Dienstag auf seiner Facebook-Seite an. Aus den Militärkrankenhäusern werde man sich komplett zurückziehen, hieß es weiter. Mitarbeiter der Ministerien, Verwaltung und Zentralbank kündigten in der Nacht einen Generalstreik an.

Nach der Machtübernahme des Militärs in dem ostafrikanischen Land mit rund 44 Millionen Einwohnern will der UN-Sicherheitsrat sich am Nachmittag New Yorker Zeit in einer Dringlichkeitssitzung mit der Lage beschäftigen. Der höchste Militärvertreter im Sudan, General Abdel Fattah al-Burhan, hatte am Montag die Entmachtung der zivilen Regierungsmitglieder verkündet und einen Ausnahmezustand verhängt. Das Internet, das Mobilfunknetz und Teile des Festnetzes sind seit Montagmorgen gestört, die meisten Menschen können keine Anrufe mehr tätigen.

Der Verbleib des Ministerpräsidenten Abdullah Hamduk, der seit August 2019 gemeinsam mit Al-Burhan an der Spitze der Übergangsregierung stand, ist ungeklärt. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen hat das Militär die Kontrolle über die Hauptstadt Khartum übernommen. Der Flughafen, Brücken und das Staatsfernsehen seien in der Hand der Streitkräfte und die Eingänge in die Stadt versperrt.

Hilfszahlungen ausgesetzt

Angesichts der Machtübernahme durch das Militär im Sudan setzt die US-Regierung Hilfszahlungen für das ostafrikanische Land vorerst aus. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, sagte am Montag in Washington, Hilfen in Höhe von 700 Millionen US-Dollar, die für die Unterstützung des demokratischen Übergangs im Sudan geplant gewesen seien, würden zunächst gestoppt.

Price forderte, das Militär des Landes müsse alle festgesetzten politischen Akteure umgehend freilassen, die zivil geführte Übergangsregierung vollständig wieder herstellen und von jeglicher Gewalt absehen. Der UN-Sicherheitsrat wird voraussichtlich am Dienstagnachmittag eine nicht-öffentliche Dringlichkeitssitzung abhalten. Beantragt wurde die Sitzung demnach von Großbritannien, Irland, Norwegen, den USA, Estland und Frankreich.

Das Militär im Sudan hatte zuvor bei einem Putsch die Macht an sich gerissen. Sudans oberster General, Abdel Fattah al-Burhan, hatte im Staatsfernsehen die Übergangsregierung sowie den Souveränen Übergangsrat für aufgelöst erklärt und die Bildung einer neuen Regierung mit "kompetenten Personen" angekündigt. Der abgesetzte Ministerpräsident Abdalla Hamdok sowie weitere zivile Mitglieder seiner Regierung würden vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten.

Mit den Maßnahmen wolle er "den Kurs der Revolution korrigieren", sagte al-Burhan in seiner Ansprache. Er versicherte zugleich, noch immer "einen Übergang zu einem zivilen Staat und freie Wahlen im Jahr 2023" zu unterstützen – obwohl er alle dafür Verantwortlichen ihrer Aufgaben entband. Der Sudan werde sich zudem an internationale Abkommen halten.

Tote und Verletzte bei Protesten

Das Informationsministerium sprach von einem "Putsch". Im ganzen Land waren demnach die Internetdienste unterbrochen und wichtige Straßen und Brücken gesperrt. Hamdoks Büro forderte die Bevölkerung auf, mit "allen friedlichen Mitteln" zu demonstrieren, um "ihre Revolution von den Dieben zurückzuholen".

Ein Mediziner-Verband in der Hauptstadt Khartum sprach am Montagnachmittag von "drei Toten und mehr als 80 Verletzten" durch Schüsse von Soldaten bei den Protesten.

In Khartum versammelten sich Demonstranten und blockierten Straßen, wie Reporter berichteten. "Wir werden die Militärherrschaft nicht akzeptieren und sind bereit, unser Leben für den demokratischen Übergang zu opfern", sagte ein Demonstrant. Vor dem Armeehauptquartier schossen Soldaten in die Menge. Auch in der Nacht wurden die Proteste fortgesetzt.

Maas nennt Lage im Sudan "bestürzend"

International gab es heftige Kritik. "Ich fordere die Streitkräfte auf, die Festgenommenen unverzüglich freizulassen", erklärte der UN-Beauftragte für den Sudan, Volker Perthes, auf Twitter. UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den "Militärputsch" und forderte die "sofortige Freilassung von Regierungschef Hamdok" sowie die Achtung der "Verfassungscharta".

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) nannte Berichte über den Putschversuch "bestürzend". Das Auswärtige Amt rief deutsche Staatsbürger im Sudan auf, sich an einen sicheren Ort zu begeben und Menschenansammlungen zu vermeiden. Einer Ministeriumssprecherin zufolge befand sich eine "niedrige dreistellige Zahl" Deutscher in dem nordafrikanischen Land.

Im Sudan hatte nach dem Sturz von Machthaber Omar al-Baschir 2019 ein sogenannter Souveräner Rat die Regierungsgeschäfte übernommen, in dem sich Militärs und Zivilisten die Macht teilen. Seitdem befindet sich das Land in einer fragilen Übergangsphase, die 2023 mit der Einsetzung einer zivilen Regierung enden sollte. Eine hohe Inflation, wirtschaftliche Probleme und tiefe politische Spaltungen verschärfen die Lage.

In der vergangenen Woche waren Zehntausende Sudanesen in mehreren Städten auf die Straße gegangen, um die vollständige Machtübergabe an die Zivilbevölkerung zu fordern. Andere Demonstranten verlangten hingegen bei einer mehrtägigen Sitzblockade vor dem Präsidentenpalast in Khartum eine Rückkehr zur "Militärherrschaft".

"Es wäre eine Katastrophe, wenn der Sudan nach Jahrzehnten der Diktatur nun die Uhr zurückdrehen würde", sagte die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und afp
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