Völkermord im Bosnien-Krieg Lebenslange Haft für Serben-General Mladic bestätigt
Als General der bosnisch-serbischen Armee befehligte er das Massaker von Srebrenica und war an weiteren Kriegsverbrechen beteiligt. Nun steht fest: Radko Mladic kommt nie mehr frei.
Es ist ein historisches Urteil: Fast 26 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica bestätigte das UN-Kriegsverbrechertribunal die lebenslange Haftstrafe für den serbischen Ex-General Ratko Mladic. Seine Schuld an den Gräueltaten im Bosnienkrieg sei zweifelsfrei erwiesen, urteilten die Richter in Den Haag am Dienstag. Sie folgten damit dem Urteil der ersten Instanz von 2017. Mladics Berufung wurde abgewiesen.
Mit dem 78-Jährigen Madlic ist weltweit vor allem ein Bild verbunden: Ein bulliger Mann im Kampfanzug, das Haar millimeterkurz geschoren, verteilt Schokolade an Kinder, beruhigt weinende Frauen. Nur wenig später wird derselbe Mann befehlen, die Väter dieser Kinder zu töten. Die Männer, Söhne, Brüder der Frauen. Es ist der 11. Juli 1995, der Völkermord von Srebrenica beginnt. Etwa 8.000 muslimische Männer und Jungen werden in den Tagen danach von Mladics Männern ermordet.
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Der Ex-General, auch "Schlächter von Bosnien" genannt, ist einer der Haupttäter der Gräueltaten im Bosnien-Krieg (1992-1995) mit etwa 100.000 Toten und Millionen Vertriebenen. Auch das Berufungsgericht sah seine Schuld zweifelsfrei als erwiesen an. Er wird den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen, wie auch sein politischer Weggefährte. Der frühere Serbenführer Radovan Karadzic war im März 2019 bereits wegen des Völkermords von Srebrenica zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Chefankläger Serge Brammertz begrüßte am Dienstag das Urteil und mahnte in Richtung Mladic' Anhänger: "Es ist Zeit, die Wahrheit zu akzeptieren." Mladic sei einer der "berüchtigtsten Kriegsverbrecher der modernen Geschichte". US-Präsident Joe Biden sprach von einem "historischen Urteil". "Es stärkt auch unsere gemeinsame Entschlossenheit, künftige Gräueltaten überall auf der Welt zu verhindern." EU-Ratspräsident Charles Michel sprach von einem wichtigen Schritt für Gerechtigkeit für die Opfer.
"Historischer Tag für den Balkan, Europa und die Welt"
Mladic war erst 2011 gefasst und dem Tribunal übergeben worden. 16 Jahre nach Kriegsende. Der Ex-General war zuvor jahrelang untergetaucht. Er wurde wie auch Karadzic für viele Opfer und Überlebende zur Symbolfigur des Grauens.
Auf dem Platz vor dem Gericht hatten sich schon Stunden vor der Urteilsverkündung Demonstranten versammelt, darunter Mütter einiger der damals getöteten Männer und Jungen. Es handele sich um einen "historischen Tag, nicht nur für uns Mütter, sondern für den gesamten Balkan, Europa und die Welt", sagte Munira Subasic vom Verband der Mütter von Srebrenica. Mladic sei "ein Monster", der seine Taten selbst 26 Jahre später noch immer nicht bereue.
Am Völkermord-Mahnmal in Srebrenica wurden anlässlich der Urteilsverkündung auf einer Großleinwand Zeugenaussagen über die Massaker gezeigt. "Anstatt mich an Enkeln zu erfreuen, bin ich hierher gekommen um zu weinen", sagte die 69-jährige Munevera Kabeljic, die die Gräber ihres Mannes und ihrer im Alter von 17 und 20 Jahren ermordeten Söhne besuchte.
Schwerstes Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs
Um Mladics persönliche Verantwortung für das Massaker von Srebrenica nachzuweisen, hatte die Staatsanwaltschaft im Berufungsverfahren Videoaufnahmen gezeigt, auf denen der damalige General beim Verteilen von Süßigkeiten an Kinder in Srebrenica zu sehen war, bevor diese mit ihren Müttern in Bussen weggebracht wurden. Unmittelbar darauf führten bosnisch-serbische Soldaten die Väter und Söhne der Familien ab und erschossen sie in einem nahegelegenen Wald.
Die systematische Hinrichtung der muslimischen Männer und Jungen war das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Ziel von Mladic und Karadzic und anderen war ein "ethnisch reiner serbischer Staat", urteilte das Gericht. Ihre Mittel: Terrorisierung der nicht-serbischen Bevölkerung bis hin zum Mord.
Mladic schüttelte mehrfach den Kopf
Es war der letzte Auftritt von Mladic vor dem Gericht. Vor Beginn der Sitzung gab er sich – gekleidet in einen dunklen Anzug mit blauem Schlips – betont locker. Er lachte und schnitt Grimassen zu den Fotografen, die Corona-Schutzmaske locker in der Hand. Doch während der Verlesung des Urteils blickte er fast unbewegt vor sich. Und als die Richterin seine Schuld von Srebrenica feststellte, schüttelte er mehrfach den Kopf. Als das Urteil gefallen war, schwieg er.
In den letzten Jahren hatte Mladic die Sitzungen oft zum Spektakel gemacht, die Richter angepöbelt oder einfach ignoriert. Für ihn war das UN-Gericht ein Instrument westlicher Mächte. Er hatte auch nie eine Schuld eingesehen. "Ich bin kein Heiliger, ich bin nur ein einfacher Mann", sagte er in seinem Schlusswort im vergangenen Jahr. "Das Schicksal hat mich in die Lage versetzt, mein Land zu verteidigen, das von westlichen Mächten zerstört wurde."
Mit diesem Urteil geht auch das letzte große internationale Srebrenica-Verfahren zu Ende. Doch bis heute werden die Täter verherrlicht, klagte Chefankläger Brammertz. Mladic sollte weltweit von allen führenden Politikern verurteilt werden. "Sein Name muss auf die Liste gesetzt werden zu den schlimmsten und barbarischsten Figuren der Geschichte."
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP