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Krieg in Syrien: Am Eingang der Hölle steht immer ein Mensch


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Krieg und Hunger in Syrien
Am Eingang zur Hölle steht immer ein Mensch


Aktualisiert am 15.03.2021Lesedauer: 6 Min.
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Zehn Jahre Syrien-Krieg: Aufnahmen aus dem Nahen Osten zeigen, wie Millionen von Menschen unter dem blutigen Bürgerkrieg leiden. (Quelle: t-online)

Zehn Jahre tobt der Bürgerkrieg in Syrien, ein Ende des Elends ist nicht in Sicht. Baschar al-Assad lässt sein Volk hungern, das Land bleibt ein Schlachtfeld.

In Syrien ist der Ausnahmezustand Alltag. Seit zehn Jahren tobt der blutige Bürgerkrieg, ein Großteil des Landes ist wieder in den Händen des Diktators Baschar al-Assad. Momentan gibt es zwar keine größeren Kämpfe, trotzdem ist das Leid der Bevölkerung allgegenwärtig. Hunderttausende harren in den Flüchtlingslagern aus, die Menschen fürchten Folter und Repressionen durch das Assad-Regime. Besonders schlimm trifft es die Kinder: Eine ganze Generation wächst ohne Schulbildung in einem Land auf, das in Trümmern liegt. Sie kennen nur den Todeskampf gegen Krieg und Hunger.

Durch die Corona-Krise findet der Syrien-Konflikt international immer weniger Beachtung, dabei hat sich die humanitäre Lage noch verschlimmert. Die erschreckenden Zahlen belegen das: Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte zählt mehr als 387.000 Tote. 5,6 Millionen Syrer flohen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks ins Ausland, vor allem in die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien. 6,7 Millionen Vertriebene leben noch in Syrien, viele von ihnen in Lagern.

Zehn Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges sind keine Anzeichen für eine politische Lösung des Konflikts zu erkennen. Assad und seine Anhänger gelten mittlerweile als Gewinner, weil sie wieder rund zwei Drittel des Landes kontrollieren. Während Russland, der Iran und die Türkei ihren Einfluss in dem Land festigen, scheint sich die internationale Gemeinschaft mit dem Verbleib Assads abgefunden zu haben.

Unter den Trümmern der syrischen Städte liegen die Ziele der Revolution von 2011 begraben – der Freiheitswunsch der Bevölkerung wurde vom Regime, Islamisten und den Fremdmächten im Land zerschlagen. Aber ein stabiler Frieden ist nicht in Sicht. De facto ist Syrien dreigeteilt: in Gebiete unter Kontrolle der Regierung, verschiedener Rebellengruppen und der Kurdenmiliz YPG, jeweils unterstützt von Truppen ihrer ausländischen Verbündeten.


Zwar ist die Gewalt zuletzt zurückgegangen, doch alle Gespräche über eine politische Lösung stehen still. Zahlreiche Mächte sind in den Konflikt involviert ihre Interessen sind so unterschiedlich, dass eine friedliche Lösung unmöglich erscheint. Ein Überblick:

Das Regime von Baschar al-Assad

Der Diktator sitzt politisch in Syrien fest im Sattel. Aus seinem zentralen Ziel hat er nie ein Geheimnis gemacht: Er will das gesamte Land wieder unter seine Kontrolle bringen. Deshalb erscheint ein Angriff der Regime-Truppen auf die letzte Rebellenprovinz Idlib nur eine Frage der Zeit.

Assad reagierte auf die Proteste im Jahr 2011, wie es typisch für die Herrschaft seiner Familie ist: Er schickte seine Truppen, die auf die Demonstranten schossen, erst mit Tränengas, dann mit echter Munition. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern, viele Syrer leben in Angst vor den Foltergefängnissen und der Geheimpolizei.

Aufgrund der Unterstützung durch Russland und den Iran muss Assads Armee militärisch keinen Angriff auf das zurückeroberte Gebiet befürchten. Sein zentrales Problem ist momentan die fundamentale Wirtschaftskrise des Landes. Er wird langfristig versuchen, die Sanktionen der Europäischen Union und der USA gegen das Regime loszuwerden – dafür sind auch Zugeständnisse gegenüber der Opposition bezüglich der neuen Verfassung möglich. Den Preis des Machtverzichts wird er allerdings nicht zahlen.

Autonome Kurdengebiete

Kurdische Milizen kontrollieren noch immer weite Teile des Nordens Syriens und auch wichtige Ölquellen mit Unterstützung der USA. Aus Angst vor einem Angriff durch die Türkei und Islamisten haben sich die Kurden mit Assad verbündet.

Die Hoffnung auf einen eigenen Staat auf syrischem Gebiet haben sie durch den Schulterschluss mit Assad zunächst aufgegeben, in einer Nachkriegsordnung hoffen sie jedoch auf mehr Autonomie. Für die Kurden – und speziell die Miliz YPG – war es der letzte Ausweg: Sie drohten im Osten von islamistischen Milizen, im Norden von der türkischen Armee und im Osten durch Auswüchse der Terrormiliz IS in einen Dreifrontenkrieg zu geraten.

Die Rebellenprovinz Idlib

Gemäßigte Rebellen gibt es in Syrien kaum noch. Die letzte Rebellenprovinz Idlib wird von islamistischen Gruppen beherrscht. Stärkste Kraft ist Hayat Tahrir al-Scham (HTS), früher der syrische Ableger des Terrornetzwerkes al-Qaida. HTS dominiert auch die zivile Verwaltung der Region, die sogenannte Regierung der Rettung.

Die Rebellen haben einen Großteil ihres Territoriums verloren, in der Provinz Idlib bekämpfen sich unterschiedliche islamistische Gruppierungen gegenseitig. Die letzte Bastion der Rebellen wurde lediglich noch nicht erobert, weil sie von der türkischen Armee geschützt wird.

Türkische Interessen in Syrien

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan verfolgt im Nachbarland Syrien unterschiedliche macht- und geopolitische Interessen. Ankara möchte seinen Einfluss als Regionalmacht ausbauen und mit am Verhandlungstisch sitzen, wenn es um die Zukunft Syriens geht.

Außerdem möchte die türkische Regierung die nördlichen Provinzen Afrin und Adlib als Puffer nutzen, damit nicht noch weitere Flüchtlinge über die türkisch-syrische Grenze strömen. Die Türkei nahm die meisten syrischen Flüchtlinge auf – mehr als 3,6 Millionen. Aber durch die Wirtschaftskrise im Land sinkt dafür das Verständnis innerhalb der türkischen Bevölkerung.

Letztlich wollte Erdoğan mit seinem Feldzug auch die Autonomiebestrebungen der Kurden bekämpfen, weil er ein Erstarken der Miliz PKK im eigenen Land befürchtete.

Für diese Ziele ging die Türkei das Risiko eines teuren Feldzuges ein. Gebiete der Islamisten sollen als türkisches Protektorat bestehen bleiben, als neuer Gazastreifen.

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Russland hat die Kontrolle

Der Kreml hat im syrischen Bürgerkrieg viel riskiert und letztlich hat der russische Präsident Wladimir Putin die Kontrolle über den Konflikt erlangt. Er schickte Kampfflugzeuge und Bodentruppen nach Syrien, in der Hoffnung, dass die Nato-Staaten nicht mit letzter Konsequenz ihre Unterstützung der syrischen Rebellen verfolgen. Sein Kalkül ging auf.

Russland hat die absolute Lufthoheit in Syrien, das würde ein militärisches Eingreifen der Nato fast unmöglich machen. Das Ziel Putins: Assad an der Macht halten und die wichtige russische Militärbasis am Mittelmeer schützen. Dadurch hat er das Assad-Regime in noch größere Abhängigkeit zu Russland gebracht.

Auch deshalb ist Moskau zufrieden mit dem machtpolitischen Status quo in Syrien. Ein geschwächter Assad ist einfacher zu kontrollieren, eine militärische Auseinandersetzung mit der Türkei liegt nicht im russischen Interesse.

Der Iran – und seine Brücke zum Mittelmeer

Neben Russland ist der Iran der zentrale Verbündete von Assad. Das Bündnis zwischen Teheran und Damaskus ist kein Ergebnis des Bürgerkrieges. Schon als der Irak unter Saddam Hussein zunehmend zur Bedrohung wurde, suchte der Iran die Nähe zu Baschars Vater Hafiz al-Assad.

Im syrischen Bürgerkrieg sind die Interessen des Irans mehr geostrategisch. Der schiitisch regierte Irak ist nun Verbündeter des Iran. Mit Assad an der Macht, iranischen Milizen in Syrien, der Hisbollah im Libanon, hat Teheran nun eine Landbrücke zum Mittelmeer. Das ist ein strategischer Vorteil im ringen um die Vorherrschaft in der Region. Auch deshalb kann sich Teheran mit dem Status quo anfreunden.

Das zwiespältige Israel

Israel hatte zu Beginn des Bürgerkrieges keine eindeutige Strategie. Einerseits hoffte man wegen der Feindschaft mit Assad auf einen Machtwechsel in Syrien. Andererseits fürchtete die israelische Regierung durch einen langen Krieg eine zunehmende Instabilität in der Region.

Zuletzt griff die israelische Luftwaffe aber mehr Ziele in Syrien an, da Jerusalem der Bedrohung durch iranische Milizen begegnen möchte. Diese Angriffe werden sich wohl auch in Zukunft fortsetzen.

Syrien eint die wirtschaftliche Not

In dem blutigen geostrategischen Machtkampf gibt es demnach nicht nur unterschiedliche Interessen von Fremdmächten. Einige Staaten gewinnen auch Einfluss durch das gegenwärtige Chaos. Die Europäische Union ist dabei kein zentraler Akteur, obwohl der Bürgerkrieg seit zehn Jahren vor der Haustür Europas tobt. Die EU-Staaten scheinen lediglich ein gemeinsames Interesse zu haben: Keine Wiederholung des Jahres 2015, keine weiteren Flüchtlingsströme aus Syrien nach Europa.

Doch im Angesicht der zunehmenden Hungerkatastrophe in Syrien und in den Flüchtlingslagern an den Grenzen tun weder die europäischen Staaten noch die restlichen Groß- und Regionalmächte genug zum Schutz der Menschen. Vor dem zehnten Jahrestag des Konflikts schicken Hilfsorganisationen täglich Schreckensmeldungen über die humanitäre Not, weiter verschärft durch die schwere Wirtschaftskrise im benachbarten Libanon und die Corona-Pandemie, der das Gesundheitssystem nicht gewachsen ist.

Die Hölle ist seit 10 Jahren Alltag

Was Syrien aktuell eint, ist die massive wirtschaftliche Not, unter der ein Großteil der Bevölkerung leidet. Während das syrische Pfund abstürzt, steigen die Preise immer weiter. Es mangelt an Treibstoff, Medikamenten und vor allem an Nahrung. Rund zwölf Millionen Menschen in dem Bürgerkriegsland haben nicht genug zu essen, warnt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP). Wegen begrenzter staatlicher Mittel können wichtige Verbrauchsgüter wie Brot und Benzin nicht ausreichend subventioniert werden. Vielen Familien fehlt es am Nötigsten.

Um dieser Krise zu begegnen, braucht es vor allem mehr internationale finanzielle Unterstützung und einen langfristigen Frieden durch politische Kompromisse. Doch Assad, Putin und Erdoğan wollen keinen eigenen Machtverlust hinnehmen. Sie halten die Türen zur Hölle für die Menschen in Syrien offen – seit zehn Jahren.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und afp
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