Tödlichster Protesttag Myanmar: Polizei tötet offenbar Demonstranten mit Kopfschüssen
Seit Wochen protestieren Hunderttausende in Myanmar gegen den Militärputsch. Die Polizei geht immer härter gegen die Demonstranten vor. Berichten zufolge starben mindestens 18 Menschen.
Bei Protesten gegen den Militärputsch in Myanmar sollen mehrere Menschen getötet, verletzt und festgenommen worden sein. Es gibt mindestens 18 Tote und mehr als 30 Verletzte, berichten die Vereinten Nationen (UN). Es ist der tödlichste Tag, seit das Militär sich Anfang Februar an die Macht geputscht hat.
Der Polizei ist laut örtlichen Medien zunächst mit Gummigeschossen und Tränengas, später mit scharfer Munition gegen Demonstranten vorgegangen. Dabei soll Demonstranten gezielt in den Kopf geschossen worden sein, berichtete das Onlineportal "Myanmar Now".
Hunderte Festnahmen allein am Wochenende
Auch sind laut UN bei den Demonstrationen mindestens 85 medizinische Fachkräfte und Studenten, sowie sieben Journalisten festgenommen worden. Insgesamt sollen seit Anfang des Monats mehr als 1.000 Menschen willkürlich verhaftet worden sein. Staatliche Zeitungen berichteten von 479 Festnahmen allein am Samstag.
Die UN verurteilten das gewaltsame Vorgehen am Sonntag "aufs Schärfste". "Wir fordern das Militär auf, die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten sofort einzustellen", erklärte die Sprecherin des UN-Menschenrechtskommissariats, Ravina Shamdasani.
Angriffe auf Journalisten
Die Proteste richten sich gegen das Militär. Auf Bildern, die von "Frontier Myanmar" verbreitet werden, sind Demonstranten zu sehen, die in der Innenstadt von Rangun Barrikaden errichtet haben. Manche tragen Schilder, auf denen steht: "Schützt das Volk. Schützt die Demokratie".
Wie kam es zum Militärputsch in Myanmar? In Myanmar hat das ohnehin einflussreiche Militär Anfang Februar die Kontrolle übernommen und die zivile Regierung von Aung San Suu Kyi entmachtet. Die Militärs begründen das mit angeblichem Wahlbetrug bei der Wahl vom November, die die Partei der früheren Freiheitsikone Suu Kyi haushoch gewonnen hatte. Belege gibt es nicht. Seitdem kommt es regelmäßig zu Protesten in dem Land, gegen die die Polizei immer massiver vorgeht.
In der Innenstadt von Rangun begannen Polizisten schon wenige Minuten vor dem geplanten Beginn der Proteste, die Menschen gewaltsam auseinanderzutreiben. "Als wir eintrafen, begann die Polizei ohne Vorwarnung zu schießen", berichtete die 29-jährige Grundschullehrerin Amy Kyaw. Einige ihrer Kollegen seien verletzt worden, andere hätten sich in den Häusern in der Nachbarschaft in Sicherheit gebracht.
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In der am Oberlauf des Irrawaddy-Flusses gelegenen Stadt Myitkyina wurde mindestens ein Journalist von Polizisten geschlagen und festgenommen, als er die Übergriffe dokumentieren wollte, wie die Lokalzeitung The 74 Media berichtete. In Pyay im Zentrum des Landes wurde ein weiterer Reporter nach Angaben seines Arbeitgebers von einem Gummigeschoss getroffen, während er über die Proteste dort berichtete.
UN-Botschafter nach emotionaler Rede entlassen
Am Freitag hatte der Botschafter des Landes bei den Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft in einer emotionalen Rede aufgefordert, bei der Beendigung des Putsches zu helfen, mit der Protestbewegung sympathisiert und betont, dass er im Namen der zivilen Regierung von Aung San Suu Kyi spreche.
Daraufhin wurde er entlassen. Kyaw Moe Tun habe "das Land betrogen" und "Macht und Verantwortlichkeiten eines Botschafters missbraucht", hieß es zur Begründung laut einem Bericht des staatlichen Fernsehsenders MRTV am Samstag.
"Zeit, dass die Welt mit Taten antwortet"
Der Außenbeauftragte der Europäischen Union Josep Borrell sprach von einer "brutalen Repression friedlicher Proteste" und rief die Militärjunta dazu auf, die Gewaltanwendungen gegen Zivilisten sofort einzustellen. Die EU werde bald mit Maßnahmen auf die jüngsten Entwicklungen in Myanmar reagieren. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte bereits am 22. Februar bei Beratungen mit EU-Kollegen in Brüssel Sanktionen gegen die Junta in Aussicht gestellt.
Am Montag soll eine Anhörung von Suu Kyi vor Gericht stattfinden. Ihr werden dubiose Vergehen wie der Besitz unregistrierter Funkgeräte vorgeworfen. Ihr Anwalt Khin Maung Zaw sagte zu AFP, ihm sei bisher kein Treffen mit seiner Mandantin ermöglicht worden. "Als Anwalt vertraue ich dem Gericht. Aber in diesen Zeiten kann alles passieren."
- Nachrichtenagentur AFP, dpa und Reuters