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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Konflikt zwischen China und den USA Nach Corona droht ein Kalter Krieg
China und die USA ringen um die globale Vorherrschaft, ihr Konflikt wird sich nach der Pandemie verschärfen. Der neue US-Präsident Joe Biden erbt in dem Machtkampf das Scheitern von Donald Trump.
Die Menschheit hat momentan andere Sorgen. Die Corona-Krise ist eine gigantische Krise, die viele Kriege und Konflikte zeitweise auf Eis legte. Aber ein Machtkampf rückte auch in der Pandemie nicht in den Hintergrund: das Ringen der USA und China um die Position der führenden Weltmacht.
Der Handelsstreit und die militärischen Muskelspiele verschärfen sich auch in einer Zeit, in der die Menschheit von einem tödlichen Virus gegeißelt wird. US-Präsident Joe Biden schickt in seiner ersten Woche im Amt bereits einen Flugzeugträger ins Südchinesische Meer, der chinesische Präsident Xi Jinping warnt auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor einem neuen "Kalten Krieg".
Das sind deutliche Alarmsignale, die dazu führen, dass sich die internationale Gemeinschaft zunehmend mit dem Machtkampf der Großmächte beschäftigen muss. Die Volksrepublik China hat für sich klare Ziele definiert: Sie greift die bestehende globale Ordnung an und proklamiert für sich einen Platz an der Spitze. Es könnte zu mehr Säbelrasseln mit den USA kommen, der drohende Kalte Krieg wird sich aber weniger durch militärische Konflikte auszeichnen. Vielmehr geht es um Macht durch wirtschaftliche Kontrolle.
Chinas ökonomische Vorherrschaft
Peking hat sich das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2049 die USA als führende Volkswirtschaft abzulösen. Dann wird die Volksrepublik 100 Jahre alt und die Kommunistische Partei möchte Vollzug melden. Die Planwirtschaft rückt in den Hintergrund. Die Kommunisten sehen den Schlüssel zur führenden Supermacht in einer kapitalistischen Wirtschaft.
Die Doppelstrategie: Eine starke Wirtschaft soll das Land in einer globalisierten Welt unangreifbar machen. Die Volksrepublik lässt deshalb ausländische Unternehmen und Rohstoffvorkommen kaufen, sie vergibt Kredite an Staaten oder unterstützt Länder in Afrika. Mit der neuen Seidenstraße und anderen ökonomischen Verflechtungen schafft China wirtschaftliche Abhängigkeiten und sorgt dafür, dass kein Land – aus Sorge vor eigenen wirtschaftlichen Schäden – laut Kritik an der chinesischen Diktatur äußert.
Das trifft auch Deutschland: Die Volksrepublik ist der wichtigste Außenhandelspartner. Für eine Exportnation wie Deutschland sind die guten Beziehungen zu China von entscheidendem Wert für die Wirtschaft.
Chinas ökonomische Strategie ist also auch Machtpolitik, die Peking immer mehr Einfluss im Ausland gibt. Während sich viele Länder auf dem afrikanischen Kontinent bei Geldsorgen an die Volksrepublik wenden, kaufen sich chinesische Staatsunternehmen in europäische Unternehmen ein.
Trumps Strategie ist gescheitert
Die USA sehen diese Entwicklung mit Sorge, deshalb war Donald Trump als US-Präsident mit dem Ziel angetreten, zumindest das eigene Handelsdefizit mit der Volksrepublik auszugleichen – denn auch die Vereinigten Staaten importieren deutlich mehr Güter aus China, als sie exportieren.
Am Donnerstagnachmittag wird das US-Wirtschaftsministerium ein für die USA beunruhigendes Ergebnis aus Trumps letztem Amtsjahr vorlegen: Demnach ist aller Voraussicht nach das Defizit der USA im globalen Warenhandel 2020 mit gut 900 Milliarden Dollar auf den höchsten Stand gestiegen, den es je gab. Oder mit anderen Worten: Donald Trump ist historisch gescheitert.
Eigentlich sah Trump diese Handelsdefizite als eine nationale Schande. Er wolle Amerikas Ehre wiederherstellen, diese "Handelskriege" gegen China und die Europäische Union (EU) seien "gut und leicht zu gewinnen", sagte der damalige US-Präsident im März 2018. Waren sie nicht: Die Handelsbilanz der USA im Jahr 2020 weist mit geschätzt gut 670 Milliarden Dollar das höchste Defizit seit mindestens zwölf Jahren auf.
Gegen China ergriff die Trump-Administration besonders harte Maßnahmen – zwei Drittel der gesamten US-Importe aus der Volksrepublik wurden mit Strafzöllen belegt. Trump befahl außerdem den US-Unternehmen, sich Produktionsstätten außerhalb Chinas zu suchen – das taten sich nicht, die Jobs kamen nicht zurück in die USA.
Das Endergebnis für Trump fällt ernüchternd aus: Trotz der radikalen Schritte lag allein das US-Handelsdefizit mit China zuletzt bei 308 Milliarden Dollar. Im Jahr 2016, als Trump gewählt wurde, war es genau auf dem Niveau. Der Handelskrieg, die Drohungen und Sanktionen haben demnach nichts bewirkt.
Militärisches Ungleichgewicht
Unterdessen holt China wirtschaftlich rasant auf. Wirtschaftswachstum ist die zentrale Waffe Pekings.
Während das Bruttoinlandsprodukt der USA zur Jahrtausendwende knapp neunmal so hoch war wie in China, könnten beide Länder bis zum Jahr 2025 nahezu gleichauf sein. (Jahr 2019: USA: 21,43 Billionen US-Dollar – China: 14,4 Billionen Billionen US-Dollar)
Anders sieht es im Militärbereich aus. Einerseits modernisiert die chinesische Führung die Armee und agiert im Südchinesischen Meer zunehmend als führende Territorialmacht. Eigene Flugzeugträger sowie Kampfflugzeuge werden gebaut und viel Geld fließt in ein chinesisches Weltraumprogramm. Peking schüttet im Südchinesischen Meer Inseln auf, um das eigene Territorium zu erweitern – zum Ärger der Nachbarstaaten in Südostasien.
So schafft sich China also das Fundament, um militärisch Territorialmacht zu sein. Der Weg zur Supermacht USA ist allerdings noch weit. Die Vereinigten Staaten verfügen global über ein dichtes Netz an Militärbasen, sie können überall auf der Welt operieren. Der Unterschied wird auch mit einem Blick auf die Militärausgaben deutlich: Die USA gaben im Jahr 2019 732 Milliarden Dollar für das Militär aus, China 261 Milliarden US-Dollar.
Provokationen und Säbelrasseln nehmen zu
Militärisch kann also nicht von einer Aufholjagd der Volksrepublik die Rede sein. Vielmehr scheint Peking darauf zu setzen, dass die USA das Interesse daran verlieren, sich im Ostpazifik zu engagieren. Zuletzt testete Peking diese Bereitschaft mit einem Militärmanöver. Acht chinesische Bomber und vier Kampfflugzeuge waren in Taiwans Identifikationszone zur Luftverteidigung (ADIZ) eingedrungen und hatten die Luftabwehr getestet, wie Taiwans Streitkräfte mitteilten. Es war die bisher größte Militäraktion dieser Art. China sieht die Insel Taiwan als Bestandteil seines Staatsgebietes.
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Der Zeitpunkt der Drohung kam nicht von ungefähr. Einerseits ist nun ein neuer US-Präsident im Amt, andererseits wurden Vertreter aus Taiwan zur Amtseinführung von Biden eingeladen. Ein deutliches Zeichen der USA, zum Ärger Pekings.
Auf das Manöver reagierten die USA entschlossen, Biden schickte den US-Flugzeugträger "USS Theodore Roosevelt" in das Südchinesische Meer, die USA sprachen Sicherheitsgarantien für Taiwan und auch für Japan aus. China kann sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen militärischen Konflikt noch nicht leisten. Peking kann nur darauf hoffen, dass die Vereinigten Staaten das Interesse an der Region verlieren.
Ein Kalter Krieg, in dem sich zwei Blöcke gegenüberstehen – wie im Konflikt zwischen Nato und Sowjetunion – ist momentan unwahrscheinlich. Dafür hat die Volksrepublik auch zu wenig sicherheitspolitische Verbündete, aber militärische Provokationen und Säbelrasseln könnten in den nächsten Jahren zunehmen, allein damit Peking den Willen und die Bereitschaft der USA testen kann.
Peking nutzt Corona zum Machtausbau
Die USA und die Nato werden in den nächsten Jahren trotzdem daran arbeiten, sich verteidigungspolitisch gegen China aufzustellen. Letztlich liegt der Fokus des Kampfes um die Vorherrschaft in einer neuen globalen Ordnung aber vor allem auf der Weltwirtschaft. Dabei besteht die Wahrscheinlichkeit einer neuen Blockbildung zwischen dem transatlantischem Bündnis auf der einen und China auf der anderen Seite – denn der rasante Aufstieg der Volksrepublik in Verbindung mit Menschenrechtsverletzungen im Land sorgt vor allem in westlichen Demokratien für viel Argwohn.
Doch die Gegenmaßnahmen, die in einer globalisierten Weltwirtschaft getroffen werden können, sind begrenzt. Zu groß ist die wirtschaftliche Abhängigkeit von China, zu lang haben viele Länder zu Gunsten der eigenen Wirtschaft die Augen vor der chinesischen Machtpolitik verschlossen.
Ausgerechnet die Corona-Pandemie, die von chinesischem Boden ausging, könnte nun der Volksrepublik in ihrem Streben nach Einfluss helfen. China sendet Hilfsgüter und medizinisches Gerät in besonders betroffene Länder, etwa nach Italien oder Spanien. Außerdem bietet Peking Staaten wie Brasilien einen besonders billigen Zugang zu dem selbst-entwickelten Corona-Impfstoff – noch billiger werden die Lieferungen, wenn Staaten sich bereit erklären, den Impfstoff an Menschen zu testen. All das dient nur einem Zweck: China möchte sich in der Krise als helfende Supermacht präsentieren und gleichzeitig seinen Einfluss damit ausbauen.
Damit stößt die Volksrepublik auch in der Pandemie in ein globales Machtvakuum, das die USA, die sich zunehmend auf innenpolitische Probleme fokussieren, seit Jahren hinterlassen. Das stellt nun Joe Biden vor eine schwierige Aufgabe. Der neue US-Präsident hatte sich eigentlich stets für eine stärkere Integration Chinas eingesetzt, aber das findet weder bei Republikanern noch bei den Demokraten in den USA gegenwärtig eine Mehrheit. Sie sehen den Aufschwung Chinas kritisch und werden Biden drängen, sein Wahlversprechen einzulösen: Dass die USA ihre Rolle als Supermacht wieder einnehmen.
- World Order (Henry Kissinger)
- The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives (Zbigniew Brzezińskis)
- Weltordnung nach Corona: Der große Irrglaube (t-online)
- Bilanz: Trump verliert den Handelsstreit (SZ)
- Außenhandel: Chinas Exporte legen im Corona-Jahr weiter zu (Handelsblatt)
- Studie: Militärausgaben steigen weltweit (DW)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- Eigene Recherchen