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Urteile gegen Katalanen-Anführer: Heftige Proteste in Barcelona – mehr als 75 Verletzte


Urteile gegen Katalanen-Anführer
Heftige Proteste in Barcelona – mehr als 75 Verletzte

Von afp, dpa, aj

Aktualisiert am 15.10.2019Lesedauer: 4 Min.
Demonstrationen in Spanien: In Barcelona hat es heftige Zusammenstöße mit der Polizei gegeben.Vergrößern des Bildes
Demonstrationen in Spanien: In Barcelona hat es heftige Zusammenstöße mit der Polizei gegeben. (Quelle: Emilio Morenatti/ap)
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Die Urteile gegen katalanische Separatistenführer treiben Tausende auf die Straßen. Am Flughafen kommt es zu heftigen Zusammenstößen. Gegen Carles Puigdemont wurde erneut ein internationaler Haftbefehl erlassen.

Nach dem Urteil gegen neun Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung sind in Katalonien tausende Menschen auf die Straße gegangen. Sie versammelten sich auf der Plaça de Catalunya in Barcelona und forderten die Freilassung der "politischen Gefangenen". Bei Protesten am Flughafen kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Das Oberste Gericht Spaniens hatte kurz zuvor neun von zwölf angeklagten Unabhängigkeitsführer wegen "Aufruhrs" und Veruntreuung öffentlicher Gelder zu neun bis 13 Jahren Haft verurteilt.

Insgesamt seien bis zum Abend mehr als 75 Menschen verletzt worden. Das gaben die Rettungsdienste des Flughafens am Montagabend bekannt, ohne Angaben zur Schwere der Verletzungen zu machen. Die Demonstranten hatten versucht, Teile des Airports El Prat lahmzulegen und die Zugangswege zu blockieren. Sie bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen und Mülleimern, die Polizei setzte Schlagstöcke ein. Nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena wurden 110 Flüge gestrichen. Die Sicherheitskräfte hätten auch Schaumgeschosse eingesetzt, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, so das spanische Fernsehen.

Den Angeklagten wurde vorgeworfen, im Oktober 2017 ein von der spanischen Justiz als illegal eingestuftes Unabhängigkeitsreferendum organisiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte bis zu 25 Jahre Haft gefordert.

Hohe Haftstrafen

Die höchste Strafe erhielt der frühere katalanische Vize-Regionalpräsident Oriol Junqueras mit 13 Jahren Haft. In einem Schreiben an seine Unterstützer kündigte er an, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung werde "noch stärker" zurückkommen – "heute ist nichts vorbei". Die frühere Präsidentin des katalanischen Regionalparlaments, Carme Forcadell, wurde zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Jordi Sànchez, Ex-Chef der Katalanischen Nationalversammlung (ANC), und Jordi Cuixart, Leiter der Kulturvereinigung Omnium Cultural, wurden zu jeweils neun Jahren Haft verurteilt. Gegen drei weitere Angeklagte wurden Geldstrafen in Höhe von 60.000 Euro verhängt.

Kampagne des "zivilen Ungehorsams"

Nach der Urteilsverkündung blockierten aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter Straßen und Gleise in Barcelona, tausende versammelten sich am Mittag auf der Plaça de Catalunya. Bereits im Vorfeld hatten Aktivisten für den Fall einer Verurteilung eine Kampagne des "zivilen Ungehorsams" angekündigt. Die Zentralregierung verstärkte daraufhin die Polizeipräsenz in der Region.

Am Nachmittag marschierten Demonstranten zum Flughafen, um ihn zu blockieren. Auf Bildern war zu sehen, wie Polizisten Schlagstöcke gegen Kundgebungsteilnehmer einsetzten und Demonstranten am Boden festhielten. Hunderte Protestierende hatten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Mülleimern beworfen, wie ein Journalist der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena wurden etwa 20 Flüge gestrichen. Rettungskräften zufolge wurden 13 Menschen leicht verletzt.

ANC und Omnium Cultural kündigten für den Abend weitere Kundgebungen in der gesamten Region an. Auch in den nächsten Tagen werden zahlreiche Proteste erwartet.

Internationaler Haftbefehl gegen Puigdemont

Der ins Exil geflohene ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont bezeichnete die Urteile bei einem öffentlichen Auftritt in Brüssel als "ungerecht" und "unmenschlich". Jegliche Reaktion darauf müsse aber "demokratisch und gewaltlos sein". Die anstehenden Parlamentswahlen am 10. November sollten dazu genutzt werden, eine "massive und durchschlagende Antwort" zu senden, forderte der Katalane.

Gegen Puigdemont wurde am Montag erneut ein internationaler Haftbefehl erlassen. Er wird wegen "Aufruhrs" und der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht. Der damalige Regionalpräsident hatte nach dem Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt. Durch seine Flucht nach Brüssel entzog er sich aber der Strafverfolgung in Spanien.

Parlamentswahl in Spanien steht an

Inwieweit die Gerichtsentscheidung die Parlamentsneuwahl in Spanien am 10. November beeinflussen wird, ist noch unklar. Ministerpräsident Pedro Sánchez erklärte am Montag: "Niemand steht über dem Gesetz." Er forderte, die unabhängige Arbeit der Justiz anzuerkennen und die Urteile zu respektieren. Das Ende des Verfahrens öffne eine "neue Phase" für das Zusammenleben und den Dialog in der Krisenregion. Wie die Spitzen anderer großer Parteien sprach er von einem "vorbildlichen Gerichtsverfahren".

Auch der Fußball-Spitzenclub FC Barcelona äußerte sich in einer offiziellen Mitteilung – kritisierte aber die Justizentscheidung. "Gefängnisstrafen sind keine Lösung", hieß es. Der Konflikt müsse durch einen politischen Dialog gelöst werden. Der amtierende spanische Meister sprach sich für eine Freilassung der Verurteilten aus und sprach deren Familienmitgliedern seine Solidarität aus.

Die Partei von Junqueras, die Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), betonte, ohne eine "Amnestie" für die "politischen Gefangenen und Exilanten" sei ein Dialog unmöglich. Die spanische Finanzministerin María Jesús Montero schloss eine Begnadigung der neun Verurteilten aus. "Wir akzeptieren das Urteil und appellieren jetzt an alle politischen Kräfte, dass sie gemeinsam nach vorne schauen", sagte sie dem "Handelsblatt".

Viele Unterstützer des Separatismus haben der Justiz vorgeworfen, mit dem Prozess ein Exempel statuieren zu wollen. Die Zahl der Sicherheitskräfte war vorsichtshalber massiv erhöht worden. Der frühere katalanische Innenminister Joaquim Forn, schrieb auf Twitter: "Danke für Eure Unterstützung. Danke, weil wir wissen, dass ihr immer da seid. Wir werden nicht müde werden. Es lebe das freie Katalonien!"

Deutschland will sich nicht einmischen

Die Bundesregierung wollte die Urteile derweil nicht kommentieren. "Wir haben immer wieder betont, dass der Katalonien-Konflikt innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung zu behandeln ist", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dies sei nun durch das oberste spanische Gericht geschehen.

Der Prozess, der live im spanischen Fernsehen übertragen wurde, war Mitte Juni nach vier Monaten mit den Schlussplädoyers der Angeklagten zu Ende gegangen. Diese riefen dabei fast ausnahmslos dazu auf, den Dialog zu suchen und eine politische Lösung für den Konflikt in der Region im Nordosten des Landes zu finden.

Insgesamt wurden in dem Mammutprozess fast 600 Zeugen vernommen, darunter der konservative frühere Ministerpräsident Mariano Rajoy, in dessen Amtszeit das Referendum fiel. Im Herbst 2017 hatte Rajoy die Regionalregierung abgesetzt und Katalonien monatelang unter Zwangsverwaltung gestellt.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und afp
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