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Angriff der Türkei in Syrien: Was Erdogans Offensive für Deutschland bedeutet


Angriff der Türkei in Syrien
So gefährlich ist Erdogans Invasion für Deutschland

Von dpa
Aktualisiert am 09.10.2019Lesedauer: 3 Min.
Der türkische Präsident Erdogan hat den Beginn der erneuten türkischen Offensive in Syrien verkündet.Vergrößern des Bildes
Der türkische Präsident Erdogan hat den Beginn der erneuten türkischen Offensive in Syrien verkündet. (Quelle: ap-bilder)

Gibt es eine neue Fluchtbewegung von Syrien nach Europa? Wächst die Gefahr von IS-Anschlägen? Der geplante türkische Einmarsch in Syrien könnte Auswirkungen weit über die Region hinaus haben.

Trotz aller Warnungen von Nato-Verbündeten hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seine Ankündigung wahr gemacht: Am Mittwochnachmittag verkündete er auf Twitter den Beginn der Militäroffensive in Nordsyrien zur Bekämpfung der kurdischen YPG-Miliz, die von der Türkei als Terrororganisation angesehen wird. Der Angriff könnte weit über die Region hinaus Wirkung zeigen – auch in Deutschland.

Wie steht die Bundesregierung zu dem Angriff?

Sie hat mit deutlichen Worten davor gewarnt. Ein militärisches Eingreifen der Türkei könne zu einer weiteren Eskalation in Syrien und zu einer zusätzlichen Destabilisierung des Landes führen, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer schon kurz nach Bekanntwerden der Invasionspläne. "Es hätte natürlich auch fatale sicherheitspolitische und humanitäre Konsequenzen."

Kommen dann noch mehr Flüchtlinge aus Syrien nach Europa?

Sicher ist, dass eine neue Fluchtbewegung ausgelöst würde. Nur ist bislang nicht klar, wo die Zivilisten Zuflucht finden könnten. Kurzfristig könnte sich ein Teil der vorwiegend kurdischen Bevölkerung in den Nordirak aufmachen. Sollte die Türkei ihre Heimat dauerhaft besetzen, dürfte zumindest ein Teil dieser Menschen mittelfristig versuchen, nach Europa zu gelangen.

Dass umgekehrt syrische Flüchtlinge aus Deutschland in der von der Türkei vorgesehenen "Sicherheitszone" angesiedelt werden könnten, gilt dagegen als wenig wahrscheinlich. Die türkische Regierung will vor allem Syrer dort ansiedeln, die bei ihnen im Land Schutz gefunden haben. Auch ist noch offen, wer in dem Gebiet für Sicherheit – etwa vor Luftangriffen der syrischen Armee und ihrer russischen Verbündeten – sorgen würde.

Ist hierzulande mit Anschlägen zu rechnen?

Die Sicherheitsbehörden halten Anschläge militanter kurdischer Gruppen auf Geschäfte, Vereine, Moscheen und andere Einrichtungen türkischer Migranten in Deutschland für möglich. In diesem Jahr waren mehrere Kurden zu Haftstrafen verurteilt worden, die nach der türkischen Militäroffensive im nordsyrischen Afrin Anfang 2018 solche Anschläge verübt hatten.

Und was ist mit der Gefahr durch den IS?

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die von den Kurden gefangen gehalten werden, die Kriegswirren zur Flucht nutzen und sich neu formieren. Eine Gelegenheit zur Flucht könnte sich auch für die IS-Frauen und ihre Kinder ergeben, die in den syrischen Lagern Roj und Al-Hol leben. Die Kurden und ihre bisherige Schutzmacht USA haben Deutschland und andere Staaten mehrfach aufgefordert, ihre Staatsangehörigen zurückzuholen. Deutschland verwies bisher auf teilweise noch ungeklärte Identitäten und mögliche Risiken für die deutsche Bevölkerung.

Organisiert wurde vom Auswärtigen Amt nur die Ausreise einiger Kinder. Nach Angaben der Bundesregierung waren Ende September 111 aus Deutschland ausgereiste Islamisten in Syrien in Haft. Nur bei einigen von ihnen liegen Anhaltspunkte für die Einleitung von Ermittlungsverfahren in Deutschland vor.

Kann die Bundeswehr in die türkische Operation hineingezogen werden?

Die Bundeswehr ist in Syrien nicht mit Bodentruppen im Einsatz. Die Luftwaffe überfliegt das Kriegsgebiet aber mit Aufklärungsflugzeugen, die Stellungen oder Verstecke der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) suchen. Die Ergebnisse dürfen nur für den Kampf der internationalen Anti-IS-Koalition gegen die Extremisten verwendet werden. Um das sicherzustellen, gibt es einen sogenannten Red-Card-Holder, der die rote Karte zückt, wenn Aufträge an die Luftwaffe oder die Verwendung des Materials gegen das deutsche Mandat verstoßen. Damit soll beispielsweise verhindert werden, dass sich das türkische Militär aus deutschen Quellen Erkenntnisse über kurdische Stellungen verschafft.

Wird der Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr trotzdem verlängert?

Das Bundeskabinett hat das bereits beschlossen, das letzte Wort hat aber der Bundestag, der noch im Oktober entscheidet. Bisher gibt es nur aus der Opposition Forderungen, den Einsatz vor dem Hintergrund einer drohenden türkischen Invasion zu beenden. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat am Dienstag bei einem Besuch in Mali gesagt, dass sie den Ausbildungseinsatz für Kurden im Nordirak nun sogar für noch wichtiger hält. Die Stationierung deutscher Tornado-Aufklärer in Jordanien und der Einsatz von Tankflugzeugen für die Anti-IS-Koalition soll aber gemäß Kabinettsentscheidung am 31. März 2020 beendet werden.

Was bedeutet ein Einmarsch für die deutsch-türkischen Beziehungen?

Sie würden nach einer Entspannungsphase seit Anfang vergangenen Jahres auf eine neue Belastungsprobe gestellt. Bei der letzten Syrien-Invasion der Türkei in der Region Afrin hatte die Kritik der Bundesregierung am Nato-Partner aber gewisse Grenzen. So verzichtete sie darauf zu sagen, ob sie den Einsatz für völkerrechtswidrig hält oder nicht.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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