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Presseschau zum Weltklimabericht: "Diese Bedrohung ist real"


Presseschau zum Weltklimabericht
"Wir haben nur noch ein Dutzend Jahre"

Von afp, dpa
Aktualisiert am 09.10.2018Lesedauer: 4 Min.
Die ausgetrocknetes Becken in der Talsperre Lehnmühle, Sachsen: Die britische Zeitung "The Guardian" gibt uns nur noch ein Dutzend Jahre, um unsere Lebensweise drastisch zu verändern.Vergrößern des Bildes
Das ausgetrocknete Becken in der Talsperre Lehnmühle, Sachsen: Die britische Zeitung "The Guardian" gibt uns nur noch ein Dutzend Jahre, um unsere Lebensweise drastisch zu verändern. (Quelle: Torsten Becker/imago-images-bilder)
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Die Endzeit wird real, ein Hilferuf an die Weltführer und der Wandel zur Ökodiktatur. Die Reaktionen der internationalen Presse auf den bedrohlichen Weltklimabericht sind sehr unterschiedlich.

Die Prognosen lesen sich katastrophal: Extremwetter, Dürre, steigende Meeresspiegel. Der Sonderbericht des UN-Weltklimarates hat am Montag vor den Folgen eines globalen Temperaturanstiegs gewarnt. Die prognostizierte Erderwärmung würde die Lebensgrundlagen für Hunderte Millionen Menschen stark bedrohen, warnen die Experten.

Und so bestimmt das Thema auch die Presse am Folgetag. Die Kommentatoren sehen in dem Bericht einen Warnschuss für die Politik, aber auch eine verkehrte Botschaft, wenn der Klimawandel noch aufgehalten werden soll.

Für die belgische Zeitung "De Standaard" liest sich der Klimabericht wie ein Hilferuf an die Weltführer: "Sie werden dringend aufgefordert, zum "Geist" des UN-Klimagipfels von Paris zurückzufinden. Das Gefühl von Dringlichkeit ist beinahe überall verschwunden. Australien hat seine grünen Pläne gerade auf den Müllhaufen geworfen. Auch die EU hinkt hinterher. Die deutsche Bundeskanzlerin tritt immer öfter auf die Bremse. Polen zieht ohne Hemmungen die Karte der Steinkohleverbrennung. Und ein grüner Prophet wie der französische Präsident Emmanuel Macron bekennt sich zu den Zielen von Paris mehr mit dem Mund als durch seine Amtsführung."

Es droht ein politischer Klimawandel zur Ökodiktatur

Der Londoner "Guardian" mahnt vor den schlimmen Folgen dieser realen Endzeit-Ficton: "Sogar in der Endzeit-Science-Fiction gibt es stets Gruppen von Überlebenden. Und wir haben uns immer nur vorgestellt, dass wir zu diesen Überlebenden gehören. Doch die Bedrohung ist real. Der jüngste Bericht des Weltklimarates sagt uns, dass wir nur noch ungefähr ein Dutzend Jahre haben, um unsere Volkswirtschaften radikal umzustellen, wenn wir die Folgen der bereits stattfindenden Erderwärmung auf noch erträgliche Proportionen eindämmen wollen. Das würde erfordern, dass die Staaten die ehrgeizigsten Ziele der Pariser Klimavereinbarung erfüllen und den Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau begrenzen. Ein Anstieg von nur einem halben Grad mehr, also dann um 2 Grad, würde bereits erheblich schlimmere Folgen haben. Bereits jetzt ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass es dazu kommt."

Die deutsche Zeitung "Die Welt" warnt vor einer Ökodiktatur: "'Negative Emissionen' heißt das Zauberwort. Die Logik dazu: Wenn wir es nicht rechtzeitig schaffen, die Emissionen zu verringern, dann müssen wir halt das in die Atmosphäre gelangte CO2 wieder herausfischen. Eine naheliegende Möglichkeit, negative Emissionen zu erreichen, ist das Pflanzen von Bäumen. Doch selbst im großen Maßstab könnten damit die vorgegebenen Zielwerte nicht erreicht werden. CO2 mit technischen Mitteln aus der Luft zu entfernen, ist zwar machbar, aber aufwendig und teuer. Es wäre kostengünstiger, Kohlendioxid erst gar nicht in die Atmosphäre zu entlassen, als es später mit hohem Energieaufwand wieder zu extrahieren. Sonst droht ein politischer Klimawandel in Richtung Ökodiktatur."

Die "Neue Zürcher Zeitung" glaubt, dass der Bericht eine lähmende Wirkung haben wird: "Eine reale Gefahr besteht darin, dass der Sonderbericht das Gegenteil von dem bewirkt, was er beabsichtigt. Zwar versucht der Weltklimarat den Eindruck zu vermeiden, der Zug in eine nur 1,5 Grad wärmere Welt sei bereits abgefahren. Angesichts der kolossalen Aufgaben, die er benennt, könnte der Bericht aber trotzdem eine lähmende Wirkung haben. Das wäre allerdings die verkehrte Botschaft. Wünschenswert wäre, wenn der Bericht die Staatengemeinschaft endlich zu ehrgeizigerem Handeln anstachelte. Selbst wenn man die globale Erwärmung dadurch nur auf 2 Grad begrenzen könnte, wäre schon viel gewonnen."

Versprechen sind konzertierte Heuchelei

Doch so einfach ist das nicht, schreibt das Nachrichtenportal "t-online.de": Selbst Wege weg vom CO2 wie bei der Elektromobilität zerstört Ökosysteme – nur sehen wir das nicht immer: "Der Bedarf an Lithium für Akkus wird sich bis 2025 verdoppeln, schätzt die Deutsche Rohstoffagentur. Und wer leidet darunter, dass Europa bei der Energiewende auf E-Autos setzt? Chile zum Beispiel. Dort wird der Rohstoff, der schon jetzt einer der begehrtesten, wenn nicht der begehrteste weltweit ist, abgebaut. Ohne Rücksicht auf Verluste. Lithium wird in einem Verdunstungsprozess gewonnen, für den riesige Wassermengen benötigt werden. Das stellt nicht nur ein Problem für die Flora und Fauna dar, sondern auch für die ansässige, zum Großteil indigene Bevölkerung. Das darf es dann auch nicht sein."

Auch für die österreichische Zeitung "Die Presse" scheuen Politiker davor, unpopuläre Maßnahmen zu benennen: "Das Verflixte am Klimawandel ist, dass wir ihn jetzt verursachen, er aber erst künftig schmerzt. Das ist eine Falle. Sie führt zu konzertierter Heuchelei: Politiker feiern ihren "Mut", sich zu abstrakten Zielen zu bekennen – und sagen nie dazu, was ihre Einhaltung bedeuten würde: einen massiven Umbau des Steuersystems, der verdeckte Kosten schlagend macht. Autofahren als Luxus, Flugreisen nur noch für die "Happy Few": Wer das fordert, kann einpacken. Stattdessen schwelgen Politiker in Visionen, setzen kosmetische Maßnahmen zur Elektromobilität und machen konkret erst einmal nichts, bis zu den nächsten Wahlen. Nach uns die Sintflut, im Wortsinn."


Deren Landleute vom Wiener "Der Standard" wollen aber auch das Positive nicht unerwähnt lassen: "Der Klimabericht ist kein Grund für Pessimismus: Weltweit ist zu beobachten, dass mit Mut und Innovation Veränderung möglich ist. So machen in Norwegen Elektroautos bereits die Hälfte der Neuanmeldungen aus. Stahlproduktion ohne fossile Brennstoffe hat in Schweden begonnen. Und in China drängen erneuerbare Energien die Kohle vom Markt. Aber auch andere müssen handeln – und das jetzt."

Verwendete Quellen
  • dpa, afp
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