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Interview mit Nahost-Experte Gerlach: "Der Friedensprozess war vorher genauso tot"


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Nach Gewalteskalation
"Den Nahost-Konflikt kann man selbstverständlich lösen"

InterviewVon Daniel Schreckenberg

14.05.2018Lesedauer: 4 Min.
Daniel Gerlach, Nahost-Experte und Chefredakteur des Fachmagazins Zenith.Vergrößern des Bildes
Daniel Gerlach, Nahost-Experte und Chefredakteur des Fachmagazins "Zenith". (Quelle: zenith)
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Mehr als 50 Tote, mehr als tausend Verletzte: Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem lässt die Gewalt eskalieren. Welche Schuld trägt US-Präsident Trump daran und wie geht es nun weiter? Das erklärt Nahost-Experte Daniel Gerlach im Interview.

Es war der blutigste Tag im Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis seit dem Gaza-Krieg 2014: Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem hat Massenproteste der Palästinenser im Gazastreifen und dem Westjordanland ausgelöst (die aktuellen Ereignisse finden Sie hier in unserem Newsblog).

Israel warf der im Gazastreifen herrschenden Hamas vor, die Proteste für Anschlagsversuche zu missbrauchen. Palästinenserführer Mahmud Abbas warf Israel im Gegenzug ein "Massaker" vor.

Welche Schuld trifft US-Präsident Donald Trump? Und was bedeutet die Eskalation für den Friedensprozess im Nahen Osten? t-online.de sprach mit Daniel Gerlach, Chefredakteur des Fachmagazins "Zenith", das sich mit dem Nahen Osten beschäftigt.

t-online.de: Herr Gerlach, Massenproteste mit zahlreichen Toten überschatten die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem. Wie bewerten Sie diesen Tag mit Blick auf den Nahost-Konflikt?

Daniel Gerlach: Es ist alles andere als ein guter Tag für die israelisch-palästinensischen Beziehungen. Aber: Die Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem ist nicht ursächlich dafür verantwortlich, dass die Gewalt eskaliert und es am Grenzzaun zu Gaza Tote gibt. Das muss man deutlich auseinanderhalten – was auch immer man von der Entscheidung der USA hält.

Die Proteste und die Eskalation hätte es also auch gegeben, wenn nur der 70. Jahrestag der Gründung Israels gefeiert worden wäre?

Nein. Die Palästinenser nehmen die Botschaftseröffnung zum Anlass der Proteste. Aber sie ist nicht die Ursache der Gewalt. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern reicht viel tiefer. Trump ist nicht ursächlich verantwortlich für die Toten. Das sind – was man so einfach und deutlich sagen muss – diejenigen, die sie umgebracht haben. Auch wenn Trump durch die Botschaftseröffnung den Friedensprozess schwieriger gestaltet und die Rolle der USA als Vermittler eines Friedens in Nahost in Misskredit gebracht hat.

Warum ist das so?

Aus Sicht der Palästinenser schafft die Botschaftseröffnung in Jerusalem Tatsachen, über die in einem Friedensprozess erst ganz am Schluss verhandelt werden sollte: Nämlich die Frage, was mit der Stadt Jerusalem passiert, die sowohl Israelis als auch Palästinenser als ihre Hauptstadt beanspruchen. Und in dem sogenannten Friedensprozess, in dem nichts vorangeht, empfinden die Palästinenser das Schaffen von Tatsachen als Provokation. Aber wenn man ehrlich ist: Der Friedensprozess war schon vorher genauso tot wie danach.

Was verrät die Botschaftseröffnung über die aktuelle Rolle der USA in der Region?

Die USA unter Donald Trump schaffen Tatsachen und zeigen damit, dass sie nicht bereit sind, sich mit der Komplexität und den Interessen der Konfliktparteien im Nahen Osten auseinanderzusetzen. Trump setzt allein auf ein paar Verbündete wie Israel, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und – in etwas geringerem Ausmaß – Ägypten. Diese stärkt er sehr eindeutig und damit auch einseitig. Trump glaubt nicht, dass man irgendetwas damit gewinnt, die Interessen aller Parteien abzuwägen. Er setzt sein Geld auf ganz bestimmte Pferde, nämlich die, die er für seine Verbündeten hält.

Waren die gewaltsamen Proteste nur der Auftakt zu einer neuen Stufe der Eskalation?

Das lässt sich schwer sagen. Solche Proteste schwellen oft mit großer Macht an – schwellen dann aber auch wieder ab, weil hart dagegen vorgegangen wird. Es kann gut sein, dass das auch diesmal wieder so ist. Das Problem an der derzeitigen Situation ist, dass es zusätzlich eine innerpalästinensische Ohnmacht gibt. Der Palästinenserführer Mahmud Abbas von der Fatah-Bewegung hat der Hamas-Regierung im Gazastreifen kürzlich deutlich gemacht, dass er sich nicht für ihre Belange einsetzen will, wenn sie sich ihm nicht unterordnet. Und das gilt dann auch ein Stück weit für die Bevölkerung in Gaza. Dieser politische Streit verdoppelt das Leid und die Aussichtslosigkeit der palästinensischen Bevölkerung.

Und auch von außen ist da wenig Hilfe zu erwarten. Arabische Staaten wie Saudi-Arabien bekennen sich zwar zur Zwei-Staaten-Lösung, haben gerade aber ganz andere Prioritäten – nämlich das Zurückdrängen des Iran.

Kann Deutschland irgendetwas tun?

Außenminister Heiko Maas hat sich seit seinem Amtsantritt sehr emotional und deutlich an die Seite der Regierung Israels gestellt. Er gilt als jemand, der gute Beziehungen zu verschiedenen Mitgliedern der Regierung Netanjahu unterhält. Deutschland ist aber nicht in der Lage zu vermitteln. Die Bundesregierung kann zur Zurückhaltung aufrufen und das Existenzrecht Israels betonen. Sie kann auch betonen, dass der Schritt Trumps nicht konstruktiv ist und dass die Palästinenser aufhören sollten zu protestieren. So wie sie es immer macht. Aber sonst spielt Deutschland keine Rolle.

Gibt es überhaupt noch eine Chance auf Frieden?

Den Nahost-Konflikt kann man selbstverständlich lösen. Er ist von Menschen gemacht und wird von Menschen entschieden. Die Lösung bestünde zum Beispiel darin, dass man eine Zwei-Staaten-Lösung akzeptiert und auf allen Seiten Kompromisse eingeht. Das ist ein erreichbares Ziel. Aber wenn man den Friedensprozess immer weiter vertagt, dann entsteht irgendwann tatsächlich ein Fatalismus auf allen Seiten, so als sei der Konflikt ein Fall für das Jüngste Gericht.

Herr Gerlach, vielen Dank für das Gespräch.

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