Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Putin und Xi Jinping Warum Sputnik V für immer zwischen ihnen stehen wird
Der eine mag Lenin, der andere lieber Karl Marx. Trotzdem kommen sich Wladimir Putin und Xi Jinping immer näher. Wenn da nicht die lästigen Corona-Impfstoffe wären, meint Wladimir Kaminer.
Die Olympischen Winterspiele begannen unter großem politischen Druck, mit wenig Teilnehmern und kaum hochrangigen Gästen aus dem Ausland. Amerikaner, Japaner, Australier und viele Europäer boykottierten die Olympischen Spiele in Peking. Der russische Präsident Wladimir Putin war zusammen mit seinem argentinischen Kollegen Alberto Fernández nach China geflogen. Seitdem die beiden mit Sputnik V geimpft worden sind, können sie einander immer besser verstehen.
Die anderen Gäste: Der Emir von Katar, der König von Kambodscha, der Prinz von Saudi-Arabien und der Großherzog von Luxemburg waren ebenfalls nach Peking gereist – durften aber nicht neben Putin sitzen, weil sie alle mit unterschiedlichen Impfstoffen gepikst wurden. Man weiß einfach nicht, ob sich diese Vakzine gegenseitig vertragen.
Wladimir Kaminer ist Schriftsteller und Kolumnist. Er wurde 1967 in Moskau geboren und lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Zu seinen bekanntesten Büchern gehört "Russendisko". Kürzlich erschien sein neuestes Buch "Die Wellenreiter. Geschichten aus dem neuen Deutschland".
"Schurkentreff am Olympischen Feuer", spotteten deutsche Journalisten über diese Zusammenkunft. Tatsächlich hat der russische Präsident in seinem Kampf gegen den Westen Verbündete bitter nötig. Deswegen hatte er seinen Bunker verlassen und war nach China gereist, und nicht wegen seines Lieblingssports, dem Eishockey.
Der Gastgeber Xi Jinping traf sich mit Putin ohne Händedruck (logisch, er ist mit chinesischem Impfstoff geimpft) und erklärte, dass auch er die Erweiterung der Nato in Richtung Osten nicht willkommen heiße. Und weil es so einen Satz natürlich nicht ohne Gegenleistung gibt, musste Putin gleich vor Ort Taiwan als chinesisches Staatsgebiet anerkennen.
Alles gut, meinte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, bei der Eröffnung dieser wirklich besonderen Spiele, der olympische Frieden sei uns garantiert, denn solange die Athleten miteinander wetteifern, schweigen die Kanonen. Keine Frage, es ist eine schöne Tradition, man wünschte sich aber auch danach kein Kanonenfeuer. Oder sollen ab jetzt die Olympischen Spiele das ganze Jahr über laufen, bis eine neue Weltordnung feststeht?
Bis jetzt entstand eine jede solche Weltordnung aus den Trümmern eines vernichtenden Krieges. Es wäre schon schön, wenn wir das Problem dieses Mal friedlich lösen würden. Vielleicht könnte man noch die alte Ordnung reparieren, die sich gleich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges etabliert hatte?
Europa gleicht Babylon
Sie bröckelte schon lange, nun scheint sie endgültig zerfallen zu sein, alle Welt hat gesehen, wie die armen Afghanen an dem Fahrwerk der abfliegenden amerikanischen Flugzeuge hingen. Auf Amerikaner ist kein Verlass, Europa spricht in 27 Sprachen (schon klar, es sind offiziell 24 Amts- und Arbeitssprachen) und hat zu jedem Problem 27 Meinungen: Es dauert, bis sich die Europäer untereinander verständigen.
Vor unseren Augen, auf halbleeren Tribünen des Pekinger Stadions "Das Vogelnest", werden neue Allianzen geschmiedet: Russen und Chinesen könnten in Zukunft als zweiter Machtblock dem Westen Paroli bieten und eine neue bipolare Weltordnung schaffen: "Russinesen gegen Angelsachsen."
In China wird genau wie in Russland der Wechsel des politischen Personals nicht dem Zufall, sprich einer Wahl überlassen. Der Vorsitzende Mao hat einmal geschrieben, die Spitze des Berges sei ein kleiner Stein, man nehme ihn weg und der Berg habe keine Spitze. Deswegen ist es besser, da oben nichts anzufassen.
Aller Voraussicht nach ist Xi Jinping wie Putin zum ewigen Leben und Regieren verdammt. Deswegen wird ihre Allianz nur dann funktionieren, wenn sie über längere Zeit gut miteinander auskommen können. Doch die beiden Männer sind unterschiedlich wie Feuer und Wasser.
Verheiratet mit der Generalmajorin
Putin kommt aus einfachen Verhältnissen. Der Vater von Xi war ein hochrangiger Beamter, als Begleiter Maos bei dem "Großen Sprung nach vorn" fiel er später der sozialistischen Umerziehungskampagne zum Opfer und verbrachte viele Jahre im Lager. Sein Sohn musste die Eliteschule verlassen und auf dem Land beim Bauern die Schweine füttern.
Nachts, während die anderen schliefen, las Xi Karl Marx und Wladimir Lenin. Letzterer hatte es Xi besonders angetan. Als er 40 Jahre später nach Moskau reiste, damals zu Dmitri Medwedew, der gerade für Putin den Zwischendurch-Präsidenten spielte, bat Xi seinen Gastgeber um eine Nacht im Mausoleum, unter vier Augen mit Lenin.
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Putin ist geschieden, sein Privatleben hat in Russland die höchste Geheimstufe. Xi ist mit der berühmten Volkssängerin Peng Liyuan verheiratet, die Volks- und Revolutionslieder zum Besten gibt und den Rang eines Generalmajors bekleidet. Laut einer beliebten Legende war die Beziehung zwischen den beiden nicht gleich zustande gekommen. "Ihr Beamte seid alle korrupt und ich möchte nicht einen unehrlichen Mann heiraten!", habe die Generalmajorin gesagt. Erst nachdem Xi Jinping ihr geschworen hatte, seinem Land ehrlich und treu zu dienen, willigte sie in die Hochzeit ein.
Putin rockt das Spiel
Xi muss das Leben von eineinhalb Milliarden Chinesen verwalten. Wenn er jedem seiner Untertanen einmal kurz die Hand schütteln würde, hätte er über 400 Jahre dafür gebraucht. Putin wäre in vier Monaten durch. Putin mag Eishockey über alles, er hat erst mit 60 Jahren Schlittschuhlaufen gelernt und ist darauf sehr stolz. Er spielt gerne nachts gegen seine Minister und russische Profisportler, gewinnt in der Regel 12:1 und freut sich wie ein Kind.
Xi ist ein großer Fußballfan. Sein Traum ist es, eine chinesische Fußballnationalmannschaft zusammenzustellen, die alle Stars aus der alten Weltordnung wegkickt. "Es kann doch nicht sein", sagt Xi Jinping schon seit Jahren, "dass unter eineinhalb Milliarden Chinesen keine elf gescheiten Spieler zu finden wären." Es wird heftig weitergesucht, doch die Spieler haben sich gut versteckt.
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