Weltwirtschaftsforum in Davos Merkel kontert Trumps Strategie der Abschottung
Die Bundeskanzlerin hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos US-Präsident Trump widersprochen. Sie plädierte für mehr internationale Zusammenarbeit, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos für internationale Kooperationen geworben und sich damit deutlich von den USA abgesetzt. "Wir dürfen uns nicht zurückziehen", sagte sie am Donnerstag in dem Schweizer Skiort. Die Welt brauche eine stärkere Zusammenarbeit und keinen Protektionismus. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 will Merkel dafür nutzen.
Die CDU-Politikerin sagte, unter anderem werde eine engere Zusammenarbeit mit Afrika angestrebt. Auch die China-Politik der EU sei nicht einheitlich. Das solle sich nach Möglichkeit mit einem Gipfel im September in Leipzig ändern. Die EU strebt mit der Volksrepublik ein Investitionsschutzabkommen an, bei dem es nach jahrelangen Verhandlungen laut Merkel hoffentlich 2020 eine Einigung geben wird. Auch solle die Klimapolitik stärker mit China verzahnt werden.
Den chinesischen Netzwerkausrüster Huawei nannte Merkel bei ihrer Rede zwar nicht namentlich. Sie sagte aber, beim Aufbau des neuen Mobilfunknetzes 5G könne Sicherheit am besten erreicht werden, indem viele Anbieter beteiligt würden. "Ich glaube nicht, dass ich mich so besonders sicher mache, wenn ich ganze Anbieter völlig ausschalte und nicht mehr weiß, wie die sich entwickeln – da bin ich skeptisch." Eine Beteiligung von Huawei ist umstritten. Dem Unternehmen wird vor allem von den USA vorgeworfen mit seiner Technik chinesischer Spionage den Weg zu ebnen, was die Firma aber bestreitet.
US-Präsident Donald Trump hatte in Davos seine "Amerika zuerst"-Politik gelobt und der EU erneut mit Sonderzöllen auf Auto-Exporte gedroht. Merkel sagte, das erste Teilabkommen der USA und China im Handelsstreit sei positiv zu bewerten. Dieser bremst seit längerem die Weltwirtschaft. Weniger Protektionismus werde entsprechend das Risiko einer Rezession verringern. Die EU verhandelt selbst gerade mit den USA über ein Handelsabkommen.
Merkel: Klimaschutz kann Überlebensfrage sein
Außerdem hat Angela Merkel ausdrücklich die Bedeutung des Klimaschutzes als Existenzfrage betont. "Die Frage der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens könnte eine Frage des Überlebens für den ganzen Kontinent sein", sagte Merkel am Donnerstag in Davos. "Deshalb ist Handlungsdruck da." Mit den derzeitigen Verpflichtungen der Staaten werde das Ziel nicht erreicht, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf 1,5 Grad zu begrenzen.
Die Welt müsse gemeinsam handeln, aber jedes Land müsse einen Beitrag leisten. Der Auftrag, unter 1,5 Grad zu bleiben, bedeute "nicht mehr und nicht weniger" für Europa, als dass man bis 2050 "klimaneutral" sein müsse. Das bedeutet, unterm Strich keine Treibhausgase mehr auszustoßen und nicht vermeidbare Emissionen auszugleichen. Das seien "natürlich Transformationen von gigantischem historischem Ausmaß", sagte Merkel. "Diese Transformation heißt im Grunde, die gesamte Art des Wirtschaftens und des Lebens, wie wir es uns im Industriezeitalter angewöhnt haben, in den nächsten 30 Jahren zu verlassen." Man müsse zu neuen Wertschöpfungsformen kommen.
Merkel: Sprachlosigkeit muss überwunden werden
Außerdem warnte Merkel vor gesellschaftlichen Konflikten im Kampf gegen die Erderwärmung. Sie sagte, es gebe eine Sprachlosigkeit zwischen Menschen, die den Klimawandel leugneten und denjenigen, für die Klimaschutz höchste Dringlichkeit habe. Dies mache ihr Sorgen. Diese Sprachlosigkeit müsse überwunden werden durch mehr Dialog. Dabei konkurrierten Fakten mit Emotionen.
Merkel sagte zudem, die "Ungeduld der Jugend" müsse positiv und konstruktiv aufgenommen werden. Die Jugend habe einen ganz anderen Lebenshorizont. "Deswegen sind wir zum Handeln aufgefordert."
Das Ziel, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften, sei ein riesiger Kraftakt. Produktionsprozesse etwa in der Stahlindustrie müssten völlig umgestellt werden. Dabei werde "grüner" Wasserstoff eine große Rolle spielen. Dieser könne außerhalb Europas besser erzeugt werden.
Die Kanzlerin verwies darauf, dass Deutschland aus der Kernenergie aussteigt und bis spätestens 2038 aus der Kohleverstromung – und "wenn möglich" bis 2035.
- Nachrichtenagentur dpa