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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Auftritt bei den UN Trumps neuer Ton
Bei seinem Auftritt vor den Vereinten Nationen trifft Donald Trump einen neuen Ton. Er macht unmissverständlich klar, dass für ihn allein Amerika zählt
Für Deutschland hat Donald Trump in seiner 35-minütigen Rede einen einzigen Satz übrig. Er spricht über Energie-Importe, als er sagt: "Deutschland wird bald komplett anhängig von russischer Energie sein, wenn es nicht augenblicklich seinen Kurs ändert."
Es ist eine bekannte Klage Trumps, sie richtet sich gegen die deutsch-russische Gaspipeline NordStream2. Im Plenum der UN-Generaldebatte schüttelte man in der deutschen Delegation rund um Außenminister Heiko Maas nur kurz mit einem Grinsen den Kopf. Die Szene zeigt: Die Welt hat sich an Trumps Attacken gewöhnt.
Im Vorfeld waren die deutschen und internationalen Diplomaten vor Trumps Auftritt bei der UN-Vollversammlung hochnervös. Dessen historisch undiplomatische UN-Rede vor einem Jahr steckt allen noch in den Knochen. In diesem Jahr hatte Trumps Regierung zuvor keinen Zweifel daran gelassen, dass sich der Präsident die Iraner vorknöpfen wollte. Und die Deutschen und Europäer fürchteten, dass auch sie wieder Ziel der Wut des US-Präsidenten würden.
Trumps neuer Ton
Doch als er dann mit halbstündiger Verspätung im großen UN-Saal am East River spricht, trifft Trump vor der versammelten Weltöffentlichkeit einen neuen Ton: Er ist kühl, kalkuliert, kaum noch schrill.
Am deutlichsten zeigt sich das bei Nordkorea und Iran. 2017 hatte er an selber Stelle dem "kleinen Raketenmann" Kim Jong Un noch mit der "totalen Zerstörung" Nordkoreas gedroht. Jetzt dankt Trump Kim für dessen Offenheit, auch wenn Beobachter skeptisch sind. "Sehr bald" wollen sich die beiden noch ein zweites Mal treffen.
- Auftritt bei den UN: "Wir lehnen die Ideologie des Globalismus ab"
Auch für Iran, zu dessen Isolation er die Welt aufruft, hat er keine ganz so schrillen Drohungen im Manuskript stehen wie 2017 für Nordkorea. Vielmehr "bekräftigt" er seine Attacken, wie es später in der Nachrichtensprache heißen wird. Das bedeutet: vorerst keine neue Eskalation in der Rhetorik.
Knallhart "America First"
Inhaltlich ist Trump zugleich unmissverständlich in seiner Ablehnung jener Prinzipien, die der Uno heilig sind. Immer wieder spricht er über seine "America First"-Doktrin. Für ihn zählt nur der Nationalstaat.
Jeder Politiker solle zuerst an sein Land denken, dann würden alle profitieren, so lässt die sich zusammenfassen. Das ist natürlich etwas ganz anderes als die langfristigen kollektiven Anstrengungen, für die die UN stehen.
"Wir lehnen die Ideologie des Globalismus ab und wir huldigen der Doktrin des Patriotismus", so formuliert es Trump. "Amerika wird von Amerika regiert. Wir werden Amerikas Souveränität nie aufgeben." So soll es auch humanitäre Hilfe in Zukunft nur noch für "Freunde" der USA geben. Zuletzt hatte seine Regierung bereits die Zahlungen an das Flüchtlingshilfswerk der Palästinenser eingestellt.
Es ist also nicht weniger als eine Kampfansage an die UN. Das ist auch deren Generalsekretär nicht verborgen geblieben.
Eine düstere Rede
Vor Trump hält Antonio Guterres eine entsprechend düstere Rede: Die auf Regeln basierte Weltordnung breche auf, sagt Guterres, der Multilateralismus sei unter Beschuss, gerade in einem Moment, wo er besonders gebraucht werde, um etwa den Klimawandel zu meistern. Wer das Szenario für übertrieben hält, den belehrt Trump eine Stunde später eines Besseren.
Trump will lieber begrenzte "Deals" unter souveränen Nationen statt langfristiger Verbünde. In diesem Geist unterschrieb er am Montag eine Neuauflage des Handelsabkommens mit Südkorea, während er bekanntlich diverse multilaterale Handelsverträge gestoppt hatte. Im Anschluss machte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron klar, wie unvereinbar dieser Ansatz mit der aktuellen Weltordnung ist.
Trumps vier Freunde
Trump lobt lieber einzelne Freunde, die er in dieser Welt souveräner Staaten ausmacht. Momentan sind dies Indien, Saudi-Arabien und Israel, die er ebenso namentlich erwähnt wie Polen (das anders als Deutschland sein Gas gern aus Amerika statt aus Russland importiert).
Trump verspricht sich von der harten Linie vor der UN einen Erfolg daheim. Auch deshalb betont er immer wieder, dass er amerikanische Interessen vertritt und sich dafür bei niemandem entschuldigen werde. Das ist stimmig mit dem Bild, das er seinen Unterstützern malt: Trump als Beschützer gegen die Verwerfungen der Globalisierung.
Dass das Plenum der Regierungschefs und Außenminister mit kurzem Gelächter auf Trumps ausgiebiges Lob der eigenen Leistungen reagierte, dürfte ihn nur noch bestätigen in seiner Haltung.
Für die Europäer ist die erste Etappe der UN-Vollversammlung immerhin ohne größere Schäden, wie es sie zuletzt beim G7-Treffen im Juni oder der Nato-Gipfel im Juli gab, überstanden. Es ist allerdings wirklich nur der Auftakt.
Am Mittwoch leitet Trump eine Sitzung des UN-Sicherheitsrates. Es ist möglich, dass er sich den Iran und die Europäer, die am Atomabkommen mit Teheran festhalten wollen, dann doch noch heftiger vorknüpft.
- eigene Beobachtungen vor Ort