Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schiffe und Kampfjets vor Taiwan China baut Fähigkeiten für umfassende Invasion aus
![Das chinesische Kriegsschiff Hainan 31 (Symbolbild): China baut derzeit neue Landungsschiffe. Das chinesische Kriegsschiff Hainan 31 (Symbolbild): China baut derzeit neue Landungsschiffe.](https://images.t-online.de/2025/01/TLqpcqi03NHT/0x4:4000x2250/fit-in/1920x0/das-chinesische-kriegsschiff-hainan-31-symbolbild-china-baut-derzeit-neue-landungsschiffe.jpg)
China verdeutlicht seinen Anspruch auf Taiwan: Mit Kampfflugzeugen und Schiffen will es den Inselstaat einschüchtern. Das steckt hinter der Taktik.
Der Druck steigt: China verstärkt offenbar seine Militäraktivitäten rund um Taiwan. Das geht aus Zahlen des taiwanesischen Verteidigungsministeriums hervor.
Demnach hat das chinesische Militär im vergangenen Jahr eine Rekordzahl von Kampfflugzeugen in Taiwans Umgebung beordert. Erst vor wenigen Tagen schickte China dann innerhalb von gerade einmal 24 Stunden sechs Wetterballons, neun Kampfflugzeuge, sechs Kriegsschiffe und zwei weitere offizielle Schiffe in die taiwanesische Luftraumüberwachungszone.
Laut dem ehemaligen Chef der taiwanesischen Streitkräfte, Lee Hsi-min, baut China mit solchen Aktionen seine Fähigkeiten für eine umfassende Invasion aus. Er rechnet damit, dass China innerhalb von einem Jahrzehnt dazu bereit sein könnte, zitiert ihn die Zeitung "Taipei Times". Doch die chinesische Regierung könnte darauf hoffen, auch ohne einen solch drastischen Schritt ihr Ziel zu erreichen.
Hintergrund: China beansprucht das selbstverwaltete Taiwan als Teil seines Territoriums und lehnt jede internationale Anerkennung der Insel ab. Es ist ein offenes Geheimnis, dass der chinesische Präsident Xi Jinping Taiwan annektieren will – oder, wie er selbst sagt, eine "Wiedervereinigung" vollziehen will. Er hat mehrfach öffentlich und unmissverständlich versprochen, das Land unter die Kontrolle der Kommunistischen Partei zu bringen und es dem chinesischen Mutterland anzugliedern, notfalls mit Gewalt, so auch in seiner Neujahrsansprache an die Nation.
Höhere Militärpräsenz seit vergangenem Jahr
Beobachtern zufolge verstärkt China seine Anstrengungen vor allem seit der Amtsübernahme des neuen taiwanesischen Präsidenten William Lai Ching-te im Mai 2024, der als unverblümter Kritiker Chinas gilt. Eine Reise in die USA und ein dortiges Gespräch mit dem republikanischen Repräsentantenhaussprecher Mike Johnson soll die chinesische Regierung zudem verärgert haben.
Im Dezember schlug Taiwan dann wegen der militärischen Aktivitäten Pekings Alarm. Damals führte China eine der größten Militärübungen der vergangenen Jahrzehnte durch, wie mehrere Medien berichteten.
Etwa 90 chinesische Kriegsschiffe und Schiffe der Küstenwache nahmen an den Übungen teil, bei denen unter anderem Angriffe auf ausländische Schiffe simuliert und die Blockade von Seewegen geübt wurden, sagte ein taiwanesischer Sicherheitsbeamter. China teilte nach Ende der Übung mit, es werde "in seinem Kampf gegen die Unabhängigkeit und für die Wiedervereinigung nicht nachgeben".
Mehrere Taktiken
Diese Ankündigung scheint sich derzeit zu bewahrheiten. Lee Hsi-min spricht von vier Kategorien in der chinesischen Taktik. "Einschüchterungstaktiken" umfassten dabei Grauzonenkriege wie die fast täglichen Übergriffe auf Taiwans Luftraumüberwachungszone. Mit "Zwangstaktiken" bezeichnet er Blockaden oder auch die Sabotage von Unterwasserkabeln. "Strafangriffe" umfassten Raketenbeschuss und "Eroberung" sei eine Invasion im großen Stil.
Derzeit setzt China offenbar vor allem auf die erste Taktik. Nur eine Kennzahl: Im Jahr 2022 flogen 1.727 chinesische Militärflugzeuge in die De-facto-Luftraumüberwachungszone Taiwans, 2024 waren es mehr als 3.000. Zudem versucht China, auch wirtschaftliche Restriktionen als Druckmittel einzusetzen und hat einzelne Führungspersonen von taiwanesischen Unternehmen auf eine Schwarze Liste gesetzt. Auch Cyberangriffe und Desinformationskampagnen gehören zu den von China eingesetzten Mitteln.
China will Trump Stärke beweisen
Mehrere Faktoren dürften für Chinas verschärfte Strategie verantwortlich sein. So hat Taiwan zwar Anfang des Jahres seine jährliche Militärübung absolviert, die dazu dienen soll, China gegenüber Stärke zu präsentieren. Das Land wendet derzeit 2,4 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts, also rund 20 Milliarden US-Dollar, für sein Militär auf. Allerdings gibt es politische Diskussionen darüber, das Budget deutlich zu kürzen. China könnte darin ein Moment der Schwäche sehen.
Schon vor der Übernahme des US-Präsidentenamts durch Donald Trump im Januar hatte der Generalsekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Joseph Wu, deshalb davor gewarnt, dass Budgetkürzung die Bereitschaft der USA und ihrer Verbündeten, wie Japan und den Philippinen, Taiwan im Falle eines bewaffneten Zusammenstoßes schmälern könnten.
Entsprechend interpretieren Beobachter die verstärkte Militärpräsenz Chinas zu Beginn des Jahres als das Ziehen "roter Linien", bevor Trump im Weißen Haus übernahm. Peking wollte also deutlich machen, bis wohin seine Macht bereits reicht und auf welche Territorien es zudem Ansprüche erhebt. Hinzu kommt, dass Trump außenpolitisch äußerst erratisch handelt, sich aus vielen Konflikten aber eher heraushalten will. Es könnte daher sein, dass China auch darauf spekuliert, dass die USA unter Trump im Zweifelsfall nicht eingreifen würden.
Noch zeigen die chinesischen Aktionen nur geringe Erfolge. Sie kosten Taiwan vor allem Ressourcen. Zur Kapitulation haben sie bislang allerdings nicht geführt.
- dw.com: "China breaks silence on large military drills around Taiwan" (Englisch)
- france24.com: "Taiwan says 'troublemaker' China ramps up military exercises around the island" (Englisch)
- apnews.com: "Taiwan holds military drills as concerns rise over possible defense budget cut" (Englisch)
- taipeitimes.com: "China’s military drills around Taiwan set to increase: analysts" (Englisch)
- firstpost.com: "Belligerent China sends six balloons, nine warplanes near Taiwan in big move to build pressure" (Englisch)