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Syrien: Neuer Regierungschef al-Baschir weckt Hoffnung und Zweifel


Syriens neuer Regierungschef al-Baschir
Wer ist der neue starke Mann in Syrien?

Von t-online, FIN

11.12.2024 - 11:34 UhrLesedauer: 4 Min.
Zentrale Rolle: Politiker Bashir soll eine Übergangsregierung leiten.Vergrößern des Bildes
Der neue Chef der syrischen Übergangsregierung, Mohammed al-Baschir (Archivbild): Im Land gilt er als noch nahezu unbekannt. (Quelle: Screenshot/X)
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Nach Jahrzehnten der Unterdrückung steht Syrien vor einem politischen Umbruch. Doch der neue Anführer der Übergangsregierung wirft Fragen auf – und nährt Befürchtungen über eine islamistische Diktatur.

Syrien steht nach dem Sturz von Baschar al-Assad vor einer neuen politischen Ära. Über Jahrzehnte war das Land von der Ein-Parteien-Herrschaft des mittlerweile nach Russland geflohenen Machthabers geprägt. Nun hat die islamistische Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), die aus dem Nordwesten Syriens operiert, das Land im Sturm erobert. Am Dienstag gab die Führungsriege der HTS bekannt, dass der 41-jährige Mohammed al-Baschir die Übergangsregierung bis März leiten wird.

Nach Jahrzehnten der Unterdrückung und einem fast 14-jährigen Krieg, der Hunderttausende Tote und Millionen Vertriebene gefordert hat, hofft Syrien auf einen Neubeginn. Der neue Premierminister Mohammed al-Baschir betonte in einem aktuellen Interview mit Al-Jazeera, dass die Zeit gekommen sei, "in der die Syrer Stabilität und Frieden genießen könnten." Vor ihm stehe die Aufgabe, das tief gespaltene Land zu vereinen und die Grundlagen für einen starken syrischen Staat zu schaffen.

Doch wie brauchbar ist al-Baschirs Versprechen von "Stabilität und Frieden"? Und was ist über seine bisherige Politik als Regierungschef der Rebellenhochburg Idlib bekannt?

Minister für Entwicklung und islamische Erziehung

Mohammed al-Baschir ist landesweit noch weitgehend unbekannt. In Idlib im Nordwesten Syriens geboren, bekleidete al-Baschir verschiedene Ministerposten in der 2017 von der HTS gegründeten autonomen "Salvation"-Regierung (Heilsregierung). Vor seiner Ernennung zum Premierminister im Frühjahr 2024 war er als Minister für Entwicklung tätig.

Ursprünglich ist al-Baschir studierter Ingenieur und soll sich durch seine Tätigkeit in einer russischen Gasfirma Kontakte in die Russische Föderation aufgebaut haben. Nach Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 wandte er sich zunehmend der religiösen Ausbildung zu, erwarb einen Bachelor in islamischem Recht und wurde unter anderem Direktor für islamische Erziehung im Religionsministerium der Provinz Idlib.

Die Regierung in Idlib hat in den vergangenen Jahren mit einem pragmatischen Kurs auf sich aufmerksam gemacht – eine Haltung, die offenbar auch Premierminister Mohammed al-Baschir repräsentiert. Der 41-Jährige, der oft im Anzug und mit gepflegtem Bart auftritt, soll maßgeblich zur Modernisierung der Stadt beigetragen haben. Unter seiner Verwaltung entstanden neue Einkaufszentren, und die öffentliche Grundversorgung wurde ausgebaut.

In der Vergangenheit hat al-Baschir die Rolle der Jugend betont und sich dafür gelobt, dass die Regierung in Idlib von jungen Menschen mitgestaltet wird. In einer Rede betonte er, dass 30 Prozent der Regierungsmitarbeiter in Idlib unter 30 Jahre alt seien, während fast 75 Prozent in ihren Vierzigern sind. Er zitierte Hassan al-Banna, den Gründer der Muslimbruderschaft: "Der Mensch ist die Basis für Wachstum. Und die Jugend ist die Basis für einen Prozess der Verbesserung und der Entwicklung."

In einem früheren Gespräch sagte al-Baschir: "Was benötigt man, um eine Gesellschaft, einen Staat zu bilden? Heute verwalten wir Idlib, aber unsere Augen wandern nach Aleppo, nach Damaskus und an die Küste." Ein Hinweis darauf, dass al-Baschir schon länger eine Ausdehnung des Machtbereichs der HTS im Blick hatte. In den vergangenen Tagen wurden Videos von Reden al-Baschirs veröffentlicht, in denen er davon spricht, ein Syrien "voll Ruhm und Stolz" aufbauen zu wollen, in dem jeder in "Freiheit und Würde" leben könne.

Islamistischer Einfluss befürchtet

Doch wohlklingende Versprechen ihrer Führung sind die Syrer seit Jahrzehnten gewohnt. Auch Assad präsentiert sich als Garant für Frieden und Stabilität – während er Regimegegner in Kellern systematisch foltern ließ. Auch bei der islamistischen HTS gibt es enorme Bedenken, wie sehr die neuen Machthaber die Rechte von Frauen und Minderheiten achten werden. Die HTS wird etwa von den deutschen Behörden seit 2017 als Terrororganisation eingestuft. Kritiker warnen, dass die dschihadistische Ideologie der HTS das zukünftige Syrien prägen könnte.

Der deutsche Terrorismusexperte Peter Neumann äußerte sich dazu im ZDF: Er habe Zweifel, dass sich Syrien nach dem Machtwechsel in Richtung einer Demokratie und Rechtsstaatlichkeit weiterentwickeln würde, so Neumann. Auch wenn sich die HTS in den vergangenen Jahren von islamistischen Terrornetzwerken wie Al-Qaida losgesagt habe, so sei die Gruppe aber "weiter islamistisch, mit dem Ziel, eine Art Gottesherrschaft in Syrien einzuführen".

"Seine Kämpfer kämpfen nicht für eine liberale Demokratie. Seine Kämpfer haben für eine Art islamistisches Regime gekämpft", sagte Neumann. Der Chefideologe der Bewegung habe vor einigen Jahren die Taliban in Afghanistan zum Vorbild erklärt. Das bedeute nichts Gutes für Minderheiten und Frauen.

Kontakte zu Al-Qaida und zum IS

Der Anführer, Abu Mohammed al-Dschulani, der nachweislich früher Mitglied der Terrororganisation Al-Qaida war und zuletzt auch mit dem Islamischen Staat (IS) in Verbindung gebracht wurde, hat jedoch wiederholt betont, dass Minderheiten respektiert würden und keine Racheaktionen gegen frühere Anhänger des Assad-Regimes stattfinden würden.

Neumann bezweifelt jedoch, dass die Kämpfer der HTS diesen Weg mitgehen würden und warnt vor der Möglichkeit, dass es zur Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte. Bislang wurden die neuen Bekenntnisse jedoch eingehalten.

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