Gefangenenaustausch Diese Kremlkritiker sind freigekommen
In einem großangelegten Gefangenenaustausch sind mehrere Kremlkritiker freigekommen. t-online gibt Ihnen ein Überblick über die Freigelassenen.
Bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten sind zahlreiche Inhaftierte freigekommen. In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über die Freigekommenen. Mehr zu den Deutschen, die aus Putins Gefangenschaft freigekommen sind, lesen Sie hier.
Wladimir Kara-Mursa
Der 42-Jährige gehört zu den prominentesten Oppositionellen in Russland. Er war im April 2023 unter dem Vorwurf des Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Der beispiellose Richterspruch löste weltweit Entsetzen aus. Zuletzt waren die Sorgen um den seit langem gesundheitlich schwer angeschlagenen Politiker groß. Seine Frau Jewgenija Kara-Mursa schlug immer wieder Alarm in sozialen Netzwerken – vor allem als der Kontakt nach einer Verlegung ihres Mannes in ein sibirisches Haft-Krankenhaus komplett abbrach.
Kara-Mursas Ehefrau erinnerte daran, dass ihr Mann nach zwei Vergiftungsattacken an einer chronischen Erkrankung leide. Seinem Anwalt zufolge war Kara-Mursa im Juni für zunächst geplante sechs Monate in eine Zelle mit erschwerten Haftbedingungen verlegt worden. Solche besonders engen Zellen sind häufig genutzte Schikanen der Wärter im Straflager für politische Gefangene. Unterstützt wird Kara-Mursa etwa auch von dem Kremlgegner und früheren Ölmanager Michail Chodorkowski, der selbst einst durch deutsche Vermittlung aus dem Straflager befreit worden war.
Ilja Jaschin
Der 41-jährige Politiker gehört zu den schärfsten Kritikern von Kremlchef Wladimir Putin. Jaschin blieb in Russland, als viele andere Kremlgegner schon ins Ausland geflüchtet waren. Weil er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine anprangerte und vor allem die Soldaten seiner Heimat für das Massaker an Zivilisten in Butscha in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew verantwortlich machte, wurde er im Dezember 2022 wegen Verunglimpfung der Armee zu achteinhalb Jahren Straflager verurteilt.
"Putin ist ein Kriegsverbrecher, aber hinter Gittern bleibe ich", wandte sich Jaschin an das Gericht. "Das ist doch eine komische Situation, finden Sie nicht?" Bekannt ist er auch für seine politische Nähe zu dem Oppositionsführer Alexej Nawalny, der im Februar im Straflager in der Arktisregion starb, und zu dem in Kremlnähe erschossenen früheren Vize-Regierungschef Boris Nemzow.
Oleg Orlow
Der 71-Jährige gehört zu den bekanntesten Menschenrechtlern und mutigsten Kämpfern für Gerechtigkeit in Russland. Auch der Mitgründer der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation Memorial wurde wegen Kritik an Putins Krieg zu Lagerhaft verurteilt, und zwar zu zweieinhalb Jahren. Das für den Friedensnobelpreis zuständige norwegische Nobelkomitee kritisierte die Verurteilung des Aktivisten als politisch motiviert.
Orlow war selbst immer wieder bei Gerichtsprozessen gegen Andersdenkende als Beobachter dabei. Er machte sich vor allem wegen seiner von vielen geschätzten Zivilcourage einen Namen als Kritiker russischer Justizwillkür. Auch er blieb trotz der Gefahr einer Inhaftierung in Russland, um weiter im Land gegen politische Repressionen zu kämpfen. Memorial hatte 2022 für die Dokumentation von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch in der ehemaligen Sowjetunion und im postsowjetischen Russland den Friedensnobelpreis erhalten.
Alsu Kurmasheva
Ein russisches Gericht verurteilte die US-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva erst vor wenigen Tagen zu sechseinhalb Jahren Strafkolonie wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee. Anlass für das Urteil war ein von ihr im November 2022 veröffentlichtes Buch mit dem Titel "Nein zum Krieg. 40 Geschichten von Russen, die sich gegen die Invasion der Ukraine wehren", wie die russische Oppositionsplattform "meduza" mitteilte. Kurmasheva, die für das tatarische Programm des US-Auslandssenders Radio Freies Europa/Radio Liberty (RFE/RL) arbeitet, war seit Oktober inhaftiert.
Weitere russische Gefangene
Freigelassen wurden auch weitere russische politische Gefangene, darunter die Künstlerin Alexandra Skotschilenko und die früheren Leiterinnen der Regionalstäbe des Kremlgegners Nawalny, Lilia Tschanyschewa aus Ufa und Xenia Fadejewa aus Tomsk. Auch der Nawalny-Mitarbeiter Wadim Ostanin kam in Freiheit.
Alle sind Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und erhielten langjährige Strafen. Der Westen hatte die Urteile als Justizwillkür kritisiert und die Freilassung der Gefangenen gefordert. In Freiheit kam auch der 19 Jahre alte Deutsch-Russe Kevin L., der im Dezember 2023 wegen Landesverrats zu vier Jahren Haft verurteilt worden war.
Anfang Juli hatte der Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow, der die in Russland inzwischen verbotene kremlkritische Zeitung "Nowaja Gaseta" gegründet hatte, in einer Videobotschaft öffentlich westliche Staaten aufgefordert, bei der Freilassung inhaftierter Kremlgegner zu helfen. Sechs der nun Freigelassenen standen auf seiner Liste, die elf Namen umfasst. Aufgeführt waren zudem die Theaterregisseurin Jewgenija Berkowitsch, die Dramaturgin Swetlana Petrijtschuk, der Aktivist Igor Baryschnikow, der Lokalpolitiker Alexej Gorinow und die Kinderärztin Nadeschda Bujanowa. In den Straflagern sitzen auch nach dem Austausch weiter Dutzende politische Gefangene.
- Nachrichtenagentur dpa