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André Ventura: Dieser Mann will Portugal auf den Kopf stellen


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Rechtsruck in Portugal
Er hat ein Erdbeben ausgelöst


Aktualisiert am 11.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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André Ventura: Seine Chega-Partei wurde drittstärkste Kraft. (Quelle: reuters)
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Paukenschlag in Portugal: Eine rechtspopulistische Partei wird drittstärkste Kraft in dem Land. Ihr Vorsitzender ist bekannt für sein radikales Auftreten.

Nun ist es also auch in Portugal passiert. Das kleine Land im Südwesten Europas hat bei den Parlamentswahlen am Sonntag den Aufstieg einer rechtspopulistischen Partei erlebt, die aller Voraussicht nach das Zünglein an der berüchtigten Waage werden könnte. Chega nennt sich die Partei. "Genug".

Die erst 2019 gegründete Partei erzielte nach Auszählung aller Stimmen 18 Prozent. Ein Zuwachs von 11 Prozent im Vergleich zur Wahl vor zwei Jahren. Politische Beobachter bewerten die Wahl als Erdbeben – mit starken Verschiebungen nach rechts. Während die bis dato regierenden Sozialisten bei dem vorgezogenen Urnengang nur auf 28,7 Prozent der Stimmen kommen (2022: 41 Prozent) und damit die Regierungsmacht verlieren, konnte das konservative Bündnis Demokratische Allianz (AD) von Luís Montenegro mit 29,5 Prozent (31) knapp den ersten Rang behaupten.

Eine Regierungsmehrheit könnten beide großen Parteien nur durch eine Koalition mit der Chega erzielen. Für Chega-Spitzenkandidat André Ventura ist die Wahl ein Triumph, der 41-jährige Jurist dürfte nun zu einem der Gesichter der sogenannten Neuen Rechten in Europa werden. Zudem könnte der Aufstieg seiner Partei ein Indiz dafür sein, dass sich die politische Landschaft im traditionell eher linksdemokratischen Portugal dauerhaft verändert.

"Eine Ein-Mann-Partei ohne richtiges Programm"

Doch zunächst einmal wird das Ergebnis den etablierten Parteien Kopfzerbrechen bereiten, denn AD-Spitzenkandidat Montenegro hatte im Wahlkampf ein Bündnis mit der Sozialistischen Partei (PS) von Pedro Nuno Santos ebenso ausgeschlossen wie eine Allianz mit der rechtspopulistischen Chega. Dafür war er von Ventura hart attackiert worden, der ihn als "nützlichen Idioten der Sozialisten" schmähte.

Ähnlich wie in Deutschland mit der AfD existiert auch in Portugal unter den etablierten Parteien eine Brandmauer zu den extrem Rechten. Wie lange diese hält, darauf werden Beobachter im In- und Ausland nun ein Auge haben.

Der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im EU-Parlament, Jens Geier, hat bereits vor einer Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten in Portugal gewarnt. Eine der größten aktuellen Gefahren für die Europäische Union sei, dass Demokraten Antidemokraten zur Macht verhelfen, betonte Geier. "Die rechtspopulistische Partei Chega ist (...) eine Ein-Mann-Partei ohne richtiges Programm, die gegen Minderheiten hetzt", betonte Geier.

Chegas starker Mann Ventura ist ein schillernder Charakter, dessen Politikstil und Vokabular an Donald Trump ebenso erinnert wie an den brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro oder Ungarns Viktor Orbán. Ein "extrem rechtes Chamäleon" nannte die Nachrichtenagentur AFP Ventura jüngst.

Ventura fordert Kastration von Pädophilen

Dessen politische Programmatik besteht im Wesentlichen aus Diskriminierung von Minderheiten, dem Kampf gegen illegale Einwanderung und der Bekämpfung der Korruption. Bekannt wurde Ventura 2017 mit einer Kampagne gegen Sinti und Roma, die er als Sozialschmarotzer brandmarkte. Damals kandidierte er noch für den Stadtrat einer kleinen Stadt bei Lissabon. Inzwischen sind seine Ambitionen größer. Jene, die ihn kennen, sagen, dass Ventura alles tun würde, um an die Macht zu kommen.

"André hatte immer ein großes Ego. Er wollte Bürgermeister, der Präsident des Fußballvereins Benfica und der größte Schriftsteller werden", zitiert die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) einen Weggefährten Venturas. "Um Portugal zu verändern, habe ich mich entschieden, die Welt der politischen Unkorrektheit zu betreten", sagte Ventura in einem Interview mit dem Onlinemagazin "European Conservative". "Ich hatte keine Angst, diesen Weg zu gehen, und inzwischen folgen mir viele."

Und so kennt der ehemalige Fußballkommentator, der für sein aggressives Auftreten in TV-Debatten bekannt ist, kaum Hemmungen. Mal fordert er die chemische Kastration von Pädophilen, dann die Begrenzung von Sozialleistungen für Einwanderer mitsamt strikterer Immigrationsgesetze. Er will höhere Renten, eine bessere Bezahlung für Polizisten, Krankenschwestern und Lehrer oder die Abschaffung von Verbrauchersteuern. "Er verspricht allen alles", schrieb die "FAZ" über Ventura.

Offenbar konnte der Ansatz bei vielen Portugiesen verfangen. Sie machten ihr Kreuz bei der Chega-Partei. "Er hat ganz einfach den [politischen] Markt analysiert und sich dann genau in das Produkt verwandelt, das bei den Wählern gut ankommt", schreibt der portugiesische Journalist Vitor Matos in seiner Biografie Venturas.

Slogan: "Portugal muss aufgeräumt werden"

Umso erstaunlicher ist der Erfolg der portugiesischen Rechtspopulisten, da die sozialistische Regierung von Ministerpräsident António Costa das Land jahrelang erfolgreich regiert hatte. Nach der Euro-Schuldenkrise hatte Costa das einstige EU-Sorgenkind jahrelang solide geführt. Ausgabendisziplin, aber auch soziale Verantwortung zeichneten seine Arbeit aus. Die Wirtschaft wuchs all die Jahre fast immer über EU-Schnitt, die Arbeitslosigkeit wurde ebenso wie die Schulden stetig zurückgeschraubt.

Gleich mehrere Korruptionsskandale, unter anderem bei der staatlichen Airline TAP, setzten dem "portugiesischen Wunder" jedoch zuletzt ein jähes Ende. Auf dem Höhepunkt sah sich Costa im November mit Korruptionsvorwürfen bei Lithium- und Wasserstoff-Projekten konfrontiert. Nach aktuellem Ermittlungsstand hat sich der 62-Jährige persönlich aber nichts zuschulden kommen lassen. Er trat dennoch zurück und blieb geschäftsführend im Amt.

Der ehemalige Sportkommentator André Ventura wetterte im Wahlkampf hingegen ausdauernd gegen die vermeintlich korrupten Eliten in Portugal. Er kündigte an, ihnen das Geld wegzunehmen und es den weniger Betuchten zu geben. "Portugal muss aufgeräumt werden", lautete der Slogan seiner Partei.

Ein Ergebnis wie aus dem Kommunismus

Er selbst wusste offenbar lange nicht, was er werden wollte. Zunächst besuchte er ein Priesterseminar, dann versuchte er sich als Schriftsteller, verfasste halbpornografische Romane, wurde dann TV-Experte, und ging schließlich in die Politik. Dort verschrieb er sich zuletzt dem Kampf gegen die Korruption, die er im "European Conservative" als das "endemische Böse" bezeichnete.

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Ventura betont, sich auf einer "göttlichen Mission" zu befinden. Oft zeigt er sich betend in den sozialen Medien. Seine Partei soll er laut Insidern wie eine Sekte führen. Erst im Januar wurde er beim Parteitag von Chega mit 98,3 Prozent der Delegiertenstimmen als Vorsitzender wiedergewählt. Ein Ergebnis, wie man es sonst nur aus kommunistischen Diktaturen kennt.

Zugleich scheint er es mit seinen eigenen Werten nicht so genau zu nehmen. Wie die "FAZ" einen ehemaligen Weggefährten zitiert, soll Ventura sich mit einem Finanzbetrüger, einem Bordellbesitzer und einem Kirchenräuber umgeben. "In der Politik musst du dich von den anderen abheben. Und ich will anders sein", sagte er mal.

Anerkannt wird von politischen Analysten jedoch Venturas Fähigkeit, die Gunst der Stunde zu ergreifen. "Er hat genau gespürt, dass es eine enorme Unzufriedenheit mit der politischen Klasse gibt", sagte der Politikwissenschaftler André Azevedo Alves dem britischen "Guardian".

Portugal wird von einer Streikwelle überrollt

Die Wahl war von sozialen und wirtschaftlichen Problemen wie Wohnungsnot und Inflation geprägt, die das Niedriglohnland Portugal besonders hart treffen – und die laut Beobachtern auch den Nährboden für den Rechtsruck bieten. Seit Ende der Pandemie wird Portugal von einer Streikwelle überrollt: Ärzte, Lehrer, Polizisten und viele andere protestieren immer lauter.

Diese allgemeine politische Unzufriedenheit vermochte Ventura offenbar aufzugreifen und politisch zu kanalisieren. Und so kommt es, dass nun auch in Portugal ein Vertreter der Neuen Rechten eine bedeutende Rolle in der Politik des Landes spielt. Zwar hat es auch in den vergangenen 50 Jahren schon extrem rechte und sogar radikal rechte Parteien in Portugal gegeben, doch die schafften meist nie den Sprung ins Parlament.

"Es gab einfach keinen Politiker, der talentiert genug gewesen wäre, von der Unzufriedenheit der kleinen Leute zu profitieren", so der Politikexperte Azevedo Alves. Das hat sich mit André Ventura nun gründlich geändert.

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